laut.de-Kritik

Back to the roots? Da quietscht ja der Dudelsack!

Review von

Bei Rock Am See war's, Ende August, da absolvierten Korn einen beinahe exklusiven Gig im mit Hosen-Fans randvollen Konstanzer Bodenseestadion. Als latentem Pessimisten schwante mir nichts Gutes, sind Korn doch nach dem Ausstieg von Gitarrist Brian "Head" Welch nur noch zu viert und die letzten audiblen Lebenszeichen eher in unguter Erinnerung.

Doch dann sah ich einen Auftritt, der voll überzeugte. Hart, druckvoll und tight, fast schon spielfreudig und mit einer beeindruckenden Performance überraschte Korn den miesepetrigen Zweifler in mir. Nun liegt das neue Album vor, getauft auf den doch leicht fatalistischen Namen "See You On The Other Side". Und wieder mache ich ein langes Gesicht.

Sänger Jonathan Davis meinte ja, die neue Platte sei ein Schritt zurück zu den Wurzeln der Band. Den kann man nicht wirklich vernehmen, es sei denn, mit den Wurzeln ist der Dudelsack gemeint, der tatsächlich wieder hier und da zum Einsatz kommt. Ansonsten zwängt sich der Eindruck auf, Korn treten wieder mal auf der Stelle.

Die zweite Gitarre fehlt nicht grundsätzlich, nur hier und da wünscht man sich die sieben Saiten mehr, mit denen "Head" gewöhnlicherweise gespielt hatte. An Druck mangelt es auch nicht, dafür ist ja seit jeher die Rhythmussektion mit Drums und tiefergelegtem Bass zuständig, und die verrichtet ihr Tagewerk wie gewohnt mit dem Brecheisen in der Hand. Den Korn-typischen Groove haben sie dankenswerterweise erhalten. So überzeugt etwa der Opener "Twisted Transistor" durchaus. Doch mit "Politics" zieht bereits leicht die Belanglosigkeit ein. Das haben wir von der Bakersfield Gang schon in überzeugenderen Variationen gehört.

Das Laut-Leise-Spiel in "10 Or A 2-Way" fordert Jonathan Davis erstmals zur Höchstform auf. Gesangstechnisch geht nach wie vor einiges bei dem Kerl, der auch nach zwölf Jahren Bandgeschichte noch Abgründe in seiner Seele für düstere Lyrics zu haben scheint. Nervt das nicht irgendwann die armen Bandkollegen?

Nach einem Interlude mit dem geschätzten Blasinstrument legen Korn auch beim Hilfeschrei "Throw Me Away" die Brechstange beiseite. "Love Song" erfüllt nicht gerade die vom Titel geweckten Erwartungen, hier entwickelt sich aber erstmals so etwas wie ein Ohrwurm. Erstaunt hört man zu Beginn von "Open Up" auf, klingt das doch stark nach NIN-typischem Industrial. Doch Davis ruiniert den guten Eindruck mit Korn-typischen Plattitüden wie "You're corrupted by some sick fuck!"

Ohne Herrn Davis nahe zu treten zu wollen, aber mittlerweile sollte wirklich alle Welt (oder der Teil, der jemals eine Korn-Scheibe gehört hat) wissen, dass er die halbe Menschheit für Fucks hält, die ein sexuelles Verhältnis mit ihren Müttern pflegen, während die andere Hälfte aus tickenden Zeitbomben besteht, die erstickend auf ihren Knien leben und von denen mit den Müttern geknechtet werden.

Vielleicht wäre es an der Zeit, dass er sich andere Themen zum Besingen sucht, zum Beispiel Origami oder Kartoffelgratin. Was Davis natürlich nicht davon abhalten sollte, stimmlich so zu überzeugen wie streckenweise auch auf "See You On The Other Side". Etwa wenn er wie bei "Getting Off" verdächtig nah in die Regionen vordringt, die sonst einem Mike Patton vorbehalten sind.

