laut.de-Kritik

Ein Zeugnis aus weit besseren, sonnigeren Zeiten.

Review von

Das Golden Age of Hip Hop mit all seinen zurückgelehnten Crews und Kollektiven aus Kalifornien schien vorbei. Das Haus Hieroglyphics mit den Souls of Mischief oder The Pharcyde befanden sich auf dem Weg aus dem Hype, als sich eine Crew namens Jurassic 5 - kurz J5 - aus L.A. South Central, dieser spätestens durch die 'Rodney King riots' als sozialer Brennpunkt bekannten Gegend von Los Angeles, im Jahre 1998 mit einer EP, dem Track "Concrete Schoolyard" und einer unglaublichen Leichtigkeit zu Wort meldete.

Im Juni 2000 vor ziemlich genau einem Vierteljahrhundert sollten sie mit ihrem ersten vollen Longplayer "Quality Control" einen Meilenstein liefern. Ein Vierteljahrhundert später - Donald Trump hetzt gegen Migranten und will die Nationalgarde in L.A. einsetzen - wirkt diese Platte wie ein Zeugnis aus weit besseren sonnigeren Zeiten.

Zu J5s Besonderheiten gehörte unter anderem, dass sie mit zwei DJs und vier MCs nicht an Personal sparten und Beats präsentierten, die in ihrer Einfachheit gleichermaßen eingängig und rund waren, dass Urteile von 'hätte man schon lang drauf kommen können' und 'genial' gleichermaßen gerechtfertigt sind. Dazu kamen vier MCs, die sich mit einer Schnörkellosigkeit das Staffelholz übergaben, dass es eine wahre Freude war. Für die vier galt dasselbe wie für die Beats, nichts war manieriert oder über die Maßen exzentrisch.

Das leicht jazzige Intro "How We Get Along" lässt in puncto Leichtfüßigkeit vermuten, wohin die Reise geht, bevor "The Influence" eine erste inhaltliche Duftmarke setzt. "Great Expectations" schließt nahtlos an, rein in den Beat und ab mit den Reimen, mit Selbstrepräsentation und Selbstreferenz, der Essenz von Hip Hop. Vor dem Titeltrack erlauben sich die DJs/Produzenten Cut Chemist und Nu-Mark einen kurzen Ausflug in ein kurzes Bindestück, mit Instrumenten/ Bläser- und Vocal samples, bis "Quality Control" mit dem dritten Rap-Track mit der Hook startet und eine neue Dynamik, ein anderes Tempo, eine neue Geschmacknote etabliert.

Interludes wie "Contact" wirken im Gegensatz zu vielen Interludes anderer Crews oder Artists hier nicht wie reines Stopfmaterial, sondern schlagen eine Brücke zwischen den Tracks und haben eine eigenständige Klangnote. "Lausd" sampelt ein Drumpattern mit Basslauf, das von einer chorischen Hook ergänzt wird und bis auf ein paar Vocal Samples weitestgehend frei von Schischi bleibt, "W.O.E. Is Me (World Of Entertainment)" und "Monkey Bars" weiten die Einfachheit allenfalls noch um ein bis zwei Samples aus. Mitnichten klingen die Tracks ähnlich, vielmehr unterscheiden sie sich in Tempi und Stimmungen, jedoch nicht in der simplen doch handwerklich runden Herangehensweise.

Nach "Monkey Bars" lachen sich die Herren vermutlich unter Einfluss einer rauchbaren Substanz über ein schnödes "ba ba ba bap, this Ni**a is stoppin' the tape" auf eine dermaßen kindliche Art und Weise schlapp, dass man unglaublich gern bei den Aufnahmesessions dabei gewesen wäre. Dann erhebt sich die Platte in meinen persönlichen Favoriten, "Jurass Finish First", einen Track mit organisch und leichtfüßig wechselnden Parts von Zaakir a.k.a. Soup und Chali2na, so unschuldig, dass man denjenigen, die den Track nicht absolut lieben, gern unterstellte, sie treten Katzenbabies.

Im Anschluss machen sich Soups Dad, dann Soups Mum abwechselnd Gedanken über die Musikliebe des Sohnes. Ohne zu spoilern, seine Mum droppt das Mic, period. "Contribution" packt uns und unsere Consciousness noch mal bei den Eier(-stöcke)-n, während "Twelve" uns wieder auf die Tanzfläche schleift, besser treibt.

Die Energie bleibt oben, "The Game" wird einer Zeile im Track folgend inzwischen vielerorten als "Verbal Basketball" bezeichnet und featuret mit Marvski (Unity Committee) and Shawny Mac (Rebels of Rhythm) die zwei fehlenden Glieder der beiden Crews, aus denen sich J5 einst konstituierte. Besagter Shawny Mac war einige Wochen vor Release des Albums verstorben, wodurch "Quality Control" für J5 eine noch größere Bedeutung entfaltete.

Dann offenbart sich Skurriles bei der Recherche: das Internet kennt zwei Tracks auf der 14, das ursprüngliche "Improvise" und "Concrete & Clay", eine Adaption von "Concrete Schoolyard", dem Quell ihrer Bekanntheit, ganz so als müsse man sich des ersten Tracks schämen. Das ist nicht der Fall, "Improvise" fügt sich gar besser in den Kanon der Platte ein, weil weniger exaltiert.

Zu guter Letzt bekommen Cut Chemist und DJ Nu-Mark die Bühne, um in "Swing Set", einem Producertrack, noch einmal alle Register zu ziehen und ein Feuerwerk an Swing abzufeuern und mit liebevoll und passend ausgewählten Samples zu garnieren. Den Programmpunkt des Rausschmeißers, den sie auf den nächsten Alben, einmal mit einem Breakbeathybrid, einmal mit Flamenco-Flavour wiederholen sollten, nur leider nicht mehr so unwiderstehlich.

Apropos unwiderstehlich, das ist "Quality Control", eine unwiderstehliche Platte, von Positivismus durchtränkt, so leicht wie kaum eine andere und nicht nur deshalb mit einzementiert in die Hall of Fame der Hip Hop-Platten.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. How We Get Along
  2. 2. The Influence
  3. 3. Great Expectations
  4. 4. Quality Control lntro
  5. 5. Quality Control
  6. 6. Contact
  7. 7. Lausd
  8. 8. W.O.E. Is Me (World Of Entertainment)
  9. 9. Monkey Bars
  10. 10. Jurass Finish First
  11. 11. Contribution
  12. 12. Twelve
  13. 13. The Game
  14. 14. Improvise
  15. 15. Swing Set

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