21. November 2022

"Immerhin bin ich der 'La La La'-Typ!"

Interview geführt von

Nach dem zweiten verschobenen Termin kommt der Zoom-Anruf schließlich zustande und ich erreiche Bbno$ (sprich: Baby No Money) verschwitzt und außer Atem an seinem Handy auf einer leeren Bühne im Proberaum eines Studios.

Er gähnt ein paar Mal, muss kurz ausloten, wo im Raum die Verbindung okay ist und stellt sich dann einen Stuhl auf den leeren Laminatboden. Es braucht ein paar Momente, in denen er sich durch den gewöhnlichen Interview-Modus hangelt, bis ihm das TikTok-Thema plötzlich zum Hals heraushängt und er ein überraschend direktes und ungeschöntes Gespräch über moderne Musikkultur und das Streaming-Zeitalter vom Zaun bricht, das so viel spannender ist, als jedes Gespräch mit dem "La La La"-Typen zu sein versprochen hat.

Na, wie geht's?

Ach, durchwachsen. Ich habe mich beim Mittag komplett überfressen und die letzte halbe Stunde vor dem Interview komatös auf dem Sofa herumgedreht und auf bessere Zeiten gewartet.

Passiert. Mir geht's aber auch dreckig. Die Tourvorbereitungen nagen an mir, wir sind jetzt schon drei beschissene Monate mit Proben zugange und es ist immer noch kein Land in Sicht. Und das ist ... nervig.

Aber läuft's zumindest gut?

Momentan ist es ja nur das musikalische Proben. Ich sitze gerade in diesem kahlen, nackten Raum und mache die Songs wieder und wieder, noch ganz ohne die große Show, die ich mir ausgemalt habe. Das ist alles einfach so viel anstrengender, als ich es mir ausgemalt habe.

Hast du mehr vor als bisher? Oder ist das einfach nur das Künstlerleben?

Nein, diesmal gehe ich richtig ab! Die Shows, die ich bisher gespielt habe, waren immer ziemlich schlicht. Die hatten kein Design, keine Produktion, keine Vision, kein Budget. Und für diese Tour habe ich mir ein Produktionsbudget von 300.000 Dollar aufgestellt. Es wird eine Show. Und ich habe Bock drauf! Ich will alles komplett in den Griff bekommen und denke mir zu jedem Blödsinn, dass es noch nicht so weit ist. Ich schaue jetzt ins Zoom-Fenster und merke, dass ich nicht mal einen gescheiten Haarschnitt habe. Warum sind die Wichser so lang? Na ja. Hier bin ich jetzt eben und das ist alles Teil des Spaßes. Das Leben ist gut.

Aber wenn wir es schon von Liveshows haben: Du hast in anderen Interviews immer wieder keinen Hehl daraus gemacht, dass du Songs durchaus auch mit Social Media und auch TikTok im Blick schreibst. Wie übersetzt sich das in eine gute Liveshow?

Ganz ehrlich? So vom Konzept her gedacht finde ich nicht, dass es einen großen Unterschied macht. Du musst am Ende des Tages ja einfach nur einen musikalischen Moment finden, der den Leuten im Ohr bleibt und da ändert das Prinzip TikTok das Spiel auch nicht so sehr, wie Leute immer tun. Ob Leute jetzt nur den TikTok-Teil oder nur den Refrain kennen, sowas gab es früher ja auch schon. Da hilft es nur, am Ende des Tages gute Musik zu machen, mit der Leute etwas anfangen können und die Energie im Raum wird schon stimmen. Kurz gesagt: Denke ich über TikTok nach, wenn ich Musik mache? Sicherlich. Wenn ich ein Motiv finde, das sich auf der App gut schlagen könnte, dann ist das einiges wert. Aber ich habe all diese Mucke live gespielt und gemerkt, dass sowohl die weniger beliebten als auch die beliebten Nummern ankommen.

Das ist interessant, gerade weil neulich erst dieser Clip von Steve Lacy viral gegangen ist, in dem die Crowd nach dem Ende des auf TikTok beliebten Stück seines Songs quasi von einer Note auf die andere grabesstill geworden ist. Hast du so etwas Ähnliches schon erlebt?

