1. März 2021

"Bei 500.000 Spotify-Hörern überleg' ich's mir!"

Interview geführt von

Tatsache: Harry Quintana hat ein Interview gegeben. Themen haben sich genügend angestaut: Der Münchener spricht unter anderem über sein aktuelles Album "Blue Sky Szenario", seine Arbeitsweise, Audis, Ideen beim Staubsaugen, "Wolfenstein 3D", Skifahren, Tennis, Sportwetten, Ehrgeiz, Haiyti und Olli Kahn.

Harry Quintana: Wer Plan hat, kennt den Namen. 15 mehr oder weniger aktive Rap-Jahre, Untergrund-Hits noch und nöcher und eine höhere fünfstellige Spotify-Hörerschaft ändern nichts daran, dass der frühere RBA-Rapper und Südamerika-Aficionado immer noch als Geheimtipp gehandelt wird – Deutschraps prominentester, womöglich. Warum das so ist, was es mit dem Audi auf sich hat, wie ihm seine Texte einfallen und wer Axel ist, hat er mir in zwei Gesprächen, pünktlich zur Veröffentlichung seines neuen Albums "Blue Sky Szenario" verraten.

Da das Interview sehr ausführlich ist, haben wir es zweigeteilt: Teil eins, in dem wir zurück zu Harrys Anfängen gehen und die Zeit bis heute beleuchten, könnt ihr hier nachlesen. Hier geht's jetzt um Harry Quintana heute und ganz konkret um das neue Album.

Servus Harry. Wie war's am Berg?

Herrlich! Es wurde zwar letztlich ein anderer Berg als geplant, aber wir hatten Kaiserwetter und es war ein Traum.

Lass' uns über "Blue Sky Szenario" sprechen. Auch dieses Mal gab's im Vorfeld wieder das Quintana-typische Phänomen, dass plötzlich einzelne neue Tracks im Netz auftauchen, die dann aber oft kurz später wieder verschwinden. Was sind Deine Gründe für dieses Vorgehen? Eine Art public beta? Testest Du so neue Song-Ideen?

Nein, das mache ich tatsächlich nur mit mir aus. Bei "Blue Sky Szenario" war es beispielsweise so, dass ich erst nach diesem Song mit allen anderen Tracks angefangen hab'. Der war quasi die Initialzündung für das Album. In mir reifte dann die Idee, das ganze Tape auch so nennen zu wollen, weil ich den Song und seinen Text sehr mochte. Dazu brauchte ich aber natürlich auch eben diesen namensgebenden Song auf dem Album. Den Song nicht zu verwenden, dazu wäre mir auch die textliche Arbeit schlichtweg zu schade gewesen. Das Problem war, dass ich ihn in dieser Form nicht offiziell auf Spotify und Co. rausbringen konnte, weil ich die Rechte für den Beat nicht hab'. Von daher hab' ich dann entschieden, den Track wieder runterzunehmen und umzuarbeiten, nicht zuletzt in der Hoffnung, dass ihn noch nicht so viele Leute gehört haben.

Bei anderen Liedern war es wiederum manchmal so, dass ich sie nach einer gewissen Zeit einfach wack fand. Ich kämpfe da häufig mit Selbstzweifeln – und manchmal trifft man dann eben eine solche Entscheidung.

Ein weiterer Grund: Ich bediene mich oft bei alten Einzel-Tracks und mache etwas neues daraus, wenn ich merke, dass es auf einem anderen Beat besser funktioniert. Dann müssen die alten Songs verschwinden. (lacht) "Batigol" hab ich zum Beispiel von Soundcloud runtergenommen, weil ich Lines daraus für das Intro von "El Camino" verwendet hab'. Einige Songs auf "Blue Sky Szenario" sind zunächst auch auf ganz anderen Beats entstanden.

Du hattest im ersten Teil erwähnt, dass Du Mix & Mastering so gar nicht beherrschst. Auf "Blue Sky Szenario" hat Dirrty Harmonies diesen Job übernommen. Ist er generell Dein go-to-guy dafür oder wie sind da Deine Strukturen?

Dirrty Harmonies kenn' ich noch vom RBA-Forum, der hat auch schon Sachen für Holy Modee und Albert Parisien produziert und hat eine Ausbildung in dem Bereich. Er hatte damals das Snippet zu "Raro" gehört und meinte: "Deine Mische ist echt unterirdisch. Wenn Du willst, dann helf' ich Dir." Ich war heilfroh darüber, weil ich diesbezüglich wirklich keine Ahnung habe und es immer ein Glücksspiel für mich ist, wenn ich das selber versuche. Und so hat er mich auch dieses Mal wieder unterstützt und einen super Job gemacht.

Auch wenn ich gestehen muss, dass es immer etwas umständlich ist, rein übers Internet. Denn oft passt mir dann diese eine Adlib oder ein einzelner Hall nicht so ganz, und dann ist es oft mühsam, immer alles zigfach hin und her zu schicken. Oft sage ich an einem gewissen Punkt dann einfach: "Passt schon."

Es wäre halt was anderes, wenn ich dabei direkt neben ihm sitzen und mit rumprobieren könnte. Das wäre übrigens auch etwas, worüber ich in Zukunft wirklich gern mehr Kontrolle hätte. Also, dass ich mich entweder diese Misch-Skills selbst beibringe – oder dass ich tatsächlich physisch in diesem Prozess dabei bin und mitbestimmen kann. Einfach, um noch mehr Einfluss auf meine eigene Musik nehmen zu können.

