17. März 2009

"Viele scheinen ihr Land zu hassen"

Interview geführt von

Das Dubai Desert Rock Festival liegt bereits zwei Tage hinter uns und ich sitze mit Hatred-Shouter Matthias 'Bacchus' Mauer im Hotelzimmer in Dubai und lass die letzten Tage Revue passieren. Hatred haben bekanntlich den Wettbewerb des With Full Force Open Airs gewonnen und durften als Sieger nach Dubai fliegen, um auf dem einzigen Metal-Festival der ganzen Emirate zu spielen. Was an diesem und dem folgenden Tag passiert ist, gibt es hier zu lesen.Wie Bacchus die letzten Tage und die Entwicklung bis zum DDRF erlebt hat, schildert er im Interview. Allerdings gibt es die Geschichte auch demnächst mal im Bayerischen Fernsehen in Bild und Ton zu bewundern. Die haben den Hatred-Jungs nämlich eine Handkamera mitgegeben und sie gebeten, das Ganze doch auf Band festzuhalten. Ob da mal alles jugendfrei geblieben ist?

Ok, lass uns mal ganz von vorne anfangen. Wie kam es überhaupt dazu, dass ihr gestern auf dem Dubai Desert Rock Festival gespielt habt?

Das hat damit angefangen, dass unser Drummer, der Evil Ewald irgendwo gelesen hat, dass man sich für dieses Festival bewerben kann. Das hat er aus reinem Jux dann auch gemacht, und da er da eh nicht mit gerechnet hat, dass das klappt, hat er den Kram ganz schnell wieder vergessen (lacht). Erst ein paar Wochen später, als wir gerade irgendwo hin auf einen Gig gefahren sind, ist ihm das wieder eingefallen und er hat uns davon erzählt. Wir fanden das dann auch alle recht witzig, haben drüber gelacht und die Sache fünf Minuten später wieder vergessen.

Als dann ein paar Tage später von unserem Gitarristen Frank die Rundmail kam, dass wir unter den letzten zehn Bands im Voting wären, ist uns erst mal ein Ei aus dem Sack gefallen. Wir wussten bis dahin nicht mal, dass es überhaupt ein Voting gab, sondern wir sind davon ausgegangen, dass jemand unter den Einsendungen ne Band aussucht und die fliegt da dann hin. Die Tatsache, dass wir unter dem letzten Zehn sind wurde uns auch erst recht spät mitgeteilt, weswegen wir uns dann wirklich den Arsch aufgerissen haben und alles und jeden angeschrieben und motiviert haben, für uns zu voten. Wir haben allein am letzten Tag des Votings über 2.500 Mails rausgeschickt, darunter natürlich auch die ganzen Newsletter-Empfänger des Queens Of Metal (das Festival wird von Hatred organisiert, d. Verf.). Auch in sämtliche Foren, an die wir auf die Schnelle rankommen konnten haben wir gepostet und letztendlich war es ein ganz schön hartes Kopf an Kopf-Rennen mit Burden Of Grief.

Am Silvester-Abend um acht Uhr war das Ding dann gelaufen. Wir waren alle auf verschiedenen Partys unterwegs und als wir vom Ergebnis erfahren haben, waren wir alle irgendwie zwischen Heulen und Lachen, weil sich das gar nicht so recht realisieren ließ.

Das war wohl ne recht harte Sache, wenn man da einen Monat lang auf glühenden Kohlen sitzt, die Chance vor Augen hat aber nicht weiß, ob es reicht oder nicht.

Das kannste laut sagen. Da waren wir uns auch ganz schnell alle einige: Das war das erste und das letzte Voting. Sowas machen wir nie wieder mit! Und wenn es für das Ozzfest wäre oder was auch immer. Den Stress tun wir uns nie wieder an (lacht). Zuerst hat ja keiner wirklich an sowas geglaubt, aber als wir dann auf einmal unter den letzten zehn waren, haben wir uns richtig ins Zeug gelegt und waren jeden Tag mehrere Stunden damit beschäftigt, die Leute zu mobilisieren, damit wir hierher kommen können. Meine Frau war gegen Ende schon so genervt von dem ganzen Scheiß, dass sie am liebsten den Rechner aus dem Fenster gefeuert hätte. Ich weiß von den anderen, dass da die Frauen und Freundinnen auch kurz vor dem Ausrasten waren. Das ging schon hart an die Grenze und deswegen: Nie wieder Voting!