Eine neue Begeisterungswelle für sich oder den mittlerweile stark übel riechenden Nu Metal lösen Korn sicherlich nicht aus. Zu selten kommt so etwas wie Hörvergnügen auf (sofern es bei Korn überhaupt passend ist, von einem Vergnügen zu sprechen). Ein oder gar mehrere Hit(s) fehlen dem Album völlig. Daran ändert auch das sicher selbstironisch betitelte "Tearjerker" nichts, mit dem sich Korn an den epischen Pink Floyd orientieren. Bleibt nur noch die Spekulation, ob der Albumtitel tatsächlich auf einen Abschied der Band hinweist.

Trackliste

  1. 1. Twisted Transistor
  2. 2. Politics
  3. 3. Hypocrites
  4. 4. Souvenir
  5. 5. 10 Or A 2-Way
  6. 6. Throw Me Away
  7. 7. Love Song
  8. 8. Open Up
  9. 9. Coming Undone
  10. 10. Getting Off
  11. 11. Liar
  12. 12. For On One
  13. 13. Seen It All
  14. 14. Tearjerker

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133 Kommentare, davon 11 auf Unterseiten

  • Vor 18 Jahren

    Dürft ihr nicht?
    Wahrscheinlich bin ich der Einzige, der sich für dieses Album interessiert. Egal.

    Track by track:

    Twisted Transistor - dürften viele vom lustigen Video her kennen. Naja, schlechter industrial Song und eigentlich auch einer der schlechtesten des Albums - komisch, dass die gerade den als erste Single veröffentlichen. Aber das war schon immer so, wie es mir scheint.

    Politics - etwas an RATM gemahnendes Stück. Crossover der alten Schule. Langweilig.

    Hypocrites - Marilyn Manson-mäßiger Einstieg, dann wieder stino Crossover mit 80er Jahre Gesang. Zwar tight instrumentiert, aber wieder sehr überraschungsarm.

    Souvenir - Zwar eigentlich auch sehr unspektakulärer Song - Korn-Sound eben - aber irgendwie doch ziemlich gut. Ein ziemlicher Grower, denke ich. Gefällt mir.

    10 Or A 2-Way - Drum'n'Bass-Einstieg, aber schwenkt dann wieder ins alte Fahrwasser um. MM schaut mal wieder vorbei, aber die Melodie ist eigentlich ziemlich mau. Auch nicht soooo geil.

    Throw Me Away - Nine Inch Nails standen hier wohl Pate, was die Sache ja gut machen würde, wäre da nicht wieder der ewig heisere Klang von Jonathan Davis Stimme und die schwache Melodie. Sehr düsterer Shit und nicht wirklich schlecht.

    Love Song - Oh nein! Der Refrain! Ausgelutscht bis zum geht-nicht-mehr. Aber ein verdammter Ohrwurm. Ansonsten wieder elektronisch und dunkel gehalten. Und wieder nicht wirklich schlecht.

    Open Up - Das selbe wie bei den drei Liedern vorher: Electro, an Nine Inch Nails erinnernd, und mit diesen simplen 80er-Melodien. Aber etwas interessanter gemacht und dadurch schon das Prädikat "gut" verdienend. Zum Schluss folgt noch ein akustisches (!) Outro und danach noch eine kleine Klang-Collage, warum auch immer.

    Coming Undone - Diesmal Industrial nach Ministry-Art: Eine zähe Walze mit stechendem Beat. Ich frage mich bloß die ganze Zeit, an welches Lied mich das erinnert. Medium.

    Getting Off - "Kashmir" anyone? Unspektakulär, aber schön groovend. Auch Durchschnitt.

    Liar - Den mochte ich richtig sehr, auch wenn es mies produziert ist (wieso wird im Refrain alles so leise?). Ist fast richtig melancholisch und trotzdem groovy as fuck.

    For No One - altbacken, prollig, scheiße. Schlechtestes Lied des Albums.

