laut.de-Kritik

Jazz, Pop, Electro und ein norwegisches Wiegenlied.

Review von

"Euphrat", der erste Song von "Human Radio", fließt mit einem Groove aus Tombak und Dohol-Trommeln majestätisch und spannungsreich in die Gehörgänge. Das Streicher-Pizzicato lässt durch seinen sparsamem Einsatz aufhorchen und verschafft der erst nach zwei Minuten einsetzenden Melodie den gebührenden Raum. Dank seiner Fähigkeit, seinen Songs genügend Zeit für einen ausgefeilten Aufbau zur Verfügung zu stellen, überzeugte Johannes Enders bereits mit seinem Debüt "Monolith" (2003).

Seine Lead-Instrumentierung mit Tenorsaxophon und Bassklarinette erzeugt eine selten gespürte Atmosphäre, die die Melodien gekonnt in Szene setzen. Genau sie sind es nämlich, die Johannes Enders Musik so außergewöhnlich machen. Seine Melodien orientieren sich an stimmungsvoller Einfachheit und verleihen seinem 'reduzierten' Jazz eine Greifbarkeit, wie sie im klassischen Jazz oft vermisst wird.

"So Ro", mit der grandiosen Sängerin Rebekka Bakken erinnert an die mystisch-einsamen Stimmungen, die auch Sidsel Endresen in ihre Songs zaubert. Ein norwegisches Wiegenlied dient als Grundlage und haucht dem Song eine gediegene Portion Folkloristisches ein. Originell und Entbehrungsreich arrangiert, taucht "So Ro" die bei "Euphrat" erzeugte Atmosphäre in neue Farben (besondere Beachtung verdient das als Interlude wahrgenommene Outro!).

"Behind The Mirror" und "Your Ship" stellen abermals die sinnliche Stimme von Rebekka Bakken in den Vordergrund. Bei "North Hook" weht ein laues Latin-Lüftchen aus den Boxen. "Self Observatory" ist deutlich von den smoothen Raps und dem gedämpften Trompetenspiel von Ex-Tab Two Joo Kraus dominiert.

An Gästen mangelt es dem aufstrebenden Tenorsaxophonisten Johannes Enders eh nicht. Für "Human Radio" schart er eine ganze Riege potenter Musiker um sich, die - wie er selbst - an den nach allen Richtungen offenen Grenzen eines neuen Jazzverständnisses operieren. Joo Kraus, Rebekka Bakken und Roberto Di Gioia sind darunter 'nur' die Bekanntesten.

Irgendwo zwischen elektronischen Jazz, erwachsenem Pop, gutem Songwriting und einer ausgefeilten Klangästhetik bewegen sich die Kompositionen des Weilheimers, der neben Enders Room auch bei The Notwist, dem Tied & Tickled Trio und Fauna Flash zu hören ist. Eine stimmungsvolle Atmosphäre, viel Raum, ebenso viel Zeit und einfache Melodien auf nachvollziehbaren Harmonien sind das Potential der Enderschen Soundscapes. In der Tradition von Bugge Wesseltoft und dem Cinematic Orchestra widmet sich Enders Room dem zeitgenössischen elektronischen Jazz auf eine sensible, innovative und überzeugende Art.

Trackliste

  1. 1. Euphrat
  2. 2. So Ro
  3. 3. Free Filter
  4. 4. Behind The Mirror
  5. 5. North Hook
  6. 6. Self Observatory
  7. 7. June
  8. 8. Your Ship
  9. 9. Human Radio

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