"Wir waren zum Stinken nervös!"

Kann ich verstehen. Wie gings weiter, als das Ergebnis durch war?

Na wie gesagt, ich war auf ner Silvester-Party und wusste echt nicht, wie ich damit jetzt umgehen soll. Die ganze Anspannung war auf einmal weg und schon allein deswegen wollte ich mir einfach nur mal gepflegt die Birne weglöten. Ich glaub ich war den ganzen Abend über total neben der Kappe. Erst nach zwei, drei Tagen hab ich einigermaßen realisiert, dass wir tatsächlich nach Dubai fliegen. Entspannter wurde es dann aber auch nicht unbedingt, weil wir die ersten paar Tage keinen Kontakt zum With Full Force hatten. Der Boggo war zu der Zeit glaub ich grad im Urlaub in Thailand und wir wussten einfach nicht genau, was Sache ist und was geht. Vor allem mussten wir ja auch den Flieger buchen, da ja Frauen und Freundinnen mit wollten und je später man da bucht, desto teurer wird der Spaß dann. Mitte/Ende Januar war er dann endlich wieder da und wir konnten alles planen. Auch das Feedback, welches wir anschließend von all den Leuten bekommen haben, die für uns gestimmt hatten, war echt phantastisch.

Das nächste war dann natürlich die Planung der Show und des Trips. Wir haben uns dann direkt an unser Label Twilight gewandt, dass die das noch ausschlachten und publik machen können. Wir selber haben natürlich auch so viel Werbung wie möglich gemacht. Der Frank hat dir das ja gleich auf die Nase gebunden und jetzt haben wir dich am Bein (lacht). Was mich ein wenig enttäuscht hat war die Tatsache, dass im Rock Hard, die diesen ganzen Event eigentlich supporten und präsentieren, keine einzige Zeile darüber verloren haben. Weder wer gewonnen hat, noch über den Ablauf, noch sonst irgendwas. Allein in der Review unserer Scheibe stand kurz drin, dass wir nach Dubai fliegen. Aber was soll's, der Trip hierher hat sich auf jeden Fall bezahlt gemacht. Schon allein, was Festivals und andere Gigs in Europa angeht. Da war es schon von Vorteil, dass wir mit dem Dubai-Gig Werbung für uns machen konnten. Und bevor ich das vergesse: Wir wollen natürlich allen an dieser Stelle dafür danken, dass wir hier spielen konnten. Ohne unsere Fans, die für uns gestimmt haben, wären wir nicht hier!

Ok, das zu verarbeiten, dass ihr gewonnen habt, war also schon nicht leicht. Aber was ging in dir vor, als du schließlich hier gelandet bist?

Bis Mittwoch-Nachmittag war ich eigentlich absolut locker. Aber als ich dann von der Arbeit nach Hause gekommen bin, war's damit dann vorbei (lacht). Ich hab auch nicht so wirklich gut geschlafen von Mittwoch auf Donnerstag und hab mir die ganze Zeit Gedanken gemacht, was da unten abgehen wird, was ich für Ansagen auf der Bühne machen soll, wie verhältst du dich vor den Leuten, lauter Scheiß eben. Als ich meinen Koffer dann gepackt hab, war ich absolut daneben. Ich hab mir irgendwann ne Checkliste geschrieben, weil ich Angst hatte, dass ich meinen Hintern vergesse. Ich bin dauernd noch mal durch gegangen, ob ich alles hab. Für dieses Fernseh-Ding musste ich dann auch noch filmen, wie ich meinen Koffer pack und was ich mitnehme. Ich war auf jeden Fall zum stinken nervös und dann waren wir auch fast noch zu spät am Zug … furchtbar. Im Zug kam dann aber die Vorfreude auch endlich auf und der Trip hierher war absolut genial. Als dann draußen am Flughafen tatsächlich einer mit nem Hatred-Schild stand und uns abgeholt hat, fand ich das ja nur noch geil. Sowas wollte ich schon immer mal erleben!