Wie sieht Deine heutige Aufnahmesituation aus?

Mir ist sehr wichtig, möglichst in genau dem Moment, in dem ich einen Text oder Teile davon fertig habe, es auch direkt einzurappen, um den Vibe einzufangen. In letzter Zeit bin auch dazu übergegangen, dass ich schon während des Schreibens eine Rohversion einfach über das Handy-Mikro aufnehme, um den Moment und die Idee für die spätere Aufnahme festzuhalten.

Dann bau' meinen Pre-Amp und mein Mic auf und dann rappe ich das ein. Im Wohnzimmer. Klassische Home-Recording-Situation. Ich hab' da keinen speziell präparierten Raum oder so.

Im Wohnzimmer?

Ja, da hat's die beste Akustik, hab' ich festgestellt. (lacht)

Ist das immer noch das Equipment von 2006, aus Deinen Anfangstagen?

Ja, tatsächlich. Ich hatte zwischendrin mal so eine Phase, da hatte ich die Sachen schon bei ebay reingestellt und wollte sie verkaufen, weil ich mir so dachte: Okay, mit dem Kollegah-Feature hab' ich jetzt alles erreicht, was ich wollte. Jetzt reicht's auch langsam mal mit diesem lächerlichen Rap. (lacht) Aber irgendwie hab' ich's dann doch nicht verkauft und ein Jahr später war's dann auch schon wieder im Einsatz.

Und Dein Schreibprozess, wie kann man sich den vorstellen?

Das ist ganz unterschiedlich. Die Punchline-lastigeren Sachen entstehen meist fragmentarisch, in kleineren Einzelteilen. Die bau' ich dann zu ganzen Songs zusammen. Während des Schreibens entstehen weitere Lines, Ideen und Reime dazu und wenn's gut fließt, dann steht relativ schnell das Gerüst für den Song.

Bei Themen- oder Konzept-Tracks ist das schwerer zu erklären. Jetzt beim neuen Album war's häufig so, dass ich einfach Beats gehört hab', beim Hausputz zum Beispiel. Die Beatstars-App lief beim Staubsaugen, irgendwann kam dann dieses aggressive Brett, und in dem Moment hatte ich die Idee zur Hook von "Streif". Das hat sich angefühlt wie beim Skirennen, ich kann' nicht besser erklären. Es ist in so einem Moment einfach der Beat, der das aus mir rauskitzelt. Es kann aber auch sein, dass ich stundenlang Beats hör' und mir nix einfällt.

Manchmal entstehen die Ideen zu meinen Texten auch in den frühen Morgenstunden, wenn der Geist noch klar ist. Dann entwickle ich gelegentlich den einen oder anderen schlauen Gedanken, aus dem dann mal ein Text wird.

Aber das illustriert jetzt auch noch mal, was ich letztens meinte, wie mich dieser Prozess oft unaufhörlich begleitet und irgendwann auch nervt. Bei mir führt das wirklich schnell zu einer Art Kopf-Chaos, weil plötzlich alles nur noch darauf abzielt, Input für einen möglichen Text zu sein, und ich nicht mehr weiß, wie ich das steuern und kontrollieren kann.

Stichwort Beats: Wonach suchst Du die aus? Arbeitest Du auch selbst an Beats?

Nein. Ich bin, was den ganzen handwerklichen Teil der Produktion betrifft, ein absoluter Noob. Es würde mich schon interessieren, aber da steckt so viel Theorie drin. Und vor der eigentlichen Kreativität steht dann noch mal so viel Handwerk – das schreckt mich ab.

Als Seiten wie Beatstars noch nicht so mächtig waren, hatte ich Kontakt zu ein paar Produzenten. Die schicken einem dann meist so ein Paket mit zehn bis 15 Beats. Im ersten Moment ist man dann oft sicher, auf diesem oder jenem Beat was zu machen. Dann schreibt man denen: "Gib diesen Beat auf keinen Fall jemand anderem, da mach' ich definitiv was!" Und dann kommt: Nix. Aber ich denke, das sind die fast schon ein wenig gewohnt. Den Beat von Fiftys "Many Men" hatte beispielsweise auch Nas als erster gepickt. Der hat aber am Ende nix drauf fertig bekommen, dann ging der Beat weiter an Fifty und der hat dann seinen Hit draus gemacht.

Durch Beatstars fällt nun diese schlechte Gewissen weg und Du hast eine riesige Auswahl an qualitativ hochwertigen Type-Beats. Und dadurch auch an potentiellen Kreativitätstriggern. Für das aktuelle Tape hab ich jetzt zum Beispiel viel nach A$AP-Rocky- und Kendrick-Lamar-Type-Beats gesucht. Nach und nach finde ich so Produzenten nach meinem Geschmack. Da höre ich mich dann durch und suche mir Beats raus, vorwiegend etwas ältere. Balance Cooper zum Beispiel: Absolut krasser Typ, von dem allein hab ich drei Beats auf dem Album. Fast traurig, dass im Prinzip jeder auf diesen Beats rappen kann. (lacht)

Ich hab für "Blue Sky Szenario" auf jeden Fall einige Euros versenkt. Das waren locker 30 Beats, die mich im ersten Moment voll erwischt haben und letzten Endes dann aber doch auf der Ausschuss-Liste gelandet sind, weil ich nix drauf zustande gebracht hab' oder es beim Schreiben für mich nicht mehr funktioniert hat.

