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Führen von Anscheinswaffen

Hat da jemand Kollegah gesagt? Meine Güte, hat der sich runtergewirtschaftet. Mit Schlagzeilen der Sorte "Videodreh ruft die Polizei auf den Plan" erhaschten sich sonst immer aus guten Gründen unbekannte Rapper aus der tiefsten Provinz drei Minuten Aufmerksamkeit, an die sie anders nicht herankamen. Inzwischen hat das offenbar auch der einstige Boss nötig. Oder er spart mittlerweile an Mitarbeitern, die in der Lage sind, ihren Job ordentlich zu erledigen:

Der Dreh im Frankfurter Bahnhofsviertel, für den (auch schon wieder wahnsinnig kreativ, dieses Setting) Kollegah so tat, als überfalle er zusammen mit Schützling Asche schwer bewaffnet ein Juweliergeschäft, sei zwar bei der Stadt angemeldet und auch genehmigt gewesen, berichtet der MDR. Die Verantwortlichen hatten aber "vergessen, die Polizei über ihr öffentlichkeitswirksames Vorgehen zu unterrichten". Weswegen die Ordnungshüter, von besorgten Augenzeugen gerufen, auch anrückten. Die Beteiligten des Drehs müssen sich nun wegen "Führens von Anscheinswaffen" verantworten. Was es alles gibt.

"Ein neues Level an Realismus und Gangster-Rap", glaubt Kollegah mit der Aktion erreicht zu haben. Für mich liest sich das, wie gesagt, eher, als stümpere er bei seinen Drehs inzwischen herum wie der durchschnittliche Dorf-MC. Das Album, für das dieser ganze Auftrieb stattgefunden hat, heißt (auch das irre originell) "Natural Born Killas" und erscheint am 22. Januar. So sieht es aus:

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1 Kommentar mit 6 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    So verteidige ich unser neues Heim vor Corona

    „Was machst Du da?“, fragt der Schatz, während ich in der Herbstsonne auf unserem neuen Balkon sitze und auf die Straße starre. „Ich sitze hier und starre auf die Straße“, gebe ich Auskunft. Ich höre von drinnen das Geräusch eines Bohrers. Anscheinend will die Dame meines Herzens irgendeines der Bilder aufhängen, die wir aus der alten in die neue Wohnung geschleift haben. Das Bohrgeräusch ebbt mit einem kurzen Zirpen ab. „Und wozu brauchst Du dabei das Gewehr?“, will sie jetzt wissen. „Zum Schutz!“, gebe ich knapp zurück. Der gute Boschbohrer nimmt wieder kurz seine Arbeit auf, dreht dann anscheinend hohl. „Scheiße“, höre ich den Schatz ganz undamenhaft fluchen, „da ist ein Loch dahinter.“ Kurzes Klappern, das nach Plastik klingt. Anscheinend hat sie sich das Kästchen mit den Fischer-Dübeln geschnappt.

    „Wieso zum Schutz?“, fragt sie durch die offene Balkontür. Und schiebt ein „woher hast Du überhaupt das Gewehr“ nach, bevor ich antworten kann. „Welche Frage willst Du zuerst geklärt haben?“, will ich wissen. Statt einer Antwort höre ich ein Klopfen. Anscheinend hämmert sie den Dübel in die Wand. „Die mit dem Gewehr“, sagt sie von drinnen. „Am Frankfurter Hauptbahnhof gibt es einen Tschetschenen, der verkauft die, hinten an den Schließfächern, in der Nähe des Notausgangs“, antworte ich knapp. Es klappert und klackt. Das könnte ihr Zollstock sein.

    „Kannst Du denn mit einem Gewehr umgehen?“, erkundigt sie sich. „Das will ich meinen. Ist ein Heckler&Koch G3, Nato-Kaliber 7,62 mal 51 Millimeter, 20 Schuss Stangenmagazin, 600 Schuss pro Minute Kadenz, allerdings schmilzt dann das Rohr und so schnell kann ich die Magazine nicht wechseln. 4,38 Kilo ungeladen mit einklappbarer Schulterstütze. Damit es besser in den Kofferraum passt. Kenne ich noch von der Bundeswehr. Hat mir die Schützenschnur geschossen“, erkläre ich, nicht ganz unstolz.
    „Du willst auf Corona-Kranke schießen?“

    Ein „Wumpf“ ist zu hören, als der Schatz den Bohrer aufsetzt, danach das erneute, kurze Aufheulen des Maschinenmotors. Sie ist wohl an Loch zwei, das sie eben vorbohrt. „Ist das legal?“, fragt sie nach. „Ich glaube nicht“, gebe ich zurück, „aber Not kennt kein Gebot.“ Und außerdem befindet sich noch keine Patrone in der Geschosskammer. Ich habe nur das Magazin reingeklickt, aber auf das Laden verzichtet. Wenn sie kommen, habe ich immer noch Zeit, den Ladehebel nach hinten zu ziehen. „Und wozu brauchst Du das?“, bohrt sie weiter, diesmal aber an mir. Mit ihrer Fragerei. „Das ist, wenn sie kommen!“, gebe ich bereitwillig Auskunft. „Wer ist „sie“?“, fragt der Schatz nach, wartet aber meine Antwort nicht ab.

