laut.de-Kritik

Auf Steroiden gegen Presse, Politik und Illuminaten.

Review von

Ist Kollegah ein Antisemit? Ein Sexist? Ein ausgebuffter Medienprofi mit hidden agenda? Oder doch nur ein weiterer hochgekommener Provo-Prollrapper? Deutschland hat Fragen. Fragen, die das Genre Rap meist dann in die Schlagzeilen katapultieren, wenn einer mit etwas zu waghalsigen Textzeilen etwas zu viel Aufmerksamkeit von abseits der Deutschrap-Bubble bekommt.

So geschehen anlässlich der letzten Ausgabe des renommierten Musikpreises Echo, der im Zuge von "JBG3"gate dann auch das Zeitliche segnete. Die traurige Wahrheit direkt vorweg: Dieser Text wird aus vielerlei Gründen keine der oben genannten Fragen auch nur ansatzweise beantworten.

Ebenfalls nicht handeln soll er ein weiteres Mal von den vielen irrwitzigen Wortspielen und der rekord-, aber auch oft zweckreimverdächtigen Textakrobatik, die F. A. Blume auf dem vorliegenden Doppel-Album "Monument / Hoodtape 3" wieder beeindruckend präsentiert. Wem bis dato entgangen sein sollte, welche Art Deutschrap der Knabe aus dem Hunsrück in den vergangenen 15 Jahren etabliert hat, dem seien die zahlreichen Lobeshymnen auf die Vorgänger empfohlen.

Zum Handwerklichen daher nur so viel: Kollegah kanns immer noch und stellt mit nochmals gereifter Arroganz in der Stimme erneut klar, dass ihm in Sachen Kampfsport-Rap und M.C.-Escher-Lyrik niemand das Wasser reicht.

Musikalisch geht dabei alles weitgehend vorhersehbar vonstatten, wovon vor allem das Haupt-Album "Monument" zeugt: War Kollegah schon die letzten fünf Jahre stets um immer noch mehr akustische Opulenz, Majestät und Machtdemonstration bemüht, folgt nach "King" und "Imperator" nun die finale Denkmalsetzung via endgültigem Schulterschluss mit Übersee:

Seien es die beiden Angeber-Features mit Nas und Cam'ron (beide okay) oder der fast ausschließlich von MPC-Wunderkind AraabMuzik in New York produzierte, flächige und überwiegend hymnische Synthie-Sound, hier besonders hervorzuheben "Dear Lord", "Gospel" und das "Outro". Alles auf "Monument" ist epochal as fuck und stellt Kollegahs Rap-DNA damit ins bis dato imposanteste Licht seiner Karriere.

Der Sound lässt sich insofern vergleichen mit den immer noch ein bisschen größer werdenden Premium-SUVs mit 500-PS-Verbrennungsmotor: Gibt genug Leute, die derlei Individual-Penetranz immer noch beeindruckt. So richtig cool im Sinn von Hier und Heute ist das aber halt alles irgendwie nicht mehr. Eher so das Gestern auf Steroiden.

Von Ausnahmen wie dem luftig-westcoastigen "Da" und der souverän ausgebremst klimpernden "Cohiba Symphony" abgesehen ist der Boss überdies furchtbar ernst geworden. Stress mit anderen Rappern hat Kollegah allerdings nicht mehr nötig, auch wenn Bushido & Co. freilich hier und da noch ein paar Ehrenschellen abbekommen.

Vielmehr machen ihm heutzutage ganz andere Opponenten das Leben schwer: Presse, Politik, Illuminaten. Thanos, womöglich. Und so kämpft Kollegah mit "undurchdringbarer Mimik" längst drei Etagen höher für das Gute in der Welt, und wir sind via Instagram-Story live dabei.

Genau hier liegt aber auch das Problem: Die Kunstfigur Kollegah, mit der Felix Blume anno 2003 angetreten ist, um hängehosigen Kiffer-Deutschrap vermittels Pimpslap und Nerzmantel in Grund und Boden zu dominieren, hat ihr kreatives Potenzial so schonungs- wie restlos ausgeleuchtet. Es blieb die Flucht in die Breite. Immerhin: Die todernste Löwen-, Boss- und anderweitige Alphatier-Metaphorik der Hochglanzseite der Medaille (hier: "Monument") funktioniert in all ihren geschäftlichen Ausprägungen unter kaufmännischen Gesichtspunkten bis heute blendend – co-sign von Dirk Kreuter.

Künstlerisch wirds allerdings auch für den Die-hard-Fan der ersten Stunde zunehmend schwer, dieser Entwicklung vom liebenswert dilettantisch inszenierten, aber hochbegabten Zuhälter-Rapper hin zur stumpf geradeaus marschierenden Alleinherrscher-Ikone mit irgendwo zwischen Prometheus, Ikaros und Adonis verorteten Komplex-Tendenzen noch etwas abzugewinnen. Unangefochtene Rapskills hin oder her.

