Porträt

laut.de-Biographie

B-Tight

"Wer hat das Gras weggeraucht? Der Neger / Wer rammt dir den Penis in den Bauch? Der Neger / Wer ist immer down mit mehr als einer Braut? / Wer fällt immer auf, weil er grade baut? Der Neger." (B-Tight, "Der Neger")

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... äh, ja. Politische Correctness? Scheiß drauf! Klar, dass man mit dieser Haltung bei den einen gegen die Wand, bei anderen dafür aber offene Scheunentore einrennt. Da B-Tight, ehedem im Team von Aggro Berlin, zwischendurch auf gitarrigen Crossover-Pfaden unterwegs, mit "Retro" aber in Hip Hops Arme zurück gekehrt, seine Frechheiten mit breitem Grinsen von sich gibt, kann ihm jedoch im Grunde niemand lange böse sein.

B-Tight, mit bürgerlichem Namen Robert Edward Davis, zählt zur einstmals vierköpfigen Künstler-Truppe des Berliner Untergrund-Labels mit dem Sägeblatt. Eigentlich hätte er professioneller Basketball-Spieler werden wollen, doch eine Verletzung zwingt ihm eine andere Karriere auf.

Während Bushido (der Aggro nach einiger Zeit den Rücken kehrt) den messerstechenden Gangster und Sido das Drogenwrack repräsentiert, passt auf B-Tight vermutlich am besten die Bezeichnung Prolet. Die Texte des Berliners suchen in punkto Frauenverachtung in Deutschland lange ihresgleichen. Auch die häufige Zündung der N-Bombe wirkt nicht gerade salonfähig.

B-Tight selbst sieht zwei Seelen in seiner Brust: eine schwarze, eine weiße. Dem Kampf zwischen diesen beiden Persönlichkeiten widmet er seine Solo-EP "Der Neger In Mir" aus dem Jahr 2002. Auf dieser Platte bezeichnet er den Frankfurter D-Flame als "Scheißneger" und begründet damit einen überregionalen Beef.

Der musikalische Werdegang des B-Tight beginnt gemeinsam mit Sido auf Royalbunker. Hier gehen beide als Royal TS ins Rennen und veröffentlichen 1998 ihr erstes Tape "Wissen, Flow, Talent". Zu diesem Zeitpunkt leben die zwei in einer gammeligen Wohnung, hören Westcoast-Rap und dröhnen sich die Birne mit verschiedenen Drogen zu.

Sido ist damals 17, B-Tight 19 Jahre alt, die Beats stammen aus der Playstation. Es folgen die Tapes "Sintflows" und "Back In Dissniss". Schon damals formiert sich um Royal TS die Crew Die Sekte, bestehend aus Bendt, Mesut, Fumse, DJ Werd und Tony D.

Im Mai 2000 veröffentlicht B-Tight sein erstes Solotape "... Sein Album". Aus ungeklärten Gründen – vermutlich steckt ein Streit mit Royalbunker-Boss Staiger dahinter - wechseln Sido und B-Tight daraufhin zum frisch gegründeten Label Aggro Berlin. Um das "Royal" aus dem Namen zu entfernen, benennen sie sich in A.I.D.S. (Alles Ist Die Sekte) um.

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Bei Aggro releast der Rapper dann auch seine EP "Der Neger In Mir", die durch simple, eingängig pumpende Beats und kompromisslose Texte die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Splash!-Auftritte und Sampler rücken das Label schnell ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Das Indizierungsverfahren gegen Tracks von Bushido, Sido und auch B-Tight ("Psycho Neger B") tut das Übrige, um Anfang 2004 einen regelrechten Hype zu entfachen.

Mit dem Erfolg kommen die Neider: Auf zwei Tapes prügelt das ehemalige Eimsbush-Mitglied Charnell explizit gegen "SpackoBerlin". Die Sekte nimmt die Herausforderung an und disst auf Sidos Soloalbum zurück. Amerikanische Verhältnisse in Deutschlands Hauptstadt. Nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass es auf Aggro-Konzerten auch mal zu Messerstechereien kommt, dringen Erinnerungen an Biggie und Pac ins Bewusstsein. Die Juice jubelt A.I.D.S. zur "deutlichsten Rap-Gruppe Deutschlands" hoch.

"Als ich ihn das erste Mal sah, dachte ich, was für ein Spast", so Sido über B-Tight. "Damals hätte ich nie gedacht, dass es soweit kommen könnte. Doch jetzt arbeiten wir zusammen, chillen wir zusammen und ficken die selben Bräute. Ich weiß nicht wie mein Leben ohne ihn verlaufen wäre. Er ist der coolste, chilligste und ausgeglichenste Mensch, den ich kenne." B-Tights Texte lassen ganz anderes vermuten.

Regelmäßig und ausgiebig kommt er auf Aggros Ansage-Samplern zu Wort. Einige davon landen wegen jugendgefährdender Inhalte auf dem Index, wozu die Beiträge B-Tights durchaus einen Beitrag leisten. 2003 melden sich A.I.D.S. mit "Garnich So Schlimm" zurück. "Heisse Ware" mit Sektenpartner Tony D folgt im August 2005.