Ich hab das selber ja schon mal mit Unleashed für's Queens Of Metal gemacht und dachte mir damals schon: Das willst du auch mal erleben. Und tatsächlich am Donnerstag war es soweit und ich hatte ein dermaßen fettes Grinsen in der Fresse – unglaublich. Als wir dann im Hotel eingecheckt haben, wurde die ganze Sachen dann zum ersten Mal so richtig real für mich. Damit ging die Nervosität allerdings auch immer weiter hoch und die erste Nacht hab ich so mies geschlafen, wie schon lange nicht mehr. Als wir dann morgens um acht beim Soundcheck auf der Bühne standen, war ich total neben mir. Aber als der vorbei war – alles locker. Ok, kurz vor dem Auftritt war die Nervosität wieder da, aber das ist ja vollkommen normal. Das ging den anderen glaub ich auch so.

"Viele scheinen ihr Land zu hassen"

Dabei war Nervosität eigentlich vollkommen unangebracht. Die Leute haben euch doch von Anfang an aus der Hand gefressen.

Ja krass, gell. Ich bin nur mal vor an den Bühnenrand, hab die Faust gehoben und die Leute sind schon abgegangen wie Sau. Das war absolut unglaublich, mir fehlen da echt die Worte, das zu beschreiben und nach dem Moment war für mich alles klar. Der Gig war nur geil, aber dass die Sonne einem so auf die Birne knallt, das strengt doch ganz schön an. Vor allem, wenn du in der Gegend rumrennst und in ein Mikro brüllst (lacht). Als ich dann mal von der Bühne runter und im Fotograben bis an die Fans ran bin, das war natürlich die absolute Krönung für mich. Das hat ja kein anderer von irgendeiner Band gemacht und das wussten die Leute echt zu schätzen. Der Moment war für mich sowas von klasse, ich hätt's gern eingerahmt (lacht).

Was hinterher abging war echt der Hammer. Da kamen so viele Leute auf einmal zu mir her und wollten Fotos mit mir schießen, Autogramme und sich einfach nur mit mir unterhalten. Da fühlt man sich echt als Rockstar, hahaha. Das hat dermaßen Spaß gemacht, einfach nur mit den Fans zu reden. Ich war zwar mehrere Stunden dadurch einfach mal weg und hab vom Festival selbst nicht so viel mitbekommen, aber das war es auf jeden Fall wert.

Auch gestern Abend bei unserem Club Gig, der für uns zeitlich ja leider etwas sparsam ausfiel, hab ich mich viel mit den Leuten da unterhalten und versucht, auch mal was über die Szene da unten heraus zu finden. Dabei hab ich dann vor allem gemerkt, wie gut es eigentlich der deutschen Szene geht. Man beschwert sich immer ganz schnell und gern, wie schwer es doch ist, hoch zu kommen. Wenn man dann aber mitbekommt, was die Bands hier an Problemen haben, eine Show spielen zu können oder überhaupt an Equipment ran zu kommen, dann haben wir's echt noch verdammt gut. Der Lebensstandard ist hier zwar relativ gut, auch die ganzen Metal-Fans verdienen anscheinend ordentlich Kohle in ihrem Berufen. Allerdings hab ich auch bei vielen herausgehört, dass sie ihr Land hassen. Die meisten sagen das sogar wortwörtlich so. Ich denke aber, das liegt vor allem daran, dass sie als Metalfan eben kaum die Möglichkeit haben, das nach außen zu tragen und sich entsprechende Bands anzuhören und anzuschauen, wenn sie wollen.

Du hast es gerade angesprochen, ihr ward gestern nicht unbedingt lange auf der Bühne.