Jop, das passiert durchaus. Aber ganz ehrlich? Bei meinen Shows wäre mir das noch nicht so recht begegnet. Vielleicht, weil ich auch keine 100%-igen TikTok-Hits geschrieben habe. "La La La" wäre da der offensichtliche Kandidat, aber wenn ich das live spiele, dann kennt jede Seele in der Crowd gefühlt jedes einzelne Wort. Und dass Leute nur zwanzig Sekunden eines Songs kennen? Ich halte das für normal. Ist doch absurd zu erwarten, dass jede Person auf einer Show jede Zeile zu jedem Song kennt.

Klar, gibt ja auch genug klassische Popsongs, in denen Leute jedes Wort der Hook, aber kein Wort der Strophe kennen.

Ey, um an diesen Status heranzukommen, an dem Leute so krass viel Text von einem kennen, dafür müsste man schon ein gigantischer Popstar sein. Und das bin ich halt nicht. Ich gebe mir die beste Mühe, aber im Moment bin ich weit davon entfernt.

Wärst du gerne einer?

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es passiert. Wie ich gerne wahrgenommen werden würde? Als jemand, der solide Musik macht. Schau dir Taylor Swift an. Ihr Zeug ist nicht unbedingt mein Ding. Ich versteh, dass jetzt gerade eine Trillion Leute ihr Album hören, aber mein Ding ist es trotzdem nicht. Es ist also alles subjektiv. Klingt vielleicht platt, aber mir ist dieses ganze Image-Ding und diese ganze materialistische Idee vom Künstlersein ziemlich egal. Da kann man sich so lange im Kreis drehen und so viel drüber sagen, aber mir ist es echt egal - und wo ich jetzt angekommen bin, da will ich vor allem Spaß damit haben. Ich will Respekt vor mir selbst behalten und meine selbst gesteckten Ziele erreichen. Meine Schwester hat gerade ein Kind bekommen, ich bin bald auf Tour. Was könnte schon so schlecht sein?

Glückwunsch an euch! Es ist interessant, dass du dich da so einschätzt, auch diese Nähe oder Distanz zum Popstarleben, denn so, wie ich das gerade einschätze, bist du in deiner ganz eigenen Linie. Und da frage ich mich, ob du dich überhaupt der Community oder Szene oder was auch immer des Raps nahe fühlst?

Bro, ich mach einfach mein eigenes Ding. Versteh mich nicht falsch, ich finde richtig viele Rapper cool. Eines meiner Hauptziele für nächstes Jahr ist es, einfach eine Riesenmenge an Features aufzunehmen. Das macht so viel her. Ich weiß, dass Leute TikTok für diesen massiven Multiplikator halten, aber wirklich gute Musik zu machen, wird immer jede einzelne Marketingtaktik überdauern. Leute wollen doch auch nur gute Musik. Vergiss denn anderen Blödsinn, alles, was ihnen das nicht gibt, wird halblebig bleiben. Ich weiß, weil ich es ein paar Mal gemacht habe. Leute werden an kurzlebigen TikTok-Songs nicht haften bleiben, wenn es nicht irgendetwas daran gibt, das sie abholt und nachhaltig unterhält. Stell immer die Frage: Kommen von der Viralität echte Leute mit echten Streams zu deiner Musik? Dann war der Song geil. Dann war er wirklich einzigartig, hat cool geklungen und etwas Neues an den Start gebracht. Und das ist, wo ich meine Stärke sehe. Ich denke öfters außerhalb der Box und reiße Barrieren ein, wo andere Rapper sich dogmatisch auf ihren Stil festfahren würden. Ich habe Bock, Sachen auszuprobieren, die Komfortzone zu verlassen und genau darin liegt meine künstlerische Integrität. Und klar, lasse ich mit mir reden, von Artists, die mehr Peil haben als ich, von Produzenten, die Sachen können, die ich nicht kann. Ich habe ja auch klare Schwächen, zum Beispiel als Songwriter, ich weiß, dass da öfter noch etwas gehen könnte. Aber ich will nur, dass Leute sagen können: Bbno$? Der weiß, was er tut. Egal, wie es um meinen Erfolg gerade steht. Und ich will aus meinen Möglichkeiten das Allerbeste herausholen. Das ist der Plan.