Klarerweise fehlt da aber der maßgeschneiderte Ansatz, den ein eigener Produzent ermöglicht, wie es jetzt zum Beispiel bei dem Track mit Prezident und Jay Baez war.

Du meintest, Du wählst bei Beatstars dann vorwiegend ältere Beats. Weshalb?

Weil es auch bei dieser Plattform so ist, dass die Produzenten – und damit ihre jeweils aktuelleren Beats – erst mit der Zeit exponentiell größer und bekannter werden. Wenn man bewusst nach den älteren Stücken sucht, ist die Chance größer, dass die nicht von ganz so vielen Leuten gepickt werden. Dann hat man ein bisschen die Illusion eines Exclusive-Beats.

Höre ich da die Lust auf eine Zusammenarbeit mit einem passenden Produzenten heraus?

Ja, total. Ich würde mir oft wünschen, an der einen oder anderen Stelle vielleicht noch etwas Kleines verändern zu können, die Snare auszusetzen oder einen Break einzubauen. Ich denke, da wäre bei mir noch sehr viel mehr drin, mit einem individuellen Produzenten. Ich habe beispielsweise schon länger eine Song- und Text-Idee in petto, die ich aber mit einem fertigen Beat nicht realisieren kann. Einfach, weil die erste Hälfte des Songs eine komplett andere Stimmung benötigen würde als die zweite. Sowas gibt es fertig nicht, und daher gibt es auch den Song nicht.

Ich hab in dem aktuellen Produktionsprozess auch gemerkt, dass es mir fehlt, mit anderen Leuten zusammen Musik zu machen. Denn im Prinzip findet das ja alles in meinem Kopf statt, in meinem Kämmerchen, vor meinem Computer. Ich glaube aber schon, dass sich meine Musik weiterentwickeln könnte, wenn ich andere Inputs bekäme. Und es macht auch mehr Spaß, sofern die Chemie stimmt. Das hatte ich jetzt schon mehrere Jahre nicht mehr. Das vermisse ich.

Wann war denn das das letzte Mal der Fall?

Ich hab' zuletzt 2013 ein paar Kumpels in Hamburg besucht, da haben wir ein bisschen was gemacht. Aber so richtig eigentlich nur während meiner Zeit in Regensburg, um 2009 rum. Seitdem nicht mehr.

"Es gibt kaum einen Rapper, der mal einen Track über eine starke Frau macht"

Welche drei Künstler inspirieren Dich aktuell? Gerne auch im Hinblick auf Dein aktuelles Album.

Auf jeden Fall Bad Bunny, das ist seit drei oder vier Jahren meine absolute Nummer eins. Sein aktuelles Album ist bei mir über mindestens zwei Wochen jeden Tag gelaufen. Wundert mich ein bisschen, dass der bei uns noch nicht komplett durch die Decke ging, aber das ist vermutlich einfach der Sprachbarriere geschuldet.

Als zweiten würde ich C. Tangana aus Madrid nennen, der hat in der Anfangsphase viel mit Rosalía gemacht und ist so ein bisschen der spanische Drake, könnte man sagen.

Und dann, lass' mich ein wenig nachdenken… ja, gut: Haiyti. Die macht auch Alben, die ich mir alle öfter als einmal anhöre. Die ist momentan der beste deutsche Rapper (sic), würde ich sagen. Die macht einen melancholischen Banger, dann wieder Trap-Shit und bleibt immer überraschend. Nach solchen Leuten such' ich.

Wo bist Du bei ihr eingestiegen?

Mit "City Tarif".

Wir hatten schon über Deine Covers gesprochen. Wie ist das Artwork von "Blue Sky Szenario" zu lesen? Melancholische Tennis-Noblesse lange vergangener Sommer mit Südfrankreich-Bezug per Lavendel-Overtake? Stammt das Bild auch aus Deinem privaten Fundus?

Nein, da muss ich Dich jetzt leider enttäuschen, das ist tatsächlich ein Stock-Foto, das ich per Zufall entdeckt habe. Ich hatte nach "blue sky" gesucht und dann kam irgendwann auf den hinteren Seiten dieser Tennisplatz. Der Fotograf hat eine ganze Reihe von Bildern verfallener Tennisplätze. Ich hab' vor drei Jahren wieder so richtig mit Tennis angefangen, der Sport genießt in Deutschland aber ja inzwischen ein totales Randdasein, von dem Boom vor 20 oder 30 Jahren ist nicht mehr viel da. Entsprechend verfallen auch die Tennisanlagen, unter anderem auch die, auf denen ich als Kind gespielt hab'. Und dieses Morbide hat's mir dann irgendwie angetan: Früher war das mal ein toller Ort, voller Leben und Spaß. Heute ist er verlassen, aber immer noch schön – nur anders. Und das sagt dieses Foto eben sehr gut aus, fand ich.

Du hattest schon erwähnt, dass Deine bisherige mediale "Unsichtbarkeit" keinem Masterplan folgte. Mit "Blue Sky Szenario" tauchten nun aber gleich mehrere neue und voll erkennbare Profilbilder von Dir auf. Ist das ein Schritt in Richtung mehr Öffentlichkeit?