Vor allem dann, wenn sich diese Inszenierung eben nicht mehr nur in der weitgehend selbstregulierenden Deutschrap-Blase abspielt, sondern qua Erfolg mit unangenehm breitbeiniger Pose immer öfter in die Schnittmengen zu Boulevard, Feuilleton oder Politik reinscheppert. So erfreulich zum Beispiel die offene Aussprache mit ehemaligen Feinden in "Realtalk", einem der stärksten Songs auf "Monument", sein mag, so unangenehm konterkarieren diese unnötig schwachsinnige Zeilen wie:

"Ich war in Auschwitz und pisse auf das Grab von jedem Nazi-General / Doch dass man hier kein'n Nationalstolz haben darf / Führt dazu, dass Kids heut' Zusammenhalt fehlt wegen dem, was war vor siebzig Jahr'n."

Gerade den langjährigen Fans sollen es ja nun aber schon länger die meist zusätzlich veröffentlichten Mixtapes, hier das "Hoodtape 3", Recht machen. Auf dieser zweiten Seite der Medaille präsentiert sich der Boss als ganz der alte nonchalante Comedy-Rapper, der wie früher, abseits medialer Argusaugen, locker einen ungebührlichen Schwank nach dem anderen aus dem Ärmel des diamantbesetzten Gucci-Sweaters schüttelt.

Die 25 im Vergleich etwas schmaleren, dafür sehr viel abwechslungsreichen Produktionen hierzu steuern Hookbeats, Phil Fanatic und Gee Futuristic bei, altbewährte Qualitätsingenieure für geile Kollegah-Type-Beats. Hier geht alles: Ob gnadenlos aggressiver Streetbanger wie "Frontale Faust" oder eine alberne Story auf arabisch dudelnder Schlangenbeschwörer-Basis wie in "Wenn Der Boss Das Sieht".

Zusammen mit Kollegahs verbalem Fantasiereichtum und den vielen Auskenner-Querverweisen aufs eigene Gesamtwerk entsteht dabei eine unverkrampfte Reminiszenz, die vor Misogynie, politischen Inkorrektheiten und sogenanntem "Hassrap" nur so strotzt. Und doch dürfte hier ob des offensichtlichen Ulks auch die militanteste Feministen-Hutschnur intakt bleiben.

So gesehen macht Kollegah alles richtig, legt mit "Monument / Hoodtape 3" erneut eine Schippe oben drauf und holt damit vom sechzehnjährigen Jung-Alpha mit ZecPlus-Abo bis Olli Schulz, einem bekennendem Fan seines Frühwerks, zuverlässig alle ab.

Mit im Bus sitzt allerdings schon seit geraumer Zeit ein unübersehbar großes Monster namens Dienstleistung, auf dessen T-Shirt in grellen Buchstaben steht: More of the same. Ein anderer King sagte einmal: "Hol' den Quittungsblock, ich unterschreibe: Du wurdest bedient." Gemeint hat er damit aber nicht 5-Sterne-Gerne-wieder-Service-Rap.

Womöglich ist daher die von Kollegah zusammen mit der Veröffentlichung angekündigte Schaffenspause die beste Idee an "Monument / Hoodtape 3". Er hat in seiner Kategorie ohnehin alles erreicht. Und obwohl das aktuelle Release kaum noch eine der legendären Doubletime-Passagen enthält, trifft sein Statement von 2009 bis heute zu: "So schnell macht das keiner nach."

Trackliste

Monument

  1. 1. Orbit
  2. 2. Dear Lord
  3. 3. Blow Out
  4. 4. Royal
  5. 5. Das erste Mal feat. 18 Karat
  6. 6. Bossmove
  7. 7. Gospel
  8. 8. Psycho feat. Farid Bang
  9. 9. Löwe
  10. 10. La Vida Koka
  11. 11. Makiaveli
  12. 12. Realtalk
  13. 13. Continental feat. Nas
  14. 14. Donlife feat. Cam'ron
  15. 15. Cohiba Symphony
  16. 16. Da
  17. 17. Monument (Outro)

Hoodtape 3

  1. 1. Nightking
  2. 2. Frontale Faust
  3. 3. Spastivater / Nuttenmum
  4. 4. Arm Aus Dem Fenster
  5. 5. Wingman
  6. 6. Usain Bolt
  7. 7. Consuela
  8. 8. Most Wanted
  9. 9. Gerichtsverhandlung
  10. 10. Prison Break
  11. 11. Szenedrogenrausch
  12. 12. Wenn Der Boss Das Sieht
  13. 13. Nutte Sag Mir Wie Die Aktien Stehen feat. Sentino
  14. 14. Bossplaya
  15. 15. Fairness Im Wettkampf
  16. 16. Der Weisse Lotus
  17. 17. Da Vinci Flow
  18. 18. Heavyweight feat. Noir
  19. 19. Empire State Of Grind
  20. 20. Crystal In Der Town feat. Prinz Harry
  21. 21. Push It To The Limit
  22. 22. Bellagio Boys feat. Noir
  23. 23. Macht feat. Seyed, Gent, Jigzaw & Asche
  24. 24. MTV Cribs
  25. 25. Es Ist Der Boss
  26. 26. Testament