"in jedem verdammten Interview muss ich über TikTok sprechen"

Aber das klingt doch eigentlich nach Hip Hop-Mindset durch und durch, oder? Schreib deinen eigenen Scheiß, mach dein Ding, halt deine Stellung. Bist du also doch ein Rapper-Rapper im Herzen?

Keine Ahnung, ob das so viel mit Hip Hop zu tun hat, ehrlich gesagt. Ich will mich nicht in eine Schublade stecken, ich will gar nicht groß auf Kategorien herumreiten, dafür ist es jetzt eh viel zu spät. Ich bin jetzt seit sieben oder acht Jahren all-in mit diesem Business. Manchmal arbeite ich fürs Business, manchmal fürs Leben. Und jetzt will ich verdammt noch mal die Früchte meiner Arbeit sehen und Spaß damit haben. Ist es dies, ist es das? Wer weiß. Ich frage mich nur, ob es mir Freude bringt. Und ob mich das zum Rapper oder nicht macht, ist mir auch egal. Meine Persönlichkeit widerstrebt es, sich nach solchen Labels zu sehnen.

Verstehe ich! Es ist eben interessant zu sehen, wie diese Verortung funktioniert. Was mich zu dem Thema auch interessiert: Du bist ja ziemlich gut mit Features, du kriegst viel aus Leuten heraus, kombinierst sie gut mit deinen Stilen, du hast selbst gesagt, Features sind weit oben in der Ziel-Hierarchie. Was suchst du in Kollaborateuren?

Normalerweise mag ich einfach die Musik von jemandem und dann weiß ich auch schon, was ich mir unter ihnen vorzustellen habe. Der Charakter - oder zumindest das ästhetische Empfinden - von Leuten scheint immer deutlich durch die Musik, die sie machen. Bei mir ist das ja auch so, ich denke, meine Musik repräsentiert mich als Typen eigentlich ziemlich gut, man kann auch durch lustige und alberne Songs ziemlich gut einschätzen, mit wem man es bei mir zu tun haben würde. Auch durch die Beats, die ich auswähle. Beatauswahl zeigt 99% der Persönlichkeit eines Menschen. Und wenn jemand da mit den selben Sachen warm wird wie ich, dann werden wir schon Freunde sein. Ich bin ja auch online sehr offen. Ich bin wie meine Fans, meine Fans sind wie ich. Und ich finde es cool, dass man sich da einigermaßen einschätzen kann. Genauso kollaboriere ich am Ende auch: Wenn ich jemand cool finde und Bock habe, Musik zu machen, dann schicke ich denen etwas, das zu ihnen passen könnte oder frage, ob sie mir etwas schicken können, das zu mir passen könnte. Und das klappt meistens ganz gut.

Wenn man sich deine letzten beiden Alben anhört, dann merkt man ja auch, dass du in dieser Hinsicht recht gut darin bist, starke Ideen oder Motive aufzubauen. Was denkst du, macht aus, ob Musik einprägsam ist oder nicht? Deine Fähigkeit für einprägsame Sounds dürfte ja auch der Grund sein, dass viele Leute dich so sehr mit TikTok assoziieren.

Hör mal. Ich habe Musik gemacht, sieben Jahre bevor es TikTok überhaupt gegeben hat. Mir ist im Grunde voll egal, ob Leute in mir jetzt einen TikTok-Artist sehen. Ich mag eben, was ich mag - und unglücklicherweise mag TikTok eben die Sachen auch, die ich mag. Im Umkehrschluss hat sich das halt so ergeben. Ich war ein Soundcloud-Artist, bevor es TikTok gegeben hat, und sobald TikTok dann irgendwann wieder eingeht, werde ich ein Artist von der nächsten Plattform danach sein. Wen juckt's. Ich bin ein Künstler, ich mag, was ich mache. Und wenn Leute das mögen, dann kann ich Kohle damit machen.

Alles gut, ich wollte dieses TikTok-Ding gar nicht so groß...