Man braucht halt für jede Plattform ein Profilbild und ich nehme dann meistens einfach eins, das grade so rumliegt. Ich bin aber von meiner Persönlichkeit her auch kein Selbstdarsteller, der sich dauernd fotografisch reproduzieren muss, würde ich sagen. Mir war allerdings schon immer wichtig, dass der Fokus auf meiner Musik liegt und es keine Rolle spielt, wie ich aussehe. Ich weiß aber natürlich, dass das die Leute interessiert. Mit 18 wollte ich auch wissen, wie meine Rap-Idole aussehen, was die machen, ob sie cool sind und so weiter. Aber ich sah für mich selbst die Notwendigkeit dazu nicht. Und solange ich die Musik nicht professionell mache, bleibt's wohl auch so.

Ich könnt' mir auch vorstellen, dass das für viele Leute in Zeiten von Instagram und dem allgemeinen visuellen Overkill mal eine gesunde Abwechslung ist. Also dass sie nicht immer nur auf das Image der Leute geiern, sondern eben nur die Musik kriegen und sich mit dem ganzen Drumherum nicht beschäftigen brauchen. Vielleicht rührt ein Teil meines Zuspruchs auch gerade daher.

Lass' uns über die Musik sprechen. Erster Track, der Titelsong in der "Reworked"-Version. Im Vergleich zum früher veröffentlichten "Original", hast Du neben dem Piano-Instrumental auch den kompletten ersten Part textlich geändert. Warum?

Einfach, weil der Part auf dem neuen Beat nicht so gut geflowt hat. Und natürlich wollte ich auch für die Leute, die die erste Version schon kannten, noch mal ein bisschen was Neues bringen.

Mit Deinem Gesangs-Debüt hatte es nichts zu tun? Dass Du Dich damit vielleicht nicht mehr so wohl fühltest?

Nee, das finde ich cool. Ich denk', wenn man mit Autotune vielleicht noch an ein paar Silben geschraubt hätte, hätte man vielleicht noch ein bisschen mehr rausholen können. Aber es passt auch so voll. Ich feier' das Original ehrlich gesagt sogar mehr als die Album-Version. Wenn ich die Rechte für den Beat hätte, wär's so geblieben.

Auch insgesamt wird der Gesangs-Anteil seit "Raro" größer. Hier nun auch in Form von immerhin zwei Auftritten von Blanko Malte. Ist der "Blue Sky"-Malte auch der "Raro"-Gargmann?

Ja, genau. Malte wohnt in München, unsere Freundschaft geht auf die Regensburger Zeit zurück. Ich hab ihn damals zu RBA-Zeiten über MPH kennengelernt, wir gehen quasi schon way back. Ich wusste, dass er Indie-Mucke macht und singt und ich hatte ihn immer im Hinterkopf, für wenn's mal passt. Und bei "Raro" hat's eben dann zum ersten Mal gepasst. Und jetzt wieder.

Wobei Rap und Gesang ja nicht immer auf universelle Gegenliebe stößt.

Okay, aber das ist doch auch nicht mehr so, oder? Da hat sich schon viel verändert in den letzten Jahren, finde ich. Andererseits: Savas & Moe Mitchell braucht natürlich niemand … (lacht) Aber Blanko Malte und Harry Quintana, das passt schon eher. (lacht)

Nächster Song: "Z4M"

Ich weiß schon, was die Frage ist. (lacht)

Ja?

Warum da jetzt plötzlich ein BMW statt eines Audis die Hauptrolle spielt.

Exakt. Steht da wohl ein Paradigmenwechsel an, im Hause Quintana?

Die Antwort ist ganz banal: Ich hab' zunächst einfach auf den Beat gefreestylet und hatte irgendwann den Einstieg "Hater wissen, ich hab' Game" fertig. Dann hab ich die komplette Audi-Liste nach einem passenden Modellnamen abgesucht – aber leider Fehlanzeige. Und so musste der traditionelle Audi letztlich einem BMW weichen.

Über den Song "Streif" und seine Entstehung beim Hausputz hatten wir schon kurz gesprochen. Ich glaube, das ist eine weitere Premiere: Wenn ich nicht irre, hast Du bis dato noch nie eine Skisport-Referenz gebracht?

(Denkt nach) Hm, ich kann mich auch nicht erinnern… ja, stimmt.

Erst BMW, jetzt auch noch Skifahrer. Herr Quintana, muten Sie Ihren Fans da nicht ein bisschen sehr viel Neues auf einmal zu?

(lacht) Ja, das tut mir leid. Aber ich bin halt in Oberbayern aufgewachsen und wurde schon mit drei von meinem Dad auf den Skiern rumgeschoben – ob ich wollte oder nicht. (lacht) Ich mach' aber inzwischen auch selber so gut wie alles: Ski Alpin, Skitouren, Langlaufen und so weiter. Und so war's wohl nur eine Frage der Zeit, bis eine Skisport-Line kommt.

Der Beat zu "Streif" ist in meinen Ohren ebenfalls ein Novum. So atonal, dicht und brachial klang bisher nichts von Dir. Es fängt aber den körperlichen und geistigen Stress dieser Abfahrt sehr gut ein, könnte ich mir vorstellen.

Ist tatsächlich kein Beat, von dem man denken würde, dass ich den picke, gell? Total untypisch. Aber ich hab den Beat beim Staubsaugen gehört und war plötzlich auf der Piste. Direkt nach der Aufnahme war ich dann auch erst gar nicht mehr so sicher, ehrlich gesagt. Aber manchmal muss man sich auch selbst überzeugen: "Das wirkt jetzt nur in Deinem Kopf komisch, weil Du diese Art Beat nicht gewohnt bist, aber es ist ein guter Song. Also bleibt er."

