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Die Sterne

Wie waren die bisherigen drei Monate im Lockdown? Kreativ oder depressiv?

Frank Spilker: Alles andere als depressiv. Eher busy. Am Anfang auch von Wut durchsetzt darüber, dass man so lange an etwas gearbeitet hat, und dann noch nicht einmal richtig die Belohnung dafür einfahren darf. Ich vermisse die Festivalsaison schon ein bisschen.

Wie wird euch der Lockdown prägen? Gibt es Erkenntnisse oder Konsequenzen, die sich aus einem viertel Jahr Stubenhocken für euer Business ableiten lassen? Oder hofft man einfach, dass sich die Lage in den kommenden Monaten wieder normalisiert, und es so weitergehen kann wie in den Jahren zuvor?

Ich glaube, dass diese Ausnahmesituation allgemein für viele Erkenntnisse sorgt und noch für eine lange Zeit Sätze mit der Formulierung: 'Wie man während des Corona Lockdowns gesehen hat ...' beginnen werden. Für mich persönlich hat sich neben den organisatorischen Problemen gar nicht so viel geändert. Der Lockdown ist auch nichts anderes als eine Arbeitsphase am Schreibtisch, nur dass die sozialen Beschränkungen nicht selbst- sondern fremdauferlegt sind. Wenn es allerdings auch mittelfristig keinen Impfschutz geben wird, müssen viele und auch ich ihre gesamte künstlerische Praxis oder ihr Geschäftsmodell überdenken. Denn dann helfen auch keine Übergangshilfen mehr.

Im Juni kann es unter Auflagen wieder erste Konzerte geben. Seid ihr schon kräftig am Konzerte organisieren?

Nein. Wir sind gerade dabei, die für den Oktober geplanten Konzerte in den Februar zu verlegen und können bisher nur hoffen, dass die dann auch stattfinden. Vielleicht gibt es einzelne Konzerte mit wenig Publikum oder auch Streams im Fernsehen oder Internet, die dann aber auch eher symbolisch gemeint sind.

Auftreten ist für Bands das A und O. Aber rechnen sich überhaupt Konzerte, wenn in nächster Zeit nur noch ein Bruchteil der Leute kommen darf?

Das wäre nur dann möglich, wenn bei einem Viertel des Publikums das Vierfache des Eintritts bezahlt werden würde. Aber auch wenn die Kalkulation dann funktionieren würde, wäre es nicht das gleiche Konzerterlebnis. Man kann nicht einfach weiter machen, die Situation ist eben anders. Ich könnte mir Solokonzerte vorstellen.

Was kann man tun, um sich als Musiker*In finanziell über Wasser zu halten? Rächt es sich gerade in der Coronakrise, dass Musik als Kulturgut regelrecht entwertet wurde?

Wenn man das improvisieren gewohnt ist, ist dieses 'Fahren auf Sicht' eine Zeit lang okay. Wir wissen noch nicht, ob es einen grundsätzlichen Strukturwandel geben wird. Wenn Livekonzerte auf Dauer nicht mehr möglich sind, wäre das der Fall. Strukturelle Maßnahmen wären dann auf jeden Fall eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung und nicht die eines einzelnen Künstlers. Noch nicht einmal die einer einzelnen Berufsgruppe.

Wie ist die Situation konkret für euch: Fühlt man sich angesichts gewaltiger Kurzarbeitergeld-Volumina etc. vom Staat im Stich gelassen? Man hat ja das Gefühl, dass Freiberuflern bzw. der Kulturbranche erst zuletzt geholfen wird - oder kommt man auch in den Genuss eines finanziellen Schutzschirms und/oder anderer Hilfen?

Die Kulturszene ist extrem heterogen. Auch innerhalb der Band gibt es die unterschiedlichsten Lebens- und Einkommenskonstruktionen. Je nachdem, wie lange das faktische Auftrittsverbot dauert, bin ich selbst noch ganz gut dran. Mir tun die Leute leid, die jetzt Grundsicherung beantragen müssen und dort trotz jahrelanger künstlerischer Praxis, und übrigens auch versteuertem Einkommen, behandelt werden, als hätten sie nie einen Job gehabt.

Die Sterne sind eine Indie-Rock-Institution, die seit 1992 schlaue und gesellschaftskritische Platten aufnimmt. Das aktuelle Album "Die Sterne" erarbeitete Sänger Frank Spilker mit den Von Spar-Musikern Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch.

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