laut.de-Kritik

Falco, Witt, Reiser, Hosen und andere im elektrorockigen Gewand.

Review von

Eisbrecher mussten aufgrund der Corona-Pandemie ihre Konzerte in Deutschland und im europäischen Ausland auf 2021 verschieben. Dafür nutzte die Band um Sänger Alexander 'Alexx' Wesselsky sowie Leadgitarrist und Keyboarder Noel Pix die Situation, um gleich an zwei Alben zu arbeiten. Das Cover-Album "Schicksalsmelodien" veröffentlicht sie nun als erstes. Eine Platte mit Eigenkompositionen soll im Frühjahr folgen.

Um sich mental auf die rund fünfzig Minuten von "Schicksalsmelodien" einzustellen, reicht schon ein kurzer Blick auf die Tracklist. Neben NDW- und Punk-Klassikern aus den 80ern überführt die Formation auch die ein oder andere klischeebeladene Metal- und Gothic-Nummer sowie ein paar wenige 90er-Jahre-Tracks ins elektrorockige Eisbrecher-Gewand.

Das Album leitet eine Neueinspielung von Spider Murphy Gangs "Skandal Im Sperrbezirk" ein, die mit fett bratzenden NDH-Gitarren und ergänzenden Keyboard-Spielereien Lust auf mehr macht. Nur ufert die Platte schon in den folgenden Tracks in Monotonie aus, da die Band nur selten einen Millimeter von ihrer vorhersehbaren Erfolgsformel abweicht und so den Vorlagen nichts nennenswert Neues abringt.

Auf Joachim Witts "Goldener Reiter" im stromlinienförmigen Industrial-Rock-Gewand hat die Welt ebenso wenig gewartet wie die x-te Coverversion von Falcos "Out Of The Dark", zumal Wesselskys tiefes Organ an die coole und arrogante Attitüde des Österreichers ohnehin zu keiner Sekunde heranreicht. Über den aufgesetzten Gothic-Pathos im Refrain legt man am besten gleich den Mantel des Schweigens.

Wenn Eisbrechers mitgrölartige Party-Rock-Version von Modos fremdschämartiger Eurodance-Schandtat "Eins, Zwei, Polizei" noch zu den besseren Songs des Albums zählt, ist nach unten noch Platz. "Schwarzes Blut", ASPs Liebeserklärung an die Schwarze Szene, macht schon im Original lyrisch vor keinem Grufti-Klischee halt, und sei es noch so ausgelutscht. Da braucht es nicht noch eine Version von Eisbrecher, die nahezu eins zu eins der schaurigen Vorlage entspricht.

Die Neueinspielung von Warlocks "All We Are" hat dagegen in den Strophen rhythmisch experimentellere Ansätze zu bieten. Die muten allerdings so hölzern an wie die schauspielerische Leistung Arnold Schwarzeneggers in den Terminator-Filmen. Im Refrain vernimmt man schließlich wie im unsäglichen Original, eine hohle, aufgeblasene Metal-Geste nach der anderen. Dazu schlägt die holprige Aussprache des Textes dem Fass endgültig den Boden aus.

Es gibt aber auch Positives zu vermelden. Rio Reisers "Menschenfresser" büßt auch in der Eisbrecher-Version dank des harten, straighten Riff-Fundaments nichts an zynischer Klasse ein, und Rheingolds "Das Steht Dir Gut" kommt mit markanter NDW-Rhythmik und nächtlichen Keyboards gegenüber den restlichen Neueinspielungen verhältnismäßig unverkrampft daher. Nur fand man die beiden Stücke schon auf den früheren Veröffentlichungen der Band.

Ansonsten hat nur noch "Stossgebet" nennenswerten Mehrwert aufzuweisen, das auch den entscheidenden Anstoß dafür gab, die Platte zu realisieren, kurz nachdem die befreundeten Powerwolf Eisbrecher um eine neue Version des Stückes gebeten haben. Die wartet mit kraftvoll epischen Gitarrenklängen im Midtempo auf, die der Band recht gut zu Gesicht stehen. Etwas mehr Mut zum Experiment hätte dem Album dementsprechend nicht geschadet. Am Ende hört man mit "Schicksal" noch eine instrumentale Nummer aus der Eigenfeder, die aus melancholischen Klaviertönen, schleppenden Beats und bildhafter Streicher-Begleitung besteht.

Letzten Endes muss man Eisbrecher zu Gute halten, dass sie sich auf "Schicksalsmelodien" für die ein oder andere geschmackliche Verirrung nicht zu schade sind. Das mutet schon fast wieder sympathisch an. Nur nähern sie sich ihren Vorbildern musikalisch so humorlos wie nur möglich an. Dynamik? So gut wie kaum vorhanden. Aber gerade deswegen kommt an der ein oder anderen Stelle eine gewisse Komik nicht zu kurz, wenn auch nur unfreiwillige.

Trackliste

  1. 1. Skandal im Sperrbezirk (Spider Murphy Gang)
  2. 2. Anna Lass mich rein Lass mich raus (Trio)
  3. 3. Disco in Moskau (Die Toten Hosen)
  4. 4. Out Of The Dark (Falco)
  5. 5. Stossgebet (Powerwolf)
  6. 6. All We Are (Warlock)
  7. 7. Goldener Reiter (Joachim Witt)
  8. 8. Freiflug (Megaherz)
  9. 9. Bitte, Bitte (Die Ärzte)
  10. 10. Eins, Zwei, Polizei (Mo-Do)
  11. 11. Flieger grüß mir die Sonne (Hans Albers)
  12. 12. Menschenfresser (Rio Reiser)
  13. 13. Das steht ihr gut (Rheingold)
  14. 14. Schwarzes Blut (ASP)
  15. 15. Schicksal

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