"Keine Rolle" war lange online, dann ist auch dieser Song wieder verschwunden. Jetzt ist klar, warum. Was war denn der Aufhänger für diesen Song?

Das Ganze ist als eine Art Kritik am aktuellen Songwriting vieler Rapper gedacht. Da stellt "Sie" immer nur eine Art schmückendes Beiwerk dar, die eben dieses macht oder jenes tut. Aber im Prinzip spielt es keine Rolle. Die Frau als Dummchen, für das der Rapper ohnehin keine Zeit hat. Vor allem bei den Newcomern ist das ein wiederkehrendes Motiv, und ich hab' den Eindruck, dass das immer dann zum Einsatz kommt, wenn denen nix einfällt. Dann macht die Frau immer random irgendwas und ihr wird eigentlich keinerlei Persönlichkeit zugestanden.

Es gibt kaum einen Rapper, der mal einen Track über eine starke Frau macht. Oder einen, wo er in der schwachen Position ist. Deswegen sage ich in der Hook auch, dass ich gar nicht weiß, ob es solche Frauen wirklich gibt. Oder ob das einfach nur ausgedachte und super einfallslose, klischeehafte Figuren dieser Rapper sind. Das erschien mir in letzter Zeit so inflationär, dass ich das verarbeiten musste.

Ok, das macht den Song noch mal stärker, bisher hat er mich zugegebenermaßen immer etwas ratlos zurück gelassen. Was mich hingegen überrascht hat: "Das Kreuz" featuring Prezident. Zunächst: Wieso ist das ein Remix? Wo und wann erschien denn das Original?

Das Original ist in der Free-Download-Version als Bonus-Track dabei. Das Ganze kam so: Ich hatte den Track in der ersten, originalen Version mit meinem Part und der Hook soweit fertig und hatte für den zweiten Part an Prezident gedacht. Ich wollte schon länger mit ihm zusammenarbeiten und dachte, dass er genau da gut drauf passen würde. Nachdem er dann seinen Part aufgenommen hatte, war ich aber irgendwann mit dem Beat unzufrieden, und ab einem bestimmen Punkt hat der Song für mich einfach gar nicht mehr in das Tape reingepasst. Wenn man die erste Version hört, wird's klarer, was ich meine, denk' ich. Ich hatte Prezi dann vorgeschlagen, den Song später mal separat zu releasen, ihn aber eben nicht mit auf "Blue Sky Szenario" zu packen. Woraufhin er dann meinte, dass er noch einen unfertigen Jay-Baez-Beat rumliegen hätte, auf dem man das Ganze nochmal neu arrangieren und finishen könnte. Und so kam's dann zu der jetzigen Version auf dem Album. Mittlerweile hab' ich aber auch meinen Frieden mit der ersten Version gemacht.

Worüber ich mich im Nachhinein ein wenig ärgere ist, dass ich meinen Part für den Beat von Jay Baez nicht noch mal neu aufgenommen und angepasst hab', weil ich am Ende einfach mit dem Tape fertig werden wollte. Prezident hat das mit seinem Part gemacht – und das hört man. Mein Part passt, verglichen damit, leider nicht wirklich so perfekt in den Beat. Da bin ich einfach nicht perfektionistisch genug.

Du hattest Prezident auf "Raro" einmal erwähnt, was man aber auch als kleinen Seitenhieb hätte missverstehen können. Abgesehen davon sah ich bei Euch beiden bis dato keine Schnittmenge?

Ich hör' Prezident wirklich schon sehr, sehr lange. Für mich ist das auch einer dieser Rapper, die diesen Aha-Effekt auslösen und einen überraschen, mit dem, was sie machen. Wie er die Dinge formuliert – Dinge, die man selber vielleicht auch so sieht, sie aber niemals so straight auf den Punkt bringen könnte. Das kann in Deutschland außer ihm kaum jemand. Außerdem sind wir beide übers MZEE-Forum verbunden, und von daher weiß ich auch, dass er meine Sachen gern hört oder auch mal was von mir in seine Texten einbaut, als eine Art Hommage.

Das wäre die nächste Frage gewesen: Auf "Zonk" rappt Prezident die Line "Dein Lifestyle macht mich sad."

Genau das mein' ich.

Du sagst auf dem Track, dass Du mit 16 Schriftsteller werden wolltest – worauf die Welt seitdem zu warten hat. Hat Dein damaliger Wunsch, Texte zu schreiben, Dich so gesehen zum Rapper gemacht?

Also ich war mit 16 natürlich nicht zu 100 Prozent davon überzeugt, dass ich mal Schriftsteller werde. Oder eben nur so, wie man das mit 16 eben sein kann. Zu der Zeit war "Star Wars" und "Herr Der Ringe" grade sehr groß und ich wollte diese beiden Welten vermischen. Ich hatte zum Beispiel schon einen kompletten Stammbaum von meinen Herrscher-Geschlechtern aufgezeichnet und ganze Landkarten der kompletten Welt erstellt, wie Tolkien. Es entstanden dann auch die ersten neun oder zehn Seiten, und ich hatte mir vorgestellt, wie krass das alles wird, wenn das Buch erscheint und alle erfahren, dass ich ja erst 16 bin. (lacht) Dann wurd' ich 17 und dacht' mir: Ja, immer noch krass, mit 17! Dann wurd' ich 18 und 19 hab' tatsächlich irgendwann angefangen, Rap-Texte zu schreiben. Insofern könnte man das schon so sagen, ja.

