laut.de-Kritik

Mit herzerweichenden Melodien in die Apokalypse.

Review von

"Take Me Away From This Place" wiederholt Paul Noonan im Opener "Starlings Over Brighton Pier". Dieser Ausruf steht programmatisch für latte "Chop Chop" von Bell X1. Denn die Platte entführt ihre Hörer aus dem tristen Alltag in eine traumähnliche Welt voller Klangmalereien, Melancholie ("These Bulbs Are The Fluorescent Kind / No One Looks Good In This Light") und wunderschöner Melodien.

Schiefgehen konnte nicht allzu viel: Als Produzenten holten sie sich zwei Experten an Bord, die wissen, wie Songwriter und Indie-Pop mit Herz und ohne Kitsch funktionieren: Peter Katis arbeitete an den ersten zwei Alben von Interpol und mit Sigur Rós-Mitglied Jónsi. Mit Thomas Bartlett unterstütze ihn der Stammproduzent von The National, der auch Alben von z.B. Antony & The Johnsons in seinen Lebenslauf schreiben kann.

Erwähntes "Starlings Over Brighton Pier" lässt durch Piano-Arpeggien Flügel schlagen, Wellen rauschen, baut sich ruhig auf, bis ein kleiner Sturm aus Bläsern aufzieht. Im Gegensatz zu früher und zu Kollegen, die sich Synthesizer und anderer künstlicher Klangerzeuger bedienen, tritt das irische Trio sehr organisch auf: Gitarre, Schlagzeug, Klavier und vor allem Bläser dominieren. Bassläufe oder Synthesizer bilden eher die Ausnahme.

Ein weiteres Instrument trägt die Songs allerdings doch noch: Die Stimme von Paul Noonan. Fragil schwebt sie über sämtlichen Arrangements und ist zu großen Teilen für das Gefühl verantwortlich, man entferne sich aus der irdischen Sphäre. In "A Thousand Little Downers" erreicht sie Höhen, die Gläser klirren lassen, während sie in "Feint Praise" beweist, dass sich hinter der Zerbrechlichkeit auch eine ganze Menge Kraft und Seele verbirgt.

Schafft man es, dem Bann der Stimme zu entrinnen, entdeckt man die instrumentalen Höhepunkte der Platte."Careful What You Wish" malt das Bild eines verregneten Tages mit Guss-ähnlichem Händeklatschen und Regentropfen vom Klavier. "I Will Follow You" hält, was es verspricht und sucht die Gehörgänge mit hypnotisierenden Percussions heim, der zweitbeste Track auf dem Album.

Das Beste heben sich Bell X1 nämlich für den Schluss auf: "The End Is Nigh" verkündet die Apokalypse mit nervösem Geklimper und fatalistischen Streichern, die das Ende einläuten. "Whose Arms Will I Seek? / Whose Eyes Would I Meet In The Final Throws / And Say It Was Good To Be Human? / To Be A Human With You Here". Wenn Noonan nach diesen Zeilen schließlich ausruft "Hold Me It's Coming", sieht man vorm inneren Auge, wie sich die schwarzen Wolken über ihm zusammenziehen. Mit seinem Hang zur Dramatik erinnert der Song an die Killers, bloß ohne deren Nervpotenzial

Der Reise durch "Chop Chop" endet also im Weltuntergang. Wo andere tief in der Effektkiste gegraben hätten, halten sich die ehemaligen Bandkollegen von Damien Rice zurück. Der Charme der Platte liegt darin: Sie strengt nicht mit Experimenten an, fordert nicht mit aberwitzigen Klangkonstrukten heraus, sondern findet mit simplen Mitteln den Weg direkt ins Herz.

Trackliste

  1. 1. Starlings Over Brighton Pier
  2. 2. A Thousand Little Downers
  3. 3. Careful What You Wish For
  4. 4. Diorama
  5. 5. I Will Follow You
  6. 6. Drive By Summer
  7. 7. Motorcades
  8. 8. Feint Praise
  9. 9. The End Is Nigh

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