2006 steht ursprünglich der Longplayer "Bobby Dick" auf dem Programm. B-Tight – oder aber die Strippenzieher hinter Aggro Berlin – befinden Deutschland jedoch für "noch nicht reif" für diesen Output und stellen "Bobby Dick" zurück, statt dessen wirft B-Tight unter dem Titel "X-Tasy" ein weiteres Mini-Album auf den Markt. Die gewohnt prolligen Porno-Styles verderben so manchem Kritiker allerdings das Vergnügen an den über jeden Zweifel erhabenen, großartigen Beats von Tai Jason, Don Tone, Bock Auf'n Beat und Beatight höchstselbst. Letztgenannter dürfte dieses Risiko allerdings einkalkuliert haben.

Zumal er sich auf seinem Solodebüt kaum anders präsentiert. "Neger Neger", augenscheinlich als Nachfolger der EP von 2002 gedacht, vereint einmal mehr die Ergüsse der angesagtesten Synthie-Produzenten Deutschlands zu einem heftig pumpenden Musikerzeugnis, dessen textliche Innovation sich jedoch im Rahmen hält.

Sein Herz schüttet B-Tight jedoch auf der Bonus-CD der Promo-Edition aus, berichtet von der Liebe zu seiner Mutter, obwohl diese ihn und seine Schwester im Alkoholwahn mit dem Gürtel traktiert habe, kündigt seiner frisch gebackenen Tochter wegen eine radikale Änderung seines Lebensstils an und bittet den Allmächtigen im packenden "Das Geständnis" um Vergebung seiner Sünden.

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Das Mix-Album "Ghetto Romantik" steht 2007 ein wenig im Schatten eines Streites mit dem Münchener Jugendamt. Für eine Freigabe für Jugendliche hätte B-Tight Tracks wie "Ich Bins" aus seiner Playlist streichen sollen. An der später auch gerichtlich ausgetragenen Auseinandersetzung mit dem zuständigen Mitarbeiter des Amtes, die Aggro Berlin mit wütender Energie betreibt, scheitert neben einem regulären Konzert auch der Auftritt des Rappers bei den MTV Awards am 1. November in München.

2008 beschert B-Tight außer dem nächsten Album "Goldständer" das zweite Kind und die Hochzeit mit seiner Freundin, ehe das nächste Jahr die Karriere ordentlich durchschüttelt. Aggro Berlin streicht die Segel. Der Wechsel zum Major Universal gestaltet sich für B-Tight einigermaßen holprig. Rückblickend äußert er sich wenig begeistert über die Zusammenarbeit.

Trotzdem rollt die Sache. Tour: ausverkauft. Clubs: voll. B-Tight blickt zudem zunehmend über den Tellerrand, in jeder Hinsicht. Er kooperiert unter anderem mit dem Sohn von Wolfgang Petry, wendet sich aber auch rockigen Gitarrensounds zu. Davon kündet 2012 sein Album "Drinne", das in Zusammenarbeit mit Emil Bulls entsteht.

Unterdessen zum dritten Mal Vater geworden, tanzt B-Tight auf allen Hochzeiten: Bei Stefan Raabs "Bundesvision Songcontest" holt er einen siebten Platz nach Berlin, den das Hauptstadtpublikum feiert wie einen Sieg. Außer Auftritten beim Turmspringen (erfolgreich) und beim Promi-Boxen (weniger erfolgreich) hat B-Tight zudem sein Kino-Debüt hinter sich gebracht: An der Seite seines alten Kumpels Sido spielte er eine Rolle in "Blutzbrüdaz".

Die Rap-Fans kommen Anfang 2015 wieder auf ihre Kosten: Schon der Albumtitel "Retro" lässt eine Rückkehr in vertraute Gefilde ahnen. Die Gästeliste erledigt den Rest: Unter anderem gehen (natürlich) Sido, Frauenarzt, Tony D, Kontra K, Blokkmonsta, Karate Andi, Nazar, Eko Fresh, Vokalmatador und MC Bogy an den Start.

Nur ein Jahr später schlägt "Born 2 B-Tight" in die selbe Kerbe. Ein weiteres Jahr danach schlägt B-Tight schon mit dem Titel seines nächsten Albums einen Bogen zurück zu seinen Anfängen und fragt: "Wer Hat Das Gras Weggeraucht"?

Das könnte inzwischen tatsächlich längst bekannt sein. Seinen Werdegang fasste B-Tight schon im Vorfeld der Veröffentlichung von "Retro" in einem Track namens "Biografie" zusammen. Der schließt mit den Worten: "Das war mein Leben. Jetzt könnt ihr mich haten. Aber ich hatte wenigstens immer 'ne reine Seele." Wie gesagt: Dem Kerl kann man einfach nichts verübeln.

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