laut.de-Kritik

Stumpfe Party-Schlager-Beats bügeln die Diversität der Diven platt.

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Gay-Ikone, Kult-Sängerin, ESC-Urgestein: Diese Beinamen hat Marianne Rosenberg alle schon erhalten, aber viel lieber würde sie wohl Diva genannt werden. Bestimmt gelingt das mit dem neuen Cover-Album, das laut Eigenaussage "eine Hommage an die ausgelassene Energie ihrer Lieblingssängerinnen und deren weltberühmten Hits sein soll".

Die Auswahl der Künstlerinnen mag überraschen, wer Rosenberg nur noch aus den seichten Schlagershows von Silbereisen & Co. kennt. Doch in ihrer mittlerweile 50 Jahre lang andauernden Karriere hat sie nicht nur unsterbliche Hits wie "Er gehört zu mir" oder "Marleen" gesungen, sondern auch mit unterschiedlichsten Genres wie Chanson, Jazz, Rock, Electronica und gar Punk experimentiert.

Dann ist es gar nicht mehr verwunderlich, dass Rosenberg Musikerinnen wie Grace Jones, Amanda Lear oder Blondie für ihr Konzept-Album zu dem Diva-Mythos ausgewählt hat. Und während in Italien auch die männliche Form "Divo" gebräuchlich ist, ist man vielleicht hierzulande verwundert, auch einen Song von Rio Reiser auf "Diva" zu finden.

Aber auch das ist folgerichtig, wenn man Rosenbergs Laufbahn kennt: Reiser half Rosenberg in den Achtzigern, selbstbestimmt und selbstbewusst zu arbeiten, weshalb sie ihn hier mit dem Ton Steine Scherben Song "Der Traum ist aus" würdigt. So ist 'Diva' für Rosenberg letztendlich ein feministischer, gar politisch besetzter Begriff, der für Gleichberechtigung und Emanzipation steht.

Das Album beginnt dann auch mit dem programmatischen Track "Diva" von Dana International, womit sie geschickt einen Bogen schlägt von ihrem Status als Gay-Ikone und ihrer ESC-Verbundenheit hin zu dem Album-Thema: Der ESC-Siegessong aus dem Jahr 1988 der transsexuellen Dana International handelt von den wichtigsten Frauen und Göttinnen der Weltgeschichte und Mythologie, wie etwa Victoria, Kleopatra oder Aphrodite. Geschickt ist auch, wie Rosenberg die Lyrics – wie alle Song-Texte der gecoverten Lieder – ins Deutsche sehr sehr frei übersetzt und darin unnötige Klischees von "1.001 Nacht" unterbringt, sowie gleich eine Art Zusammenfassung der kommenden Coversongs.

Was dann kommt, ist leider weit weniger cool als die Coverauswahl selbst: Während sie sich auf dem Album-Cover im Glitzeroutfit zeigt, gönnt sie ihren Versionen wenig glitzernde Abwechslung. Jeder Song, ob "Fremd (Liebe an die Macht) " (I've Seen That Face Before), "So wie Du bist" (Follow Me) oder "Herz aus Glas" (Heart Of Glass) hat denselben stumpfen, stampfenden Party-Schlager-Beat verpasst bekommen, der in jedes Bierzelt, auf jede Betriebsfeier, jede Après-Ski-Playlist und auf jede CSD-Party passt.

So entsteht eine seltsame Kluft zwischen Anspruch und Anstrich. Wo doch die Diversität der Diven gefeiert werden soll, werden sie und ihre Songs hier wie Barbies im Regal präsentiert – alle sehen gleich aus, werden aber doch mit minimal austauschbaren Outfits als Blondie-Barbie oder Reiser-Barbie verkauft.

Trackliste

  1. 1. Diva
  2. 2. So kannst Du nicht gehn
  3. 3. Es ist besser
  4. 4. Bitte sag nicht goodbye
  5. 5. Die Liebe die ich verlor
  6. 6. Fremd (Liebe an die Macht)
  7. 7. Stark genug (2022)
  8. 8. Ohne Dich
  9. 9. Herz aus Glas (Heart of Glass) (2022)
  10. 10. Dieses Lied bist Du
  11. 11. So wie Du bist
  12. 12. Der Traum ist aus

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