Nein, nein, nein! Schon richtig, darüber zu sprechen! Ich denke halt jedes Mal, wenn jemand sagt - "du bist ein TikTok-Artist!", dann sage ich: "Nein, ich bin ein Artist im Internetzeitalter. Ich bin, wer ich bin und mag, was ich mag. Ich habe einen Scheiß verändert für TikTok. Die Songs, die ich mache, weil ich sie cool finde, weil ich Samples oder Ideen gefunden habe, die mir verdammt viel Bock gemacht haben. Das ist halt mein Style. Der ist so. TikTok interpoliert meinen Style. Ich habe mir das nicht von außen erschlossen, ich und TikTok sind aus dem selben Schlamm entstanden. Und an sich ist es mir ja auch wurst, was Leute über mich sagen. Wenn sie mich als TikTok-Künstler kleinreden wollen, geht der Witz auf ihre Kappe, weil ich trotzdem Kohle damit mache. Ich bin reich, ihr könnt mich am Arsch lecken. Und am Ende ist das doch wie Nickelback: Jeder verarscht Nickelback. Warum eigentlich? Die verkaufen einen Arsch voll Tickets auf der ganzen Welt und haben fünf Diamant-Platten. Die sind reich wie blöd. Wer soll sich darüber lustig machen?

"Look at this photograph"

So ist das eben. Und wenn das mein musikalisches Schicksal wäre, fänd ich's trotzdem geil. Immerhin sind die jemand, immerhin bin ich jemand! Und wenn es hart auf hart käme, ich nie wieder auch nur einen halbwegs erfolgreichen Song machen würde: Immerhin bin ich der "La La La"-Typ. Weißt du? Bin ich halt ein beschissener TikTok-Artist, immerhin bin ich ein beschissener TikTok-Artist! Ich gewinne, oder? Ich gewinne!

Aber das stimmt ja auch nicht ganz. Es gibt diese richtigen Hardcore-TikTok-Artists. Ich denke da an ... zum Beispiel diesen "Death Bed"-Typen, wie war sein Name, Powfu? Der wirkt halt wirklich wie ein stinknormaler Dude, der irgendwann quasi aus Versehen einen Megahit gemacht hat, und von dem niemals irgendwer einen zweiten erwartet hat. Der chillt jetzt wahrscheinlich wieder in seiner Oberstufe und nicht mal seine Mitschüler erinnern sich an seine Platin-Schallplatte. Ganz so ist das mit dir ja nicht. Du bist eher so ein Fall von ... man kann sich das nicht anlernen, entweder man versteht es nämlich, oder man versteht es nicht. Du bist da sehr nah am humoristischen-musikalischen Zeitgeist. Bei dir habe ich nicht das Gefühl, dass du Trends forcierst, weil du natürlicherweise in tune mit ihnen bist.

Aber man kann definitiv Trends verfolgen? Wenn man sich clever anstellt, dann klappt das vielleicht auch. Aber 90%, 95% der Zeit geht es halt nach hinten los. Die Leute wollen eben etwas Authentisches. Leute wollen echten Scheiß. Und wahrscheinlich mache ich meine ganze Karriere schon das, was Leute das künstliche Herstellen von Authentizität nennen. Kann man so sagen, wer weiß. Es funktioniert auf jeden Fall. Und an welchem Punkt kann man die musikalische Qualität daran bemessen und wann hört das auf, dich zu tragen? Ich habe immer wieder Songs gemacht, die auf TikTok abgegangen sind, aber dann keine Streams bekommen haben. Es muss trotz all dem bescheuerten Hickhack am Ende des Tages ein geiler Song sein, um zu funktionieren.

Stimme ich dir 100% zu! Jetzt musst du mir trotzdem noch beantworten, was in deinen Augen einen Song einprägsam macht.

