laut.de-Kritik

Warm groovende Stories der Selbstreflexion.

Review von

Katie Henry verwirklicht sich auf ihrer dritten Platte "Get Goin'". Das Album macht den Eindruck, als lasse es eine Menge raus, was Katie schon immer mal vertonen wollte. Die Pianistin und Singer/Songwriterin von der US-Ostküste hat auf ihrem Vorgänger-Album "On My Way" Americana, Soulpop und smoothen, weichen Blues auf drei Song-Fraktionen verteilt und dabei etliche schöne Perlen mit teils sehr persönlichen Texten vorgelegt. Als Ideen gebender Produzent und musikalischer Berater macht diesmal Funkblueser Bernard Allison mit, Sohn von Legende Luther Allison, und gibt damit seinen Einstand in der Producer-Rolle, mit 58. Von seiner Band stellt er etliche Musiker zur Verfügung, ihn und seine Jungs kannte die Künstlerin vorher nicht.

"Get Goin'" ist eine konsistente Scheibe aus einem Guss, die Allisons Handschrift trägt und gleichzeitig Abwechslung zwischen den Stücken bietet. Sie entstand in einem kleinen Ort an der Grenze von Hessen, Niedersachsen und Thüringen, und sie entstand laut Künstlerin in einem Rutsch: "Ich habe im Juli angefangen, von diesem Album zu reden. Im November haben wir's schon aufgenommen, und jetzt ist es bereits draußen, also war die 'Durchlaufzeit' dafür recht knapp. Wir haben ein paar Coverversionen, was sich von meinem vorigen Album unterscheidet."

"Trying", mit smarten Riffs, "Voodoo Woman" und "Jump" sind hauchzart psychedelisch angefettete Funk-Blues-Nuggets mit einer starken Aura. "Jump" entspinnt sich angenehm minimalistisch, zurückhaltend, voller Understatement, mit einer charismatischen instrumentalen zweiten Jam-Hälfte. Ein tolles Stück. "Voodoo Woman", ein Cover aus den 1970ern, bietet twangenden Rhythm-and-Blues.

Obschon die Künstlerin sich vor allem durch ihre Stimme und Erzählkunst profiliert, ist der "Bayou Boogie" ein Instrumental-Tune mit Hinhör-Effekt. Das selbstkritische "Nobody's Fault But Mine" (nicht der Led Zep-Titel, sondern uralt, von Blind Willie Johnson, verstorben 1945) handelt zwischen den Zeilen von der Verantwortung dafür, eine Partnerschaft aktiv zu beenden: Die 'Böse' zu sein, die Schluss macht und sich das traut - ein Thema, das sich als roter Faden durch mehrere Eigenkompositionen zieht. Das Cover aus der Schellack-Ära ist eine der drei Balladen auf dem Album. Beide sind intensiv. Das andere ruhige Teil, "A Doll's Heart", hat eine softe Seite, in der Katie vollumfänglich ihre Tastenkompetenz ausspielt, und setzt eine plakative Melodie ausgeklügelt um. Der Song enthält auch eine feine Prise 'Americana'-Kantigkeit mit einer Spur Bonnie Raitt im Stil. Die Kernfrage des Lieds: "Glaubst du, ich hab das Herz einer Puppe? die in diesem Liebesspiel einfach neben dir ihre Rolle spielt?"

Die dritte Ballade, "Wake Up Time", vertieft besonders schön die Harmonien an den Tasten. Im Gespräch mit uns entscheidet sich Katie selbst, dieses Lied besonders heraus zu stellen: "Weil ich eine Person bin, die Lyrik mag, ist der stärkste Song auf dem Album für mich "Wake Up Time". Im Refrain heißt es'Tell me / where we went wrong / in a place, where we belonged / tell me why I can't move on / why I even have to sing this song / Is this how the story ends? / Star-crossed lovers, who can't be friends. / Maybe now I'm seeing through / the way we cover up the truth.'"

"Und jedes Mal, wenn ich das singe, fühle ich mich damit konfrontiert, dass wir manchmal ja gar nicht die Wahrheit wissen wollen, weil das schmerzhaft sein kann. Obwohl sie zu ignorieren auf lange Sicht mehr Schmerz verursachen wird. Ich halte den Song für so ehrlich und total aus meiner Lebenserfahrung heraus, dass man, wenn ich ihn singe, spüren wird, wie viel er mir bedeutet. Deswegen würde ich ihn definitiv als Anspieltipp empfehlen."

