laut.de-Kritik
Starkes Lebenszeichen nach dem Beinahe-Ende.
Review von Gil BielerEs gibt einfachere Umstände, eine Band zusammenzustellen, als inmitten einer Pandemie, die ohnehin jeden Lebensbereich verkompliziert. Doch als das alte Nervosa-Line-up im Frühjahr 2020 implodierte, musste Gitarristin Prika Amaral handeln. Aufgeben war für das einzig verbliebene Bandmitglied keine Option. Stattdessen stellte sie eilig eine neue Band zusammen, stürzte sich in den Schreibprozess und kann nun mit "Perpetual Chaos" bereits das erste Album der neuen Nervosa vorlegen.
Die sind vom Trio zum Quartett angewachsen und nicht mehr rein brasilianisch, sondern zu drei Vierteln europäisch. Der musikalische Kurs aber, der bleibt derselbe: Thrash alter Schule mit gelegentlichem Death Metal-Einschlag wird ausgeschenkt – und zwar reichlich.
Das Songwriting stemmte Amaral weitgehend alleine. Daher nimmt sie sich auch das Vorrecht heraus, den famos angepissten Opener "Venomous" mit einem alleinstehenden Riff einzuläuten, bevor die Mitstreiterinnen dazustoßen. Das war's dann eh mit deren Zurückhaltung. Die Platte ist vollgepackt mit grimmigen Riffs, Growls und Doublebass-Geboller. Sepultura dienen Nervosa genauso als Vorbilder wie Achtziger-Slayer, das hört man. Nun ja, es gäbe schlechtere Referenzen.
Natürlich steht das Gitarreriff im Zentrum der Action, doch teilt Amaral das Rampenlicht vorbildlich mit ihren Kolleginnen. Sängerin Diva Satanica (ehemals Bloodhunter) weckt mit ihren kraftvollen Growls Erinnerungen an Arch Enemy, als dort noch Angela Gossow ins Mikro röhrte. Und welches Repertoire Schlagzeugerin Eleni Nota beherrscht, zeigt sich exemplarisch in der Abrissbirne "Guided By Evil": Im spooky Intro setzt sie mit Fills und einzelnen Schlägen nur Akzente, hat die Nummer dann aber Fahrt aufgenommen, rotiert das Doppelpedal und die Snare wird durchgeprügelt, dass es Laune macht.
Am wenigsten Gelegenheit zum Glänzen erhält Mia Wallace (Ex-Abbath). Ihr Bass verschwindet trotz klarer Produktion am schnellsten vom Radar, wenn die Band im vollen Schlächtermodus wütet – und das ist der Normalfall. Nervosa prügeln das Album weitgehend durch. Manche Songs lehnen mehr in Richtung Thrash, andere in Richtung Death, Raum für Experimente bleibt aber kaum. Es ist immer "Time To Fight".
Das lässt sich natürlich insofern erklären, als dass das Album ein trotziges Niemals-aufgeben-Statement nach dem Beinahe-Ende der Band darstellt. Und außerdem müssen Frauen im männerdominierten Metalzirkus nach wie vor um die verdiente Anerkennung kämpfen.
Dennoch hätte es ein bisschen mehr Variation vertragen. Zumindest in meinen Ohren verliert die Platte im zweiten Teil an Kontur. Die Treffsicherheit der Riffs und Hooks lässt nach. Umso gelegener kommen da die Gastsänger: Schmier von Destruction bringt im durchwegs thrashigen "Genocidal Command" eine neue Stimmlage ein und harmoniert sehr schön mit Diva Satanicas Geknurre. In "Rebel Soul" erklingt dank Erik AK von Flotsam And Jetsam dann sogar richtiger Gesang. Diese Abweichungen vom Standardprogramm steht der Platte gut, bis zum finalen "Under Ruins" schafft man es gleichwohl nicht in jedem Durchlauf.
Zwar gelingt Nervosa – vor allem angesichts der widrigen Umstände - ein beachtliches Album. Wer traditionellen Thrash im druckvoll-modernen Klangkleid sucht, wird hier fündig. Trotzdem wird es spannend sein, zu sehen, was dieses Line-up in einem normalen Songwriting-Prozess zustande bringt. Denn dieses Mal konnten die Neuen zwar Ideen und Songtexte einbringen, aber an ein gemeinsames Komponieren oder gar Jammen war covidbedingt nicht zu denken. Ein starker Grundstein ist mit "Perpetual Chaos" schon einmal gelegt - jetzt muss nur die verdammte Pandemie mal enden.
3 Kommentare
Overrated as fuck. Wäre das keine reine Frauen-Band, würde sich für diesen Biedermeier-Thrash wirklich überhaupt niemand interessieren.
Klar bockt die Stimme, aber musikalisch ist das halt nur fast stabil. Die Videos sind auch zum Gähnen. Warum soll man das nochmal feiern?
Furchtbar langweilig. Die "Lead" Gitarristin haut leider ein Stümperriff nach dem anderen raus. Wer sie mal live gesehen hat, weiß, dass ihre ohnehin grausam amateurhaften Soli noch schlechter als auf dem Album gespielt werden. Unentschuldbar. Dass die Nachfolgeband von Fernanda mit Sonia Anubis und co direkt im Voraus so abartig gehyped werden (ohne, dass etwas geschrieben worden ist) lässt ebenfalls tief Blicken. Furchtbar.