Ja, sorry, wenn ich deine Frage da jetzt ein bisschen gekapert habe. Aber in jedem verdammten Interview muss ich über TikTok sprechen und ich verstehe schon, warum. Glaub mir. Ich liebe diese Scheiß-Plattform. Ich bin so dankbar dafür, was es mit meiner Karriere gemacht hat. Aber in jedem verdammten Interview sitze ich da und muss den Repräsentanten der App spielen, erklären, wie das so ist, wie es funktioniert. Und das Ding ist: Wir alle wissen, dass es gerade der superheiße Scheiß ist. Und ich frage mich, was danach kommt. Auch, wenn es gerade keine Anstalten macht, sich zu verziehen, wird es natürlicherweise irgendwann seiner Wege gehen. Was kommt dann? Alle versuchen gerade zu analysieren, wie es geht, die Labels, die Presse, die Künstler. Vielleicht normalisiert es sich aber auch einfach so sehr, wie es Facebook oder Instagram getan haben, dass es irgendwann keine konkrete Formel dafür mehr geben wird, sondern es einfach nur ein generischer, langweiliger Teil unserer aller Leben ist. Und dann muss man auch wieder einfach nur ein Artist sein, weil es diesen Cheatcode nicht mehr gibt. Ich bin gespannt darauf.

"Nenn es gemeinen, dummen Fuckboy-Rap"

Ich kenne ja die anderen Interviews mit dir und habe auch schon mit anderen Artists in einer ähnlichen Position gequatscht, die den gleichen Grind machen. Mit Ashnikko habe ich letztes Jahr geredet, die war auch bis zur Oberkante satt davon, alten Leuten TikTok zu erklären. Aber gerade deswegen war ich total euphorisch, mit dir zu quatschen, weil du sehr reflektiert damit zu sein scheinst. Wer könnte besser die Wechselwirkung zwischen dem TikTok-Zeitalter und modernem Musikmachen, Songwriting und Sounddesign erklären?

Realistisch gesehen? Schau dir Drake an. Wie bleibt er an der Spitze des Games? Er arbeitet mit Leuten zusammen, die gerade durch die Decke gehen. Er hat eine Millionen Dollar, die er investiert, um irgendeinen Trend zu kapern, der ihn noch mal ein Jahr länger aktuell hält. Egal, welche Plattform, egal, welcher neue Artist. Das Konzept bleibt immer das gleiche. Es gibt eine neue Sache und Leute versuchen, sie auszuschlachten. So wird es auch jeder neuen Sache ergehen, die danach kommen wird.

Ich werde mich darauf stürzen, als hinge mein Leben davon ab. Augenblicklich. Da ist noch mal eine ganze Karriere drin versteckt. Ich habe ja schon einmal dadurch verkackt, dieses ganze TikTok-Ding nicht sofort wahrgenommen und mir ewig Zeit gelassen zu haben, mich da reinzustürzen. Und wenn ich mir da früher mehr Mühe mit gegeben hätte, wäre ich jetzt vielleicht doppelt so groß. Und das ist nicht schlimm, aber jetzt weiß ich's eben besser. Das ist, wie man wächst, das ist, wie man heiß bleibt. Aber am Ende bleibe ich bei meiner ursprünglichen Aussage: Wer geile Musik macht, der wird sich schon behaupten können, weil sich das immer durchsetzt.

Das ist interessant, darüber nachzudenken. Ich habe dein letztes Album "Bag Or Die" zuletzt immer mal wieder gehört. Und um ganz ehrlich zu sein: Als ich es das erste Mal ausgecheckt habe, auch wenn ich die Singles mochte, dachte ich nicht, dass ich es groß mögen würde. Diese Art von Trend-lastiger, Single-lastiger Musik hat einfach normalerweise nicht die geilsten Alben. Aber ganz ehrlich? Es ist super solide, von vorn bis hinten.

Danke, Mann, ich freu mich! (lacht) Ich mag, dass du deine Erwartungshaltung so ehrlich beschreibst.

Aber du raffst, was ich meine, oder? Wenn du jemand anders gewesen wärst und dein Album am Horizont wäre, was wäre deine Erwartung daran?

Ja, ich checke schon, was du meinst. Es ist halt schwierig. Natürlich wäre ich vermutlich mit einem halbgaren Ding davongekommen. Aber ich hatte dieses Mal wirklich den Anspruch, dass ich an jedem Song eine gute Weile sitze, dass ich mich nicht drumherum drücke und dafür sorge, dass jeder Song von Anfang bis Ende gut ist. Und das war ein reines Egoprojekt. Um ehrlich zu sein, es hat im Grunde absolut keinen Mehrwert mehr, geile Alben zu machen.