Gibt's noch andere KünstlerInnen, mit denen Du Dir eine Zusammenarbeit vorstellen könntest?

(Denkt nach) Haiyti, am ehesten. Wobei ich nicht weiß, ob das funktionieren könnte. Auch Tightill fände ich spannend.

"Interessiert mich das überhaupt selbst genug, um daraus Musik zu machen?"

Nächster Song: Derart sonnig und gut gelaunt wie auf "Lago Maggiore" hat man Dich selten erlebt. Dazu Blanko Malte mit einer 1A-Performance am Gesang. Schielt da jemand auf den Sommerhit 2021?

Also, Kalkül lag da sicher keins dahinter, ich hab' mir dabei nicht gedacht: "So, und jetzt schreib' ich noch einen für den Sommer" oder so. (lacht) Ich hatte den Text tatsächlich schon länger fertig, der war eigentlich für einen anderen Beat gedacht. Über den See wollt ich schon immer einen Song machen, einfach, weil ich da viele schöne Momente verbracht habe.

Dann fand ich diesen Beat von Mixtape Seoul und dann hat einfach alles ideal zusammengepasst. Ich hab zwar noch mal kurz gezögert, weil der Beat wirklich sehr sunny ist. Aber Malte meinte, dass das super funktioniert und ich aufhören soll, nachzudenken – und so blieb's dabei.

Das meinte ich: Du hattest auch früher schon 'heitere' Songs. Aber entweder waren das dann angriffslustige Battle-Texte oder es schwang immer noch irgendeine Dissonanz mit, die den Song ins Melancholische oder anderweitig Doppelbödige kippen ließ. Das fehlt auf "Lago Maggiore" vollständig. Das ist neu. Was seit "El Camino" nicht mehr neu ist, ist dieser Spagat: Da gibt es einerseits Deine typisch lakonischen Angeber-Tracks, die dich klar über den Dingen positionieren. Diesen gegenüber steht dann immer diese Brüchigkeit in Form von Songs, in denen Du Deine Selbst- und Weltzweifel, mal offen, mal verklausuliert zur Schau trägst. Magst Du das vielleicht ein bisschen beleuchten?

Ich empfinde das einfach als eine Repräsentation meiner Persönlichkeit. Ich mag auch bei anderen Künstlern die melancholischen Vibes. Genau das macht einen Künstler spannend, dass er eben nicht nur eine Facette hat, sondern zum Beispiel auch mit Verletzlichkeit überrascht. Wichtig ist mir dabei, dass es dennoch mit einer gewissen Coolness passiert, also nicht auf eine weinerliche Art daherkommt. Und dass man es nicht erzwingt. Bei mir ergibt sich das immer organisch: Ich will Verletzlichkeiten und Probleme, die ich habe, ansprechen – aber auf eine souveräne Art. Um zu zeigen, dass es okay ist, über solche Dinge zu reden, ohne dass es einen Bruch darstellt oder andere Teile meiner Kunstfigur konterkariert.

Wäre ich nur eins von beidem, dann wär's mir wieder zu erwartbar. Dann wäre der Überraschungseffekt weg, weil man schon weiß, wie der nächste Song klingt. Das wird mir aber nicht gerecht. Ich hatte diese melancholischeren Songs immer schon gemacht, auch früher schon. Aber lange Zeit war es mir zu cheesy oder zu weinerlich oder einfach noch nicht gut genug verpackt. Daher habe ich die auch nie veröffentlicht. Mit der Zeit gelang es mir aber eben besser.

Und was sind denn die Songs, die bei den Leuten hängen bleiben? Das sind ja nicht die Punchline-Songs. Es sind die persönlichen Lieder, die man fühlt. Songs, die real sind, authentisch. Das sind die Lieder, die uns alle am meisten bewegen und die uns im Kopf bleiben. Jeder Musiker, der einen gewissen Anspruch hat, sollte versuchen, seine Persönlichkeit in die Musik reinzubringen. Klar, ich mag auch witzige Punchline-Tracks. Aber am Ende des Tages sind es diese anderen Songs, die mir etwas bedeuten. Songs mit einer Projektionsfläche, die dem Hörer Raum lassen für seine eigenen Gedanken.

Wie zum Beispiel der Song "Snapshots", in dem es vorrangig um Sportwetten geht, auf dem Du aber eben auch Sachen sagst wie: "Das Pimp-Gelaber ist im Endeffekt nur Schutz, damit ich mich mit meinem Kopf nicht auseinandersetzen muss / Ich hätt' vieles zu erzählen, aber alles wirkt banal."

Die Zeile hängt so ein bisschen mit der Frage nach Rap als Vollzeitjob zusammen: Ich will mich nicht komplett auf diesen Künstler-Job einlassen, weil ich mich dann viel zu viel mit meinem Kopf und mit meinen Gedanken beschäftigen müsste. Wenn ich dann einfach ein paar lockere, fiktionale Battle-Texte aufschreib', dann ist das Gefühl viel erträglicher und spaßiger, weil ich nix aus meinem Inneren rausziehen muss.

