laut.de-Kritik

Organischer Pop mit der Power der Trauer.

Review von

Bittersüß, beschwingt und etwas schwermütig, kristallklar, hypnotisch und doch lässig, straight, versunken, pulsierend, melodramatisch, ernst – das sind die wichtigsten Eigenschaften von "In Every Move", dem Debütalbum des Duos Ivy Flindt. Cate tritt als Sängerin an der Front auf und in Tracks wie "Nothing But You All On My Mind" auch als fantastische Keyboarderin. Micha, gelernter Violinist, steuert Bass und Gitarre bei. Wahrscheinlich setzen sie ihren Sound mit Hilfe von Session-Musikern zusammen, hört man doch auch zum Beispiel ein (gut gespieltes) Schlagzeug.

Ihren Power-Pop- und Orchestral-Softrock-Sound halten sie stilistisch recht offen. Somit durchschreitet das Album von zart bis hart, von laut bis leise und von schneller bis ruhiger auch auf lebendige Art ein paar Seiten menschlicher Emotionen. Ans Ende packen sie in der Vinyl-Ausgabe eine akustische Version eines Tracks, sehr wirkungsvoll. Weniger wäre auch sonst manchmal mehr. Vor allem: Das Swedish Radio Symphony Orchestra steuert einige Violin-Arrangements bei. Gerade das raubt der Musik etwas Kraft und macht das Album an manchen Stellen zum Klischee-Songwriter-Pop; ohne diesen immer wiederkehrenden Geigenaufstrich wäre alles super.

Ausscherend in rockige Momente ("Lonely Boy", "Give It A Break"), triste Abschnitte ("Promised Land") und Leonard Cohen-Düsternis ("I Wish I Had A Girl") liefern Ivy Flindt eine schöne Alternative zum Dance-Pop der Radio-Rotationen, sind aber selbst unverkennbar Pop im engeren Sinne. Alle Tunes sind jeweils so lang, wie sie eben sein müssen. Sie enden, bevor die Ideen verbraucht sind. Mehr als vier Minuten dauern sie meistens nicht.

Heraus kommt eine gut verwobene Song-Kollektion. Selbst wenn sich die Energie des Openers "Seal My Lips" nicht so ganz entlädt, gilt danach das Motto "All Killers, No Fillers". Die Vorarbeit für dieses Album dauerte lang. Es steht zu vermuten, dass Per Sunding die fehlenden Musiker/innen ausgesucht hat. Der schwedische Produzent hat Erfahrung im Powerpop, zum Beispiel mit den vergessenen The Ark. Gleichwohl es überall im Vorfeld des Album-Release anders geschrieben stand, fiel seine Arbeit mit den Cardigans recht beschränkt aus: 2003 war er auf einem Album für sie tätig.

In der Tat sind die Cardigans gar nicht die passendste Referenz. All das, worin Hope Sandoval & Mazzy Star sehr ruhig waren, beschleunigen Ivy Flindt und brezeln es mit mehr Soundfülle auf. Das, worin die New Radicals zu stürmisch waren, klingt hier weniger manisch, sondern schön 'earthbound'.

Sängerin Cate Martins Stimme streift manchmal die Resonanzkreise von Cardigans-Frontfrau Nina Persson, das stimmt schon. Aber es stimmt (zum Glück) nicht immer. Auf "When You're Not Around" (auf CD in einer, auf LP in zwei Versionen enthalten) findet Cate eine dunklere Stimmlage, was sich sehr angenehm anhört. Viel wichtiger als die sowieso entfernten Querverweise auf andere erscheint mir aber, dass Ivy Flindt schon auf dem ersten Longplayer ihr eigenes Ding machen.

Wie machen sie das? Ein Beispiel: "Lonesome Story" mit seinen seltsam versetzten Kadenz- und Rhythmus-Verläufen in der Klavier-Begleitung, seinen zarten Hi-Hat-Tupfern und der Abrundung durch Geige und Akustikgitarre soll dem Text nach ein Schlaflied sein. Allerdings strahlt der Song so viel Dynamik und Spannung aus, dass er mich hellwach macht.

Aber auch die Lyrics besitzen die eine oder andere feine Kante: "I take the risk not to take the risk." Sophie Hunger sagte einmal (zu Fred Kogel, damals Bayern 3), es komme viel darauf an, wie der erste Satz eines Liedtexts formuliert sei. Ivy Flindt beherrschen dieses Handwerk.

Trackliste

  1. 1. Seal My Lips
  2. 2. Give It A Break
  3. 3. Young And Pretty
  4. 4. When You're Not Around
  5. 5. Nothing But You All On My Mind
  6. 6. Lonely Boy
  7. 7. Promised Land
  8. 8. I Wish I Had A Girl
  9. 9. I Leave The City In Its Pose
  10. 10. Lonesome Story
  11. 11. In Every Move
  12. 12. When You're Not Around (Acoustic Version)

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