laut.de-Kritik

Ein unorthodoxes und höchst einseitiges Trennungsalbum.

Review von

"Ich hatte das Gefühl, dass diese ganze LGoony-Story und das Rapgenre, in dem ich stattgefunden habe, auserzählt ist."

Hört, hört. Der musikalisch talentierteste Dude aus der Glow Up Dinero Gang um Money Boy vollzieht eine Abkehr von seinem alten Imag. Was ihn dazu veranlasst hat? Wie bei so vielen Künstler:innen in dieser Zeit natürlich die Corona-Pandemie: Konzertabsagen, Selbstzweifel und die Trennung seiner Partnerin. Besonders Letzteres geht ihm stark an die Nieren. Er beginnt, die Beziehung in Songs zu verarbeiten. Zusammen mit den beiden Produzenten Mary und Heathstone werkeln sie in einem entlegenen Airbnb an seinem für ihn ersten, richtigen Solo-Album, wie er in einer Instagram-Story selbst bestätigt.

Das Beziehungsende ist nicht einfach nur eine traurige Geschichte, sondern eine "Sad Sad Story". Ludwig Langer macht dabei keine halben Sachen und geht all in, transformiert sich vom nerdig-schlaksigen Cloud-Rapper zum androgynen, verletzlichen Kitschcore-Sadboy. Das Cover lässt bereits tief blicken, seine Single-Videos übertüncht von pastelligen Tönen, Blumen und allerlei Glitzer auf seinen Tränen. Im Vorfeld gibt er zu Protokoll, sehr viel T.A.T.u. gehört zu haben. Auf dieses überkandidelte Bild muss man sich einstellen; musikalisch erwartet uns ähnliches, denn so richtig rappt er nur an zwei Stellen und er säuselt sich mehr oder weniger durch die Songs.

Das Gute daran: LGoony nimmt seine Fans mit auf diese emotionale Beziehungsaufarbeitung und das Tracklisting verweist auf eine stringente Reise. Alles fängt mit der Verwunderung "WTF" an, bei dem sich Ludwig fragt, wieso er Abweisung und Kälte von seiner Freundin erfährt. Von einer durchaus schmalzigen Ballade aus den 00er-Jahren, samt leidvollem Autotune-Winseln, geht es in den entschleunigten Trap mit Emo-Gitarren von "Halb" über, bei dem großer Trennungsschmerz und das Romantisieren alter Zeiten im Vordergrund stehen. Im anschließenden, leicht trashig anmutenden 80s-Synthiepop aus der NDW "Baum" vermisst er seine Liebste sehr stark: "Die Rosen welk / doch du schlägst in mir Wurzeln wie ein Baum / wenn ich die Augen schließ', dann seh' ich dein Gesicht in meinem Traum". Es birgt einen gewissen Charme, wenn er zu diesem Sound über sein Leid klagt.

Bisher kennt man noch nicht die Gründe für ihr verändertes Verhalten, LGoony legt seine Gefühle offen dar, er versteht die Welt nicht mehr. Die rosarote Brille setzt er jedoch fortan ab, das Idealbild von ihr bekommt erste Risse in "Trashgirl". Durch Lockdown, Einengung und fehlendem Freiraum habe sie so gehandelt, ohne das ordentlich zu kommunizieren, sogar "fremde Hoodies im Gepäck" gehören zum Tatbestand. Sie möchte zunächst nur eine Pause. Dies bringt ihn zum Weinen und er rappt mit Wut im Bauch. Farner kommt dann noch ans Tageslicht, dass sie auf Instagram ein Bild mit ihrer neuen Flamme postet; im Hintergrund ertönt ein cheesy Softrock-Gitarrensolo. Wilde Nummer.

Davon erholen wir uns erstmal mit "Geist", einer Sad Disco mit stampfendem Beat und sich überlagernden Gesangsspuren. Alles erinnert ihn an sie, er blickt selbstredend in halbleere Gläser und langsam reift die Erkenntnis, dass er das Ganze abhaken sollte. Am Ende schraubt sich sein Autotune-Gesang dermaßen in die Höhe, dass sich seine Stimme wie eine Flöte anhört. Das macht großen Spaß.

Liebe und Hass liegen bekanntlich eng beieinander und das Metronom schlägt nun gewaltig Richtung Abneigung aus. Bühne frei für "Feind", dem kontroverstesten Song auf "Sad Sad Story". Der gebürtige Kölner fühlt sich im Stich gelassen und schlecht behandelt, wählt dafür durchaus drastische Worte. Sein Gewitter des Zorns entlädt sich über ihr: "Kriegst nicht mal die Fresse auf, wenn ich vor dir steh / Ich seh den Ausdruck in deinen Augen, wie sehr du dich schämst / denn du bist feige as fuck und lügst mir straight ins Gesicht / du dumme Bitch, gib mir endlich mein Scheiß Leben zurück". Das lässt auf eine sehr toxische und obsessive Beziehung schließen. Der Hass nimmt Überhand: "Aus dem Auge, aus dem Sinn / ist die Lebenseinstellung für menschlichen Abfall wie dich". Die Produktion nimmt sich dabei angenehm zurück, melancholischer Cloud-Trap konterkariert die aufgeladene Stimmung.

