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Wolkenkuckucksheim

Ach Mann, ich wünschte, Haiyti würde zu mehr herhalten, als das fünfte Jahr in Folge den Lesern des Zeit-Feuilletons die Chance zu geben, über die Legalität von Autotune zu diskutieren. Während bei ihr weiter Release auf Release prasselt, sind ihre interessanten Momente durch die Bank inspiriert, und kaum jemand hat eine so vielseitige Bandbreite an einschlägigem Melodrama vorzuweisen, den sie aus der simplen Cloud Rap-Formel gesponnen hat.

Gott sei Dank kommt da dann mal wieder ein Song wie "Wolken", der genau diesen Punkt mit Wumms verdeutlicht: Keiner traut sich in Deutschland so weit von den Inspirationen aus Amerika weg wie Haiyti in ihren besten Momenten. Dieser arbeitet einen inneren Monolog aus und nutzt den Auftrieb hin zum Trap-Drop, um ihn zum schwersten Moment der Selbsterkenntnis zu verballhornen. Es folgt ein Song, der antiklimaktisch wirkt, aber gerade das perfekt umsetzt.

Die alleinige Zeile "Ich bin nicht anders als die Szene" ist vielleicht der klarste Moment, den Deutschrap-Selbstreflektion hervorgebracht hat. Alle beißen und wühlen dagegen an, diesem Scheißsystem nahe zu sein, aber wenn ein Scheißsystem nur aus Leuten besteht, die sich aktiv oder inaktiv oder ironisch oder performativ davon distanzieren, ändert das nachher auch nichts. Ihre paranoiden Gedankenwellen schreibt Haiyti perfekt chaotisch auf und produziert so einen Gedankengang, der viel mehr nach Offenlegung klingt als jeder nach Sympathie hechelnde "Bemitleidet mich"-Song. Dass sie dann in der zweiten Hälfte in den völligen Breakdown schlittert, rundet die Kiste nur ab.

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