laut.de-Kritik

Stumpfer Punchline-Rap, Schwanzvergleiche und Saufhymnen.

Review von

Hobbylos auf der Couch verharzen, Mittags mit den Jungs grundlos vollsaufen und zugekokst Pizza fressen - niemand verkörpert den asozialen Lifestyle eines arbeitslosen Rabauken so gut wie Karate Andi. Auf "Hinterhof Palazzo Tape" fliegen einem wieder sämtliche Beleidigungen und Punchlines um die Ohren, bis einem schlecht wird. Das fünfte Album ist der letzte Release von der Düsseldorfer Plattenfirma Selfmade Records, die nun endgültig ihre Türen schließt.

Mit den vorab veröffentlichten Musikvideos zu "Palazzo Freestyle" und "Alles was ich brauch" hat Karate Andi einen recht guten Sound angeteasert. Auf den beiden Songs flowt Andi mit gekonnter und spielerischer Kifferstimmung über akustischen Boom-Bap Beats. Es geht natürlich um grenzenlose Drogenexzesse mit der Gang und das Verspotten sämtlicher Jugendtrends: "Ich hab' wirklich keine Ahnung, was die Jugend heut so trägt / Plus mir ist scheißegal, was alles auf dei'm Jutebeutel steht". In erster Linie klingt das ziemlich amüsant, und auch Lines wie "Früher war ich Playboy aus dem Straßenmilieu / Doch nach 'nem Hazejoint sah ich aus, so wie Gérard Depardieu" bringen einem zum Schmunzeln. Doch das restliche Album bestätigt, dass mit diesen zwei Tunes auch schon das ganze Pulver verschossen ist.

Ich habe generell schon immer Schwierigkeiten gehabt, mich mit Punchline-Rap auf Albumlänge anzufreunden. Natürlich funktionieren Punchlines im Battle-Rap, und es macht besonders Spaß, wenn Rapper die Hörer mit ihren kreativen und einfallsreichen Lines überraschen. Doch wenn diese Zeilen ständig an ein imaginäres "Du", und nie wirklich an irgendjemanden gerichtet sind, oder wenn Punchlines einfach keinen 'Punch' liefern, zündet man ein Feuerwerk, das am Ende nicht explodiert. Als würde man aus einem Notizheft die besten Witze vorlesen, die man in letzter Zeit mal so aufgeschnappt hat. Wenn dann noch der Beat einfallslos klingt, hat man eine leere Hülle mit einigen zusammenhangslosen Battlerap-Lines, wie es "Telefonmann" oder "Dann kamen wir" bezeugen.

Menschen mit bunten Haaren beleidigen, originelle "Frauen gehören in die Küche"-Sprüche und endlose Schwanzvergleiche aller Art. Asozial und oberflächlich schaut Karate Andi auf das 'uncoole' Volk herab und nimmt sich und alles andere nicht ernst. Hier und da springen witzige Lines dabei heraus, die aber auch oft nur ziehen, wo sie sich aus bekannten deutschen Memes oder anderen popkulturellen Momenten bedienen. Der schreiende Frauentausch-Andi bekommt eine Erwähnung, ein "I doubt it" rutscht auf "Hinterhof Palazzo Tape" zwischen die Zeilen. Wem diese Begriffe nichts sagen, kann die Recherche auch getrost überspringen. Wenn eine Erklärung nötig ist, verliert der Witz sowieso seinen ganzen Charme. Aber sowas wie "Deine Freundin gibt mir Kopf, wie Zinedine Zidane / Doch hat den gleichen Bodymaßindex wie Cindy aus Marzahn" verstehen bestimmt die allermeisten.

Letztlich hat "Hinterhof Palazzo Tape" ein paar Tracks, die je nach aktueller Gemütslage durchaus ihren Reiz haben. Ab und zu braucht man mal primitive Saufhymnen, in denen die einfachen Ohrwurm-Hooks zum Mitgrölen animieren wie auf "Golfclub": "Bruder wir häng'n nicht im Golfclub / Denn wir sind jeden Tag Vollsuff / Schwänze so lang wie ein Zollstock" oder "Sind um 1 Uhr schon besoffen vom Hansa-Bier, glaub mir keiner kann uns stoppen, wenn wir randalieren / Meine Gang hat keinen Job und kriegt entspannt Harz 4" auf "Dann kamen wir".
Oberflächlich und ohne Selbstrespekt, versteht sich. Doch viel mehr kann ich diesem Tape nicht entnehmen, und die grobgezimmerten Reime und endlosen "Wie"-Vergleiche geben dem ketzerischen, drogenversifften Punchline-Gemetzel auch nichts Besonderes.

Trackliste

  1. 1. Palazzo Freestyle
  2. 2. Telefonmann
  3. 3. Dann kamen wir
  4. 4. Golfclub (feat. Mehnersmoos)
  5. 5. Hinterhofpalazzo
  6. 6. Alles was ich brauch
  7. 7. Cypher (feat. Crystal F, Tamas)
  8. 8. Klug
  9. 9. Gamescom (feat. Sportler99)
  10. 10. Stammtisch (feat. MC Bomber, Syno)
  11. 11. Mach mich schlau
  12. 12. 70 km/h

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