"Bag Or Die" macht sich kommerziell gerade viel schlechter, als ich es mir erhofft hätte. Und weißt du was? Es juckt kein bisschen für meine Karriere. Die Relevanz, die so etwas hat, ist komplett geschrumpft. Nächstes Jahr mache ich einfach 50 Singles. Es ist verrückt, oder? Wir haben uns wirklich in ein Zeitalter begeben, in der das Album als Medium quasi komplett überholt ist - und wenn man nicht gerade in einer Größenordnung ist, in der Algorithmen jeden deiner Schritte beflügeln werden oder du ein großer Album-Künstler bist, dann ist es völlig egal.

Wir leben in dieser Ära, in der ein gutes oder schlechtes Album keinen Einfluss auf deine Karriere haben. Es müsste jeder beschissene Song auf deiner Platte eine 10/10 sein, damit sich das rumsprechen würde. Und ich stehe mit Yung Gravy wahrscheinlich alleine an der Spitze unseres eigenen dummen Mikro-Genres, nenn es gemeinen, dummen Fuckboy-Rap, oder wie auch immer man es nenne würde. Und wir sind die, die das vorantreiben. Aber das Ziel war es auf jeden Fall, die ganze Zeit zu droppen, dieses Mikro-Genre voranzutreiben und an der Spitze dessen zu bleiben, damit Leute es nicht vergessen.

Das ist eben total spannend, genau das ist es ja, wie die Streaming-Ära, die TikTok-Ära, wem auch immer man das nun zuschreiben mag, die Rapszene beeinflusst. Leute wie Drake, Lil Baby, die Migos, sie machen in den letzten Jahren all diese gigantischen Playlists, auf denen dann der Algorithmus entscheiden darf, was am ehesten Single-Potential hat - und trotz guter kommerziellen Ausbeute sind diese Alben künstlerisch wirklich wenig erfüllend. Was war denn dann dein Antrieb, dieses Album zu machen? Dein eigener Stolz?

Yeah, doch, das kann man wohl so sagen. Ganz ehrlich, ich denke nicht, dass jeder Song da eine 10/10 ist, ich weiß, dass ich das nicht draufhabe. Aber ich glaube auf jeden Fall, dass es bisher meine beste Arbeit ist. Es ist die beste Musik, die ich bisher zusammengestellt habe. Habe ich es für die Kunst gemacht? Sicherlich. Habe ich es für Erfolg und meine Karriere gemacht? Bestimmt. Die Wahrheit ist: Ich habe jetzt mein verdammtes siebtes Album gemacht und ich habe jetzt gerade erst das Gefühl, dass ich einigermaßen okay darin werde, Musik zu machen.

Ich habe das Gefühl, dass du sehr im Bilde davon bist, was du gut und was du nicht so gut kannst - und gerade im Direktvergleich zu Tapes davor hast du gefühlt echt mehr den Knacks raus, worauf du dich konzentrieren musst. Hooks, lustige Lines, aber vor allem eben auch diese Sache, auf die ich vorhin so dringend rauswollte: Einprägsamkeit. Ich glaube, du bist gut darin, Musik zu machen, an die man sich erinnert.

Ja, danke! Ich weiß gar nicht, wie ich das anders beschreiben soll. Ich glaube, das ist wirklich einfach nur Persönlichkeit, die sich durch Musik äußert. Es ist, was ich mag. Wenn du dir meine ältere Musik anhörts, bei der ich auch noch deutlich involvierter in die Produktion war, dann hörst du schräge Adlibs, komische Mischen und alles klingt so seltsam klein. Und heute habe ich das Gefühl, dass ich genau die Elemente daraus gezogen habe, die sich zu entwickeln gelohnt haben. Ich habe Produzenten gefunden, die mir die richtige Energie geben, um Kreativität sprechen zu lassen. Und ich arbeite an Songs, wie ich sie gerne hören würde. Ich liebe es, schräge Sounds, schräge Klangkulissen vor mir zu haben, kleine Ohrwürmer und eine Menge Hooks. Und wenn ich ein Album darauf fokussieren konnte, dann war es für mich ein künstlerischer Erfolg.

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