Nach dieser Tour de Force fängt sich Ludwig und geht mit wiedererstarkter Attitüde durchs Leben. Der Verarbeitungsprozess ist beinahe abgeschlossen und er ist sich sicher, mit ihrem neuen Freund wird es eh nicht funktionieren und sie soll dann bloß nicht angekrochen kommen. "Schreib Mir Nie Wieder" mausert sich zum großen Hit des Albums mit catchy Refrain, prägnanten Lines und einem wunderbar wabernden Synth-Beat. "Im Nebel" löscht er ihre Nummer, kommt auch alleine klar und gibt weiterhin komplett ihr die Schuld zu hoffnungsvoller, erhellender Soundkulisse. Nach so einer aufreibenden Zeit fühlt man sich ausgelaugt und verkatert. Das gedämpfte Wiegenlied "Freund" fängt diese Stimmung gut ein und gibt uns erneut eine gehörige Portion Softrock mit verzerrtem E-Gitarrensolo.

Sad Sad Story portraitiert eine ungefilterte sowie höchst subjektive Beziehungsaufarbeitung, auf die man sich einlassen muss: Kitschig, überdramatisch, wenig Selbstreflexion. LGoony schält zwar seine rohen Emotionen nach außen, was definitiv Respekt abverlangt, jedoch fehlt der doppelte Boden. Die Schuld trägt nur sie, denn "nicht jeder Mensch macht immer alles richtig / aber du machst alle falsch und das ist klar". Das ist mir zu einfach, zu lapidar. Zu einer Trennung gehören immer zwei, er stellt hingegen nur seinen Gram ins Scheinwerferlicht. Da wäre zumindest lyrisch mehr Potenzial drin gewesen. Musikalisch abwechslungsreich, hüllt er dieses Album in wehmütige Synthie-Watte. Schlussendlich bleibt Ludwig einer der spannendsten Pop-Künstler Deutschlands, weil er sich in seiner Nische viel traut und seine Visionen artistisch zur Schau stellt.

Trackliste

  1. 1. WTF
  2. 2. Halb
  3. 3. Baum
  4. 4. Trashgirl
  5. 5. Geist
  6. 6. Feind
  7. 7. Schreib Mir Nie Wieder
  8. 8. Im Nebel
  9. 9. Freund

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LAUT.DE-PORTRÄT LGoony

"Deutscher Rap, ich bin empört. Alles hab' ich schon vierzig Mal gehört. Bevor ich mir eure Tracks auch nur zieh', höre ich lieber nie wieder Musik." …

8 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 6 Monaten

    fand die singles mau. aber da sind schon paar gute nummern drauf, "wtf" zum beispiel sehr schöne melos. dafür auch ein totalausfall "baum" der versuch einer sythpopnummer? klingt so dünn. "Im nebel" auch ganz gut. "feind" rappt er wütend, geht klar. 2-3/5

  • Vor 6 Monaten

    Ich verstehe das Argument der "limitierten Sprache".

    "What the fuck?
    Ich hab dieses Gefühl in meinem Bauch
    What the fuck?
    Was soll ich tun ich halt' es nicht mehr aus.",

    ist sicherlich sehr einfach formuliert, trifft es aber zugleich simpel auf den Punkt. Ich empfinde die Limitation durchaus als Stärke, vielleicht, weil ich komplizierte Metaphern/Bilder/usw. noch nie so richtig verstanden habe. Die emotionale Entwicklung von Ahnung, dass etwas nicht stimmt, über banges Hoffen, dass es sich wieder einrenkt, hin zu langsamer Erkenntnis, dass es vorbei ist, tiefer Trauer, dem Gefühl, dass alle Tage gleich Scheiße und dunkel sind, dann übersteigerte (?) negative Gefühle gegenüber und Abwertung des anderen, schließlich langsames Klarkommen mit der Situation und schwindende Bedeutung der Verflossenen haben mich jedenfalls "gecatcht". Ich kann aber auch verstehen, dass andere das kitschig, cringe o.ä. finden.
    Ich sehe die Abwertung derjenigen, die ihn verlassen hat, überhaupt nicht als misogyn, sondern schlicht als verletzte höchst subjektive Bewertung eines tief Gekränkten an. Ich habe nicht das Gefühl, dass er sich da Applaus und Zustimmung erwartet, sondern dass er einfach seine Empfindungen mitteilt, die er begründet. Ludwig macht auf mich den Eindruck, dass er intelligent genug ist, zu wissen, dass es unterschiedliche Sichtweisen auf zwischenmenschliche Entwicklungen geben kann, wobei er schon Gründe liefert, warum er das Ganze als als Prototyp eines "bitch moves" bezeichnet.
    Ich finde das Album interessanter als "Ice, Gucci, money, Sterne, alles glänzt, bling-bling." Popmusik, die mir gefällt.

  • Vor 6 Monaten

    Find ein paar Ansätze gelungen, aber eben noch nicht ausgegoren. Texte meistens auch eher meh. Aber hat was: https://youtu.be/kjFTjJ2_1Ww?si=PbF0w0R_Aw…