laut.de-Kritik

Der Hüftschwung des Todes.

Review von

Cola küsst Fanta, Milch treibt's mit Kinderschokolade, Pam und Al Bundy lieben sich, nur Adam Green und Peter Doherty müssen erst noch zusammen finden. Manche Kombinationen sind so organisch, so offenkundig gottgewollt, dass man sie gar nicht hinterfragt. Nun können Danzig, der Jiu-Jitsu-Pygmäe mit der wunderschönsten heulenden Stimme im Musikgeschäft und Elvis, der den Schwarzen den Rock'n'Roll per Hüftschwung gen Mainstream entriss, nicht mehr zusammen arbeiten, zumindest nicht mehr offiziell, da der King nur noch sporadisch gesichtet wird.

Danzigs erstes Elvis-Cover datiert auf 1993, das Thema beschäftigt ihn also nachweislich. Der Mann aus Memphis/Tennessee war mehr als "nur" ein klasse Entertainer: Elvis war ein wundervoller Sänger, der Timbre und Dynamik auf eine zuvor nie gehörte Weise vereinte. Glenn Danzig dagegen demontiert seit vielen Jahren sein Image durch Verotika-Absurditäten und einer Vielzahl an Alben, die sein Potential maximal andeuten.

Allerdings schrieb dieser Mann auch unsterbliche Songs wie "Until You Call On The Dark" und "Her Black Wings". Gesegnet von der großen Ziege mit dem schönsten Bariton der Welt sowie einem Volumen, das dem 64-Jährigen nur wenige Tenöre nachmachen. Glenn Danzigs musikalisches Schaffen existierte schon immer im Spannungsverhältnis aus Punk und Blues. Sein erstes Coveralbum "Skeletons" funktionierte in seiner rauhen Annäherung an den Punk zumindest streckenweise. Dort war auch bereits das biedere, aber gelungene Punk-Elvis-Cover "Let Yourself Go" zu hören. "Danzig Sings Elvis" bot sich also förmlich an, um die Blues-Seite des ehemaligen The Misfits-Frontmanns zu bedienen.

Sein ungeschminktes Antlitz auf dem Cover - eine Seltenheit, die den Ernst des Unterfangens demonstriert. Die Leadsingle "One Night" vernichtet jedoch aus dem Stand sämtliche Erwartungen. Eine grauenhaft blecherne, vor Hall strotzende Produktion und instrumentale Darbietungen auf Schulband-Niveau jagen über die gesamte Albumlänge Schauer über des Zuhörers Rücken, dass selbst Mister Pickles aka Luzifer neidisch wird. Prong-Chef Tommy Victor bietet eine durchgehend gruselige Vorstellung an der Gitarre. Drummer Johnny Kelly bleibt wohlweislich außen vor. Alle Spuren außer der Gitarre sind von Danzig selbst eingespielt, was gerade das monotone Schlagzeugspiel verdeutlicht. Den siebten Kreis der Hölle bildet die Abmischung der Stimme: Kühl, distanziert, mit offenbar einem einzigen Halleffekt belegt, beraubt sie Danzig seiner pathetischen, schmachtenden Stärken. Eine absurde Entscheidung.

So stellt sich bei "One Night" zwar ein leichtes Honky-Tonk-Feeling ein, das simple Auf und Ab kriegen die meisten Irish-Pub-Livebands aber auch hin. Der Vergleich mit dem Original treibt einem endgültig die Schamesröte ins Gesicht, denn an die sehnsüchtige, sich gegen das Unrecht, vor die Tür gesetzt worden zu sein, sträubende Zeile "Never did no wrong" kommt Danzig in keiner Sekunde heran. Es scheint nur darum zu gehen, Elvis in die Goth-Blues-Ecke des Danzig-Universums zu ziehen, dabei aber möglichst wenig Aufwand zu betreiben. Danzig äußerte vorab in Interviews, dass es Gesangsaufnahmen mit unterschiedlicher Härte und Aggressivität gebe. Stattdessen wirkt das Album wie eine einzige, müde Session.

"Is It So Strange" entfaltet eine gewisse Morbidität, "Always On My Mind" stellt kurzzeitig tatsächlich die gewünschte verstörte Stimmung her, das gilt umso mehr für das vom Country infizierte Album-Highlight "Lonely Blue Boy". Glenns Stimme ist selbst mit billigem Hall und fehlender Dramatik nicht völlig tot zu kriegen. Der Cringe-Alarm piept sich auf dem fingerschnippenden "Fever" zwar wund, die coole Heiserkeit in der Stimme schafft es allerdings gerade noch, den Song nicht wie Satire wirken zu lassen. In "Love Me" lallt Danzig wie eine versoffene Straßenkatze, nur ohne jede Wärme, jede Empathie in der Stimme. Das ständige Midtempo konterkariert die Grundidee, die Versionen in Danzigs Universum zu ziehen.

Die Elvisimitation "Baby Let's Play House" wäre auf dem Soundtrack von "Hotel Transsilvanien 4" nicht aufgefallen,"When It Rains It Really Pours" zeigt den Karaoke-Hochzeitsentertainer-Elvis, "Girl Of My Best Friend" hat höchstens Democharakter. Danzigs Stimme klingt zum Ende des Albums hin immer hohler. Es erscheint geradezu unglaublich, dass hier ein Mann am Werk ist, der schon einmal mit Rick Rubin zusammen gearbeitet hat. Danzig liefert weder schmachtende Balladen noch kraftvollen Bluesrock und begnügt sich mit stümperhaftem Gegniedel, einer grotesken Produktion und Songs, die sich anfühlen wie halbseitig gelähmt.

Trackliste

  1. 1. Is It So Strange
  2. 2. One Night
  3. 3. Lonley Blue Boy
  4. 4. First In Line
  5. 5. Baby Lets Play House
  6. 6. Love Me
  7. 7. Pocket Full Of Rainbows
  8. 8. Fever
  9. 9. When It Rains It Really Pours
  10. 10. Always On My Mind
  11. 11. Loving Arms
  12. 12. Like A Baby
  13. 13. Girl Of My Best Friend
  14. 14. Young And Beautiful

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