laut.de-Kritik

Es zeigen sich deutliche Spuren von Talent.

Review von

Marlon - wir erinnern uns: Ein kleiner Bub, der mit seinem zartschmelzenden Song "Lieber Gott" zahnspangentragende Mädels in Verzückung brachte und sich in den Schwiegersohncharts der älteren Damen auf Rang 2 (also direkt nach Heintje) katapultierte. Nun kehrt der ehemalige Knirps nach einem Zwischenstopp für Pubertät und Schulabschluss mit neuem Material zurück.

Und, welch Überraschung, kaum dass Marlon sich von dem eigenen Kiefermetall loseisen konnte, stehen vor allem die Mädels bei ihm im Rampenlicht. So präsentiert sich sein neues Album "Herzschlag" dermaßen balladesk und kitschig, dass es wundert, warum das Cover nicht über und über mit rosaroten Herzchen bemalt wurde.

Stattdessen blickt ein schläfrig wirkender junger Mann an der Papphülle hinunter. Auf eine imaginäre Gitarre vielleicht? Diese läutet jedenfalls ein souliges "Deine Liebe Fehlt" ein. Weniger passend dazu krächzt eine dünne Jungenstimme seiner Verflossenen hinterher, was auch die rockige Färbung des Refrains nicht zu retten vermag. Die nächsten Zeilen machen schreien: "Ich nehme ein Bad in deinen Tränen / Wische dir die Schatten vom Gesicht / Ich würde alles für dich geben / ... / Mein Augenlicht, mein Leben." Mach es tot, mach es tot, mach es tot!

Während des harm- und belanglosen Popsongs "Herzschlag" sitzt der Liebeskummer auf der Repeattaste, von der triefenden Melodramatik bleibt der Hörer zum Glück diesmal verschont. Marlon neigt dazu, seinen schlussmachenden Herzdamen bis in alle Ewigkeit hinterher zu weinen. Jedenfalls wird es ihm von seinen Songwritern angedichtet. Ach ja, auch "Schwerelos" zielt wieder auf Balladenliebhaber ab. Kann bitte jemand den Kaugummi aus der Bandmaschine ziehen? Ohne das schneckengleiche Gesamttempo und mit ein wenig mehr Pathos in der Stimme käme der an sich nette Refrain vielleicht auch besser rüber.

Ah, sieh an. Kaum, dass der junge Herr den Verstärker einschaltet und auch gesanglich aufs Gaspedal drückt, zeigen sich deutliche Spuren von Talent. Statt weinerlichem Popeinheitsbrei wartet "Alenya" mit Orientalklängen auf rockiger Grundierung auf. Der Text allerdings zeigt wiederholt keine Anzeichen von Vielschichtigkeit - aber so etwas geschieht eben, wenn die professionellen Schreiberlinge den Inhalt an der Zielgruppe abgleichen. Das junge Publikum darf schließlich nicht intellektuell verschreckt werden.
Flattert bei "Viel Leichter" ein Hauch von Zweideutigkeit durch die Lüfte? Vielleicht. Immerhin durfte Marlon bei diesem Song sogar selber Zeilen dichten, mit den angeheuerten Experten im Nacken natürlich. Bei den vielen Dich-Mich-Grundschulreimen in "Überall Bist Du" hilft allerdings nur noch der Griff zum Stecker.

Einhergehend mit dem Saftabdrehen kristallisiert sich die Erkenntnis, dass Marlon auch im Verlauf der Jahre kein Gegenmittel gegen emotionalen Schmachtglibber gefunden hat. Dummerweise gibt es auch keinen Grund: Ich weiß, dass die Bravo seinen Namen trotzdem in Leuchtbuchstaben an Kinderzimmertapeten projizieren wird. Der Einstieg in die Charts sieht selbst ein Blinder mit Krückstock meilenweit voraus. Aber hier meine Frage an den Künstler: Willst du es wirklich so haben? Als Held der Zielgruppe, sowie alter Schwiegermütter in die musikalische Bedeutungslosigkeit eingehen? Junge, mach endlich Gebrauch von deiner bestimmt vorhandenen jugendlichen Trotzigkeit. Warum geigst du den beziehungsbeendenden Biestern nicht einfach mal die Meinung? Den Mut dazu hast du hoffentlich.

Trackliste

  1. 1. Deine Liebe Fehlt
  2. 2. Überall Bist Du
  3. 3. Was Immer Du Willst
  4. 4. Herzschlag
  5. 5. Gib Mir Mehr
  6. 6. Alenya
  7. 7. Unsterblich
  8. 8. Ave Maria
  9. 9. Schwerelos
  10. 10. Viel Leichter
  11. 11. Tanzen
  12. 12. Nie Zu Spät

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