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Delta-Konzerte

Wie waren die bisherigen drei Monate im Lockdown? Kreativ oder depressiv?

Timo Kumpf: Eher kreativ. Auch wenn die Existenzbedrohung nach wie vor allgegenwärtig ist, habe ich die Entschleunigung auch irgendwie von Anfang an genossen. Depressiv war bei mir eher das letzte Jahr. Und das war mein persönliches Ding. Jetzt sitzen alle im selben Boot und versuchen es gemeinsam vorm Sinken zu retten. Ich lasse mir den wiedererlangten Spaß an meinem Job jedenfalls nicht mehr madig machen. Weiß daher nicht, ob ich so repräsentativ bin.

Wie wird dich der Lockdown als Konzertveranstalter prägen? Gibt es Erkenntnisse oder Konsequenzen, die sich aus einem viertel Jahr Stubenhocken für euer Business ableiten lassen? Oder hofft man einfach, dass sich die Lage in den kommenden Monaten wieder normalisiert, und es so weitergehen kann wie in den Jahren zuvor?

Naja, selbst bei einer schnellen Normalisierung - an die ich nicht glaube - wird uns das noch viele Jahre begleiten. Dabei hoffe ich zumindest gesellschaftlich auf positive Effekte. Aber die wirtschaftlichen Folgen werden verheerend.

Im Juni kann es unter Auflagen wieder erste Konzerte geben. Bist du schon kräftig am Konzerte organisieren?

Weder noch. Wir fahren mehrgleisig und stehen bereit, wenns weitergeht. Aber zum Herbst rechne ich damit nicht. Auch wenn die Hoffnung ja bekanntlich zuletzt stirbt. Fokus liegt bei mir auf dem Sommer 2021. Daher hoffe ich zumindest darauf, dass vorm Weihnachtsgeschäft das Vertrauen der Ticketkäufer zurück ist.

Rechnen sich überhaupt Konzerte, wenn in nächster Zeit nur noch ein Bruchteil der Leute kommen darf?

In manchen Bereichen mag das Sinn machen, aber wir machen zu 95 Prozent Stehkonzerte, und hier wird zuletzt Normalität reinkommen. Als unabhängiger Konzertveranstalter muss ich das klar verneinen.

Was kann man tun, um sich finanziell über Wasser zu halten? Rächt es sich gerade in der Coronakrise, dass Musik als Kulturgut regelrecht entwertet wurde?

Naja, Kurzarbeit plus alles an Hilfen, was geht. Auch wenn das zuwenig ist. Aber sparen haben wir gelernt ... Ich bin jetzt auch bei Krediten angekommen. Ohne die haben wir keine Chance. Und wenn es danach keinen Strukturwandel gibt, dann wird eine zeitnahe Rückzahlung unmöglich. Naiv wie ich bin, hoffe ich aber zumindest, dass die Wertschätzung nachhaltig steigt, und es auch einen Nachholbedarf der Fans gibt, so dass es auch einen anhaltenden Paradigmenwechsel geben kann.

Wie ist die Situation konkret für dich: Fühlt man sich angesichts gewaltiger Kurzarbeitergeld-Volumina etc. vom Staat im Stich gelassen? Man hat ja das Gefühl, dass Freiberuflern bzw. der Kulturbranche erst zuletzt geholfen wird - oder kommt man auch in den Genuss eines finanziellen Schutzschirms und/oder anderer Hilfen?

Ich hab Schiss, dass am Ende einfach nix mehr da sein wird, womit uns geholfen werden kann. First out, last in. Das war von Anfang an klar. Insofern ist es natürlich enttäuschend, dass wir da offensichtlich eine untergeordnete Rolle spielen. Während über eine Subvention von Diesel-Schleudern geredet wird, ist die Nachhaltigkeit von Kultur wohl wieder einmal zu abstrakt.

Timo Kumpf ist Geschäftsführer bei Delta Konzerte. Die Konzertagentur mit Sitz in Mannheim organisiert Auftritte im Rhein-Neckar-Raum. Kumpf organisiert auch das beliebte Liebhaber-Festival Maifeld Derby. Die 2020er Ausgabe sagte Kumpf bereits vor Corona aufgrund von Budgetschwierigkeiten ab.

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