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LAUT.DE-PORTRÄT Kollegah

"Kollegah macht Musik für alle, die sich cool fühlen wollen." "Geld machen und ausgeben, großartige andere Interessen hab' ich eigentlich nicht." "Vorbilder …

23 Kommentare mit 22 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    "You are now listening to AraabMUZIK"

    Schon gewonnen. Kollegah kämpft weiterhin sehr erfolgreich gegen die Vorwürfe schlechten Beatgeschmacks und zeigt sich wie auch bei Imperator von klanglich guter Seite

    Wenn dann auch noch der Boss in textlicher Bestform drüberwalzt ergibt das ein sehr rundes Gesamtbild, auch wenn sicherlich auf dem Hauptalbum der ein oder andere breitgetretene Themenblock auf dem Asphalt klebenbleibt

    Und doch, abgesehen von diesen beliebigeren deepen Stücken und Selbstherrlichkeiten..bessere Wortspiele hatte dieses Jahr nicht und er feuert hier sogar einige seiner besten überhaupt ab.

    Ich hatte obendrein jedoch etwas mehr Unterhaltswert mit dem Hoodtape3, eine absolut beeindruckende Machtdemonstration auf der es vor Wortwitz nur so wimmelt, dazu angenehm facettenreiche Beats, die teilweise dem Hauptwerk sehr gut zu Gesicht gestanden hätten. Dazu gibts schönen Sexismus ins besorgte Face der Weltverbesserer

    Eine Wohltat, auch weil ich das direkt im Anschluss zum musikalischen Super-GAU der MoTrip/Ali As Katastrophenkombi gehört habe...

  • Vor 5 Jahren

    Die Hoodtapes sind ja alle immer recht unterhaltsam, das Album selbst ist sterbenslangweilig, alles schon 100x gehört vom Boss. Persönlicher wollte er werden (will er das nicht schon seit 5 Alben?), und liefert dann in "Das erste Mal" eine generische Blaupause der Mittelstandsjugend aus der Vorstadt, wahnsinn. Die ganzen Vergleiche sind mittlerweile auch ausgelutscht, ZHT 3/Hoodtape 1 war der Höhepunkt.

  • Vor 5 Jahren

    Euer Ernst? Kolle endlich wieder in Höchstform, Cam'ron und Nas mit guten(!) Parts - quasi die einzigen authentischen Amiparts auf einem Deutschraprelease seit KKS Zeiten?! Locker das beste Album von ihm nach ZHT 1 und 2. Nur der Song mit 18 Karat und ein paar andere Kleinigkeiten fallen negativ aus dem Raster. Weniger als 4/5 kann ich da nicht geben. Erwarte schon lange nichts mehr von ihm und habe die letzten 4 oder 5 Releases kaum gepumpt, da ich damit nicht mehr viel anfangen konnte. Hier wurde ich ordentlich überrascht, man merkt einfach, dass er das Ding in den Staaten gemacht hat, wodurch die Parts von den Amis eben ausnahwmeise auch Mal nicht beschissen wurden.

  • Vor 5 Jahren

    Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.

  • Vor 4 Jahren

    Hatte zur Release-Zeit kein großes Interesse daran, da der "Imperator" auf seinem Feldzug gegen den guten Geschmack bei mir nur verbrannte Erde hinterlassen hat, aber habe das Album letztens doch mal nachgeholt.
    Bin schon verwundert, wie sehr das hier abgefeiert wurde. Zwar gefällt es mir insgesamt etwas besser als "King" und eben "Imperator" und ich bin überrascht, dass er sich ordentliche Beats und brauchbare Parts von Nas und Killa Cam geholt hat und etwas abwechslungsreicher rappt, aber das ist für mich im Jahr 2018/19 einfach keine coole Musik. Fängt schon beim Stimmeinsatz an, der ähnlich krampfig ist wie bei Bonez. Die Mischung aus angeblichem Real Talk von Felix "Antoine" Blume (lol), altbekanntem Boss-Gehabe, Kalendersprüchen und kleinen Ausflügen in Verschwörungstheorien gibt mir dann aber den Rest. Bin da echt raus. "Da" ist im Prinzip der einzige Song, den ich feiere, da hier ein bisschen von der Lockerheit aus dem letzten Jahrzehnt rüberkommt. Da gefiel mir das ZHT4 doch besser.

  • Vor 2 Jahren

    Mittlerweile kann man sagen, dass das Album underrated ist.

    4/5

    Gospel ist der beste Track seiner Karriere wenn es um den musikalischen Aspekt geht