Ja, das war schon ein wenig ärgerlich und nicht sonderlich professionell aufgezogen. Aber das sag ich jetzt auch aus Sicht eines Metallers, der eben europäische Standards gewohnt ist. Das kann man mit der Situation da unten nun mal nicht vergleichen. Bei den drei Bands vor uns, Perverse, Scarab und Nervecell, kam es wegen diverser Dinge immer wieder zu Verzögerungen. Das Konzert ging schon deutlich später los als es angesetzt war und letztendlich haben wir zweieinhalb Songs gespielt. Wir wurden zwar nicht direkt von der Bühne geworfen, aber es wurde uns deutlich gemacht, dass wir mit Konsequenzen zu rechnen hätten, wenn jetzt nicht Schluss ist.

Der Club war eh krass. Das war ne Bar im Erdgeschoss eines Hotels und das Hotel hat sich geweigert, dass man die Tische und Stühle entfernen darf. Also mussten sich alle um die Möbel rum aufstellen. Nur vor der kleinen Bühne war eon bisschen Platz für Fans. Der Mischer und der Lichtmensch standen sogar mit uns auf der Bühne rum. Die Fans waren dann schon angepisst. Ich hab von vielen gehört, dass die sich geärgert haben, dass Nervecell nicht ein paar Songs gekürzt haben. Die kennt da inzwischen schon jeder und ob die uns noch mal zu Gesicht bekommen, ist doch eher fraglich. Aber der Käs is jetzt auch gegessen.

Die Orga von der Clubshow war jetzt vielleicht nicht so, aber das Desert Rock Festival war von der Organisation her wirklich der Hammer. Das hatte ich nicht unbedingt erwartet, denn im E-Mail-Verkehr im Vorfeld lief das alles nicht immer optimal ab. Wenn du ne Mail mit vier Fragen geschickt hast, wurden zwei davon beantwortet und auf die anderen gar nicht eingegangen. Da erwartest du erst mal nicht zu viel. Aber letztendlich war das echt super gut gemacht und vor allem war wirklich jeder, der irgendwas damit zu tun hatte, super nett! Dickes Lob also von hier an das DDRF-Team!

Seh ich auch so. Und wie geht's bei euch jetzt weiter?

Naja, ich hab's ja vorhin schon mal erwähnt, dass einige Festivals im Sommer anstehen. In der Schweiz haben wir jetzt auch ne Booking-Agentur die uns da einige Sachen klar macht. Wollen doch mal sehen, ob wir nicht auch ein paar Schweizer rocken können (lacht). Auf dem Metalcamp sind wir dieses Jahr auf der Hauptbühne, auf dem Legacy Fest sind wir dabei und auch in Deutschland stehen noch diverse Clubshows an. Vor allem ist positiv zu vermerken, dass wir so langsam aber sicher auch mal ein wenig mehr als nur das Benzingeld verlangen können und auch tatsächlich bekommen. Mittlerweile merken auch die Veranstalter, dass wir das Geld wert sind und auch eine entsprechenden Menge Leute ziehen. Das macht Mut für die Zukunft. Nach acht Jahren Arbeit ist es schön, wenn man nicht mehr drauf legen muss, um auch mal weiter weg zu spielen.

Ansonsten basteln wir natürlich schon wieder kräftig an der nächsten Scheibe. Ein paar Songs stehen musikalisch schon zu 80-90% und Ideen für weitere Sachen sind schon genügen vorhanden. Wir sind verdammt glücklich, mit dem was wir jetzt erreicht haben – Hauptbühne auf dem Metalcamp, der Gig hier in Dubai – das ist schon der Hammer. Aber damit wollen wir uns natürlich nicht zufrieden geben, sondern jetzt wissen wir, dass wir das können und wollen natürlich mehr (lacht). Wir sind jedenfalls heiß auf den Sommer und was dann genau passiert – wird sich eben zeigen.

Klingt doch gut soweit. Haste noch irgendwelche wichtigen, letzten Worte?

Öh, rettet die Wälder, esst mehr Biber!

Na ich musste ja fragen …

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