Und mit "banal" meine ich die Erkenntnis, dass ich ganz einfach keine wirklich existenziellen Probleme oder Schicksalsschläge zu verarbeiten hab'. Wie ein Grönemeyer, der einen Song über seine verstorbene Frau macht – das sind Themen, die unter die Haut gehen. Und da sind sie dann auch wieder, die Zweifel, über die Relevanz der eigenen Probleme: Interessiert mich das überhaupt selbst genug, um daraus Musik zu machen?

Andererseits geht's in "Snapshots", ganz banal, um Sportwetten: Du bist da ernsthaft investiert, richtig?

Ich hab schon vor 2013 hin und wieder gewettet, aber in dem Jahr ging's los, dass ich das öfter machte und das Thema tiefergehend verstehen wollte. Also wie die Wettanbieter und die ganze Industrie funktionieren. Wie sie es schaffen, die Leute zu ködern, und wie ich es schaffe, in dem Markt zu bestehen. 2018 hatte ich dann eine Phase, in der ich das auf einer semi-professionellen Ebene gemacht und so ziemlich alles zu dem Thema gelesen habe, was ich in die Finger kriegen konnte.

Man lernt unheimlich viel über sich selbst beim Sportwetten: Wie man unter Stress reagiert, wie Dein Kopf funktioniert und so weiter. Das hat sehr viel mit Psychologie zu tun, mit Risiko-Verhalten. Das hat es für mich, neben meinem generellen Sport-Interesse, sehr spannend gemacht: Zu lernen, meine Emotionen selbst zu steuern. Denn Emotionen sind das Schlimmste, was Du bei Sportwetten und beim Investieren generell haben kannst. Das ist übrigens auch das Sample am Ende von "Snapshots", das stammt aus einer Werbung für Sportwetten, in der sie einem das genau das Falsche vermitteln, nämlich sich auf seinen Instinkt zu verlassen. Das ist das Schlimmste, was Du dabei machen kannst, denn Dein Kopf spielt Dir Streiche. Und es ist auch super stressig. Unter anderem daher bin ich da seit rund einem Jahr auch wieder so gut wie komplett raus.

Vor 20 Jahren, also laut Wikipedia mit grade einmal zehn, das Nokia 3210 zu rocken oder im Vorschulalter Nazis killen in "Wolfenstein 3D" erscheint mir fragwürdig: Erzählt uns da Wikipedia die falsche oder Du in "Nostalgie Inc." eine fiktionale Geschichte?

(lacht) Teils, teils. Der Wikipedia-Eintrag ist nicht ganz korrekt, ich bin etwas älter. Aber ein Kumpel von mir hatte Mitte der Neunziger tatsächlich "Wolfenstein 3D" auf seiner MS-DOS-Mühle. Wir waren da neun oder so, und der hätte das natürlich niemals haben dürfen. Aber so verpixelt wie das war, hat man da ja auch noch keine so explizite Gewalt gesehen. Aber stimmt, wenn ich mit vier "Wolfenstein" gezockt hätte, dann würde ich heute wahrscheinlich andere Musik machen. (lacht)

Der Song illustriert ganz gut, was ich weiter oben meinte: Du erzählst darin detailliert von schönen Erinnerungen, verpackst es aber als etwas Traurig-Melancholisches, dem auch irgendeine Art von Makel anhaftet.

Der Track war ein guilty pleasure, denn das Nostalgie-Thema ist ja absolut ausgelutscht. Im Fernsehen laufen diese ganzen Formate, in denen die 70er, 80er und 90er von irgendwelchen B- und C-Promis nostalgisch verklärt werden. Oder in der Werbung: Wenn ihnen nix mehr einfällt, dann machen sie's über die Nostalgie-Schiene, um ihr Produkt zu verkaufen. Und so gibt's eben auch schon jede Menge Songs, in denen Musiker ihre Kindheit oder Jugend auf diese Weise verarbeiten. So gesehen ist so ein Track absolut nix Neues, und daher wollte ich dem Thema zumindest einen etwas anderen Spin geben.

Aber auf der anderen Seite ist Nostalgie ja auch etwas Schönes. Sich zurück erinnern ist etwas, das jeder liebt. Und so ist auch die Hook gemeint: Wenn ich so einen Song mach', dann bin ich auch Teil dieser Industrie und damit auch nicht besser als die Leute, die das Thema instrumentalisiere, um mit Deinen Erinnerungen Geld zu verdienen. Aber man kann es eben auch einfach akzeptieren. Eben weil es etwas ist, gegen das es im Grunde nix einzuwenden gibt.

Okay, letzter Track: "Immer weiter" ist mehr oder weniger Fortsetzung von "Weiter", dem Outro auf "Raro". Zunächst die Frage nach dem Titel, der ja auch eine Deiner markantesten Trademark-Lines darstellt: Olli Kahn, die Überfigur?

(Lacht) Also ich sehe Olli Kahn jetzt nicht als großen Philosophen, der mein Leben mit seinen Erkenntnissen bereichert hat. Aber er hat einfach sehr gute Quotables. Dieses "Immer weiter" ist sein bekanntester Spruch, würde ich sagen, insofern hat er mich da auf jeden Fall inspiriert, ja. Und klar, es ist super abgedroschen, aber manchmal sind so einfache Weisheiten auch einfach die Wahrheit. Es ist doch auch so: Man muss einfach immer nach vorne schauen im Leben. Es bringt einem nix, zurückzuschauen und Versäumnisse zu beklagen. Und das verkörpert er halt sehr gut, mit seinem extremen Ehrgeiz. Gut, ich bin, was das betrifft, ja nun nicht… also ich bin überhaupt nicht wie Olli Kahn (lacht). Vielleicht wär's gut, wenn ich ein bisschen mehr von ihm hätte.