    Der Bohrer wühlt sich wieder kreischend in die Steinwand, bevor er wieder stoppt. „Die Corona-Kranken!“, erkläre ich mit unbeabsichtigtem, aber leicht genervtem Unterton in das Geräusch des ausrollenden Bohrers. „Das ist doch keine Zombie-Apokalypse! Du willst auf Corona-Kranke schießen?“, kommt es erstaunt von drinnen. „Ja, als Ultima ratio werde ich das tun, um uns zu verteidigen!“ „Ultimer Ration?“ Ihre Stimme klingt etwas abwesend. „Ultima ratio. Letzte Möglichkeit!“, bleibe ich geduldig. „Hast Du einen Schlaganfall?“, fragt sie besorgt nach. „Nein, ich bin nur vorsichtig“, rufe ich durch die geöffnete Balkontüre.

    Der Schatz erscheint in der Öffnung, in seiner Hand hält er die Fischer-Dübel. Erstaunt starrt er mich in meinem Schaukelstuhl an und wirkt auch etwas empört: „Wir sind hier erst frisch hergezogen, was sollen denn die Nachbarn von uns denken, wenn Du auf sie schießt?“ Ich seufze und klopfe leicht auf das Magazin. „Erstens dient diese Maßnahme unserem Schutz vor Corona und zweitens schieße ich ja nur auf Nachbarn, die Corona haben UND unserem Haus zu nah kommen.“ „Und wie willst Du das herausfinden?“ „Ich rufe sie an, wenn ich sie sehe. ‚Halt‘, sage ich, ‚keinen Schritt weiter. Haben Sie Corona?' und dann werden wir ja sehen. Wenn derjenige trotz Anruf weiter in unsere Richtung läuft, dann werde ich uns zu verteidigen wissen!“, erkläre ich entschlossen und klopfe zur Bekräftigung noch einmal auf das Magazin, „‚Abstand halten!', hat die Kanzlerin gesagt und genau das habe ich vor, hier vor Ort durchzusetzen!“

    In diesem Moment kommt Frau Fleckfels, die hier am Ort nur alle „Elsbeth“ nennen, mit ihrem Rollator die Straße heraufgekrochen. „Sieh zu und lerne“, sage ich und stehe auf. Gut sichtbar richte ich das Gewehr aus der Hüfte auf sie: „Tach, Frau Fleckfels, haben Sie Corona?“ Frau Fleckfels sieht mich an wie ein Mondkalb. „Was hab ich?“, will sie wissen. „Corona! Ob Sie Corona haben, will ich wissen!“, brülle ich sie an. „Was?“ „Corona! Corona! Haben Sie Corona?“ Ich brülle wie Mussolini, aber, meine Güte, die Alte ist taub wie ein Amboss und walzt weiter auf uns zu! „Brauch ich nicht!“, gibt sie zurück. „Maske! Wo ist Ihre Maske?“, schreie ich über die Straße in ihre Richtung. Sie hat ihren Rollator gestoppt. „Maske? Ist denn Fasching?“, fragt sie mehr sich als mich.

    Tja. Ich schätze es wird Zeit, Menschen die Konsequenzen ihres Handelns aufzuzeigen. Ich ziehe den Ladehebel zurück und höre das Klacken, als sich die Patrone in den Verschluss schiebt. Trotz seines Alters funktioniert das Gewehr präzise wie ein Uhrwerk. Und weil ich es besser als eine Rothaarige vor dem Sonnenbad geölt habe. Aus dem Augenwinkel sehe ich ein kleines Rauchwölkchen sich aus dem rechten Griff des Rollators kringeln, dann zischt eine Rakete fauchend am Schatz und mir vorbei, direkt durch die offene Balkontüre in unsere neue Küche, wo sie in einem veritablen Feuerball explodiert. Das Luder hat nur so getan, als würde es nichts verstehen und die Zeit genutzt, sich auf Abschussweite zu nähern. Ich erhalte einen harten Schlag auf die Wange.

    Schweißgebadet wache ich auf. Der Schatz schaut mich besorgt an. „Du hattest einen Albtraum, deswegen habe ich Dich wachgerüttelt“, erklärt er meine schmerzende Wange und ich habe nicht das Gefühl, dass er gerüttelt hat, der Schatz. „Was hast Du geträumt? Du weißt, der erste Traum im neuen Haus geht in Erfüllung!“, sagt der Schatz besorgt. „Ich habe von Elsbeth geträumt“, erzähle ich die halbe Wahrheit. Ich muss morgen dringend zum Frankfurter Hauptbahnhof, hinten, an die Schließfächer, in der Nähe des Notausgangs …

    (thilo schneider politticker.de)