    Seen It All - wieder schauen die Neunzoll-Nägel um die Ecke, Geräusche werden atmosphärisch aufeinander geschichtet, dazu wieder typisch gesungen. Aber insgesamt ein nicht unstarkes Stück.

    Tearjearker - Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa! Sowas will ich hören! Hat was von Depeche Mode. Nur dass diesmal ein lieblich hoher Gesang zu hören ist (Unterstützung von Roxanna Rocks) und es mal ein echte Ballade geworden ist. Nicht so ein pseudo-Kram, wie auf dem Untouchables-Album, sondern mal richtig intensiv und traurig. Und schön. Fast hätte ich eine Gänsehaut bekommen. Der Song läuft zwar stark Gefahr ins Pathetische abzudriften, aber kurz davor wird das Steuer wieder rumgerissen. Sehr guter, spannend arrangierter Song. Absolutes Highlight.

    Zusamm'fassung:

    Einerseits gibt es wieder laufend den Dudelsack zu hören, alte Crossover-Traditionen werden aufgegriffen und Jonathan Davis röhrt wie eh und je. Die Gitarren dröhnen auch wie gehabt in fast jedem Lied und der Sound mäht eigentlich alle Zweifler nieder. Anderseits haben sich die Herren wirklich Mühe gegeben, ein Entwicklung deutlich zu machen - erkennbar an dem (schon oft erwähntem) electro-Einschlag und der etwas flächigeren Songschreibweise. Aber warum überwiegt wieder die Routine? Warum muss das Album unbedingt wieder über 60 Minuten lang sein, obwohl einige Lieder noch nicht mal als C-Seiten taugen? Warum muss mich das Album die ganze Zeit volldröhnen, dass man danach Kopfschmerzen hat? Und warum muss Mr. Davis immer den harten Max markieren, der ja nicht sein muss, weil wir das inzwischen schon genug gehört haben? Genauso wie wir wissen, dass die Welt mies ist und die Herren grooven und meisterlich ihre Saiteninstrumente in den Keller stimmen können. Das brauchen sie nicht mehr zu beweisen.
    Klar ist das Album besser als die beiden Vorgänger, aber der ganz große Wurf ist es leider nicht geworden. Und dabei zeigen die Knaben an vielen Stellen und auch an der Hälfte der Songs, dass sie so scheiße ja nicht sind. Ebenso schaffen sie es ein homogenes Gesamtwerk zu schaffen, dass eine erkennbare atmosphärische Entwicklung aufweist; aber sie schaffen eben kein Gesamtkunstwerk. Und gerade "Tearjearker" hätte eher Ausgangspunkt für das Songwriting sein sollen und nicht der Höhepunkt.
    Aber so ...
    5,5/10

    Ach so: Das Artwork ist mal wieder unterste Schublade geworden - so ein herrlich fieses Cover wie auf dem Debut bekommen die eh nicht mehr gebacken, also versucht es gar nicht erst!

  • Vor 18 Jahren

    Eigentlich hatte ich mich gefreut, endlich mal wieder was von Korn zu hören. Dank Kopierschutz habe ich jedoch jegliches Interesse daran verloren. Ziel verfehlt, setzen, sechs!

  • Vor 16 Jahren

    Die Songs sind zum großen Teil sehr Interresant, zum anderen auch langweilig
    Liegt wohl daran das nach so Hammer Alben wie
    Korn,Life is Peachy,Follow the Leader,Issues
    Normalen wie Untouchables,Take a look in the Mirror
    Schon Korn der Saft ausgeht.
    Was ich aber nicht glaube, da sie im stande sind richtige Meisterwerke zu schaffen
    Und eigentlich geht es mit dem neuen unbennanten Album richtung Spitze wieder.
    Mal schauen was als nächstes kommt

  • Vor 13 Jahren

    LIAR und Twisted Transistor haben mir gefallen. Der Rest klingt nicht nach den ehemals genialen Korn. Das Album ist der totale Reinfall, da hatte der Vorgänger noch ein kleines bischen mehr zu bieten. Aber eigentlich ging der Verfall schon da los.