Du sagst in dem Song: "Zwischen drei und sechs fällt mir das Glauben schwer." Was genau fällt Dir dort schwer?

Ich denk', das kennt jeder, wenn einem viele Dinge im Kopf herumspuken und dann wacht man auf – morgens, in den Geisterstunden. Dann kommen einem alle Probleme viel schlimmer vor, als sie es eigentlich sind. Draußen ist es noch dunkel, und die Gedanken werden dann zu richtigen Monstern. Aber sobald der Tag anbricht, werden sie kleiner und wieder in Relation gesetzt. Man kann sie realistisch einordnen und ist nicht mehr so überwältigt von ihnen.

Andererseits hatte ich ja vorhin schon erwähnt, dass ich gerade in diesen Stunden oft klarer sehe und auch oft die Ideen für meine Texte habe. Gleichzeitig werden aber eben auch die Probleme sehr viel schärfer gestellt, weil das Rauschen des Alltags fehlt. Aber ich glaube, der Mensch braucht dieses Rauschen einfach. Sonst würde man ja durchdrehen.

Verrätst Du uns, wer der spanische Sprecher in dem Song ist?

Nein, das müssen die Hörer selbst herausfinden. Dieses Mal ist es aber etwas schwieriger als bei "Weiter".

Denkst Du, dass dieser Mix aus Battle- und Themensongs sich so auch auf – hoffentlich zukünftigen Releases wiederfinden wird?

Ich glaube nicht, dass das so eindeutig planbar ist. Das sind oft einfach Zufälle, wie zum Beispiel dieser Song übers Skifahren. Und das ist auch gut so, denn dadurch bleibt's spannend und man wird nicht zum Reißbrett-Künstler. Außerdem kommt es ja auch auf die Stimmung an. Und man wird älter, wodurch ich mich immer weiter von den Battle-Tracks entferne, auch weil man vielleicht nicht mehr so dahinter stehen kann – selbst wenn's nur die Kunstfigur ist.

Aber, klar: Wenn mir gute Punchlines einfallen, werden die auch weiterhin in Tracks verpackt. Nur insgesamt könnte ich mir schon vorstellen, dass dieser Teil perspektivisch etwas weniger wird und es mehr in die andere Richtung gehe.

Und ja, es werden auf jeden Fall neue Tracks kommen, so ist zumindest der Plan. Ich weiß nicht, ob man auf ein neues Album jetzt wieder zwei Jahre warten muss – kann schon sein. Aber ich will auf jeden Fall regelmäßiger etwas releasen. Was auch immer 'regelmäßig' bei mir bedeutet. (lacht)

Du sagtest einmal: "Wer meine Zielgruppe ist? Ich kenn' meine Zielgruppe nicht / Ich glaub', meine Zielgruppe bin ich." Allein bei Spotify hast Du inzwischen über 55.000 HörerInnen und dank der Analyse-Tools vermutlich auch einen klareres Bild Deines Publikums. Hat das Einfluss auf Deine Arbeit?

Du hast Recht, ich kann dort unter anderem sehen, welche Altersgruppen ich erreiche. Da ist im Kern von circa 18 bis Ende 30 alles dabei. Ich denke, das hat auch damit zu tun, dass ich einerseits moderne Beats nutze, aber eben auch klassische 80- oder 90-bpm-Dinger, auf denen ein Newcomer heute nicht mehr unbedingt rappen würde. Das hat offenbar zur Folge, dass ich ungewollt ein relativ breites Altersspektrum mit meiner Musik abhole.

Aber eigentlich halte ich für es für sehr viel besser, seine Zielgruppe beim Musikmachen nicht vor Augen zu haben. Sonst ist man ja von den Erwartungen total fremdgesteuert und optimiert seine Musik dahingehend. Das wär' nix für mich.

Wärst Du interessiert an Live-Auftritten?

Ich habe den Eindruck, dass ein Großteil meiner Musik gediegener ist, mehr über die Texte funktioniert und die Hörer live nicht so abholen würde. Ich bräuchte außerdem Support, einen Back-Up und so weiter. Meine letzten Live-Auftritte waren immer bei LGoony, der mich als Gast dazu geholt hat, das war immer cool. Aber momentan sollte man eh nicht so auf Live-Auftritte setzen. (lacht)

Und wenn eine Anfrage vom Splash!-Festival käme?

(Denkt nach) Ich glaub', ehrlich gesagt: Nein. Ich glaub', ich hätte keinen Bock auf die ganzen Leute, das Szene-Gehabe und all die anderen Rapper da. Wenn, dann lieber eine einmalige Sache im kleinen Rahmen. Aber so ein Massenauflauf wär nix für mich. Ich war dort einmal als Besucher, in dem Jahr als Nas spielte und es so krass geregnet hat.

Splash! und Regen? Unvorstellbar. Letzte Frage: Was müsste passieren, damit Harry Quintana zum Vollzeitmusiker wird?

(Denkt nach) … bei 500.000 Spotify-Hörern überleg' ich's mir! (lacht)

Perfekt, dann haben wir ja ein Ziel. Ich danke Dir für das Gespräch!

Ich sag' auch danke, hat Spaß gemacht!

***

Teil 1 des Interviews findet ihr hier, auf ALL GOOD.

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