Meiner wäre "The Lion's Den" (Höhle des Löwen), gerade wenn man weniger auf Lyrics fixiert hört. Das Stück kehrt so gut den Takt gebenden Bass heraus, dass es rhythmisch mit seiner Stringenz fesselt. Der Opener "Love Like Kerosene", zu dem es auch ein - allerdings recht dunkel belichtetes Video gibt - ist einerseits das, was so in der Electric Blueser-Szene üblich und am erwartbarsten ist, aber mit einer Beimengung. ""Love Like Kerosene" von Greg Allmans letztem Album 'Southern Blood' wählte ich, weil das so bad-ass cool ist, das spiel ich auch gerne live", bekundet Katie. "Die Allman Brothers haben diese Blues-Roots mit einem beinahe-Country-Feeling. Ich glaube, so 'ne Country-Schiene habe ich auch. Sobald Leute das zu hören bekommen, werden sie fragen 'Ist das Blues oder Country?' und das ist absolut beides. Ich mag den Vibe von "Love Like Kerosene", es hat Tempo, ist tanzbar", urteilt die Singer/Songwriterin. Wobei gerade dieser Track ein farbloser auf einem ansonsten strahlkräftigen Album ist.

"Clear Vision" hört sich typisch nach dem Verfasser, Bernard Allison, an, vertritt ebenfalls die Fraktion der Cover-Songs. "Als Bernard mir sein Lied "Clear Vision" vorschlug, hatte ich den vorher nie gehört. Er sprach mich aber sofort an. Denn er handelt von dem, was ich erlebe, an welchem Punkt ich gerade bin. Ich lasse mich von Dingen aus meiner Vergangenheit nicht zurück halten und schaue nach vorne. Ob das jetzt Beziehungen betrifft oder andere Dinge. Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt entdecke, was meine eigene Vision ist. Dafür umgebe ich mich mit Leuten, die an mich glauben und wollen, dass ich voran komme, und die das mit erleben möchten." - Noch ein Mosaikstein in der Selbstreflexion, andererseits mit Rückzug in eine neue eigene Bubble.

Um die Platte besser einzuordnen und nachzufühlen, lohnt es sich, die Entstehungsgeschichte zu kennen und auf den Titelsong zu achten. "Get Goin' Get Gone" verrät die Countryrock-Vorliebe der Künstlerin und dass sie für die Eagles schwärmt. "Ich hatte vorab durchaus Selbstzweifel, ob es der richtige Schritt wäre, mit Leuten, die ich praktisch nicht kenne, in einem fremden Land diese persönliche Musik aufzunehmen", verrät uns Katie.

"Aber "Get Goin' Get Gone" hat einen Country-Vibe, grenzt auch an Swing, und genau sowas schätze ich auch an Bernards Band: Sie will zeigen, was man alles machen kann. Ich bin ein Blues-Artist, finde aber in jeglicher Musik Inspiration. Das möchte ich dann auch zeigen. Ich ging viele Risiken auf dieser Platte ein, aber ich möchte genau das: Dass ich mir die Offenheit für alle Musik bewahre und nach außen vermittle. Daher wechseln sich die Schattierungen funky, bluesy, Country da ab."

Die Coolness der Platte und die reife handwerkliche und kreative Leistung aller Beteiligten rechtfertigen das Wagnis, aber keine Selbstzweifel. Katie stilisiert das neue Produkt nicht allzu sehr als großes Event. Statt dessen betrachtet sie das fertige Werk als part of the process ihrer ganzen Karriere und Biographie und freut sich schon auf den nächsten Longplayer. "Jedes neue Album ist nur ein Schritt, auf einer Reise. Und auf diesen Schritt folgt ja wieder einer."

Trackliste

  1. 1. Love Like Kerosene
  2. 2. Jump
  3. 3. A Doll's Heart
  4. 4. Clear Vision
  5. 5. Voodoo Woman
  6. 6. The Lion's Den
  7. 7. Wake Up Time
  8. 8. Get Goin' Get Gone
  9. 9. Bayou Boogie
  10. 10. Trying
  11. 11. Nobody's Fault But Mine

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