laut.de-Kritik

Anstrengend wie ein hyperaktives Kind.

Review von

Härter solle "Hypnotize" sein, munkelte so mancher Fan in den einschlägigen Internetforen. Aggressiver auch. Eine Beschreibung, die passt und trotzdem zu kurz greift. Schon in den ersten Sekunden stürzen derart heftige Stakkatogitarren auf den noch ahnungslosen Hörer ein, dass er nachempfinden kann, wie sich eine Katze nach dem Waschprogramm für Pflegeleichtes inklusive Schleudergang fühlen muss. Irgendwie leer vermutlich ...

In den melodiösen Zwischenteilen, die immer wieder eine kurze Erholung bringen, taumelt das Hirn orientierungslos umher. Kommt da noch was? Ja, da kommt noch was. Päng. Weiter geht's. Wie beim Freefall-Tower, wenn alles ausgeklinkt ist. Da nutzt kein Lamentieren - erbarmungslos stürzt die Apparatur dem Aufschlag entgegen. Kann bitte mal jemand einen Pulsmesser anlegen, wenn er diesen Song hört? "Attack" ist genau der richtige Name dafür, ein musikalisches Flächenbombardement.

Mit einem dicken Tapping-Intro beginnt "Dreaming", das wohl besser "Haunting Nightmare" geheißen hätte. In der Strophe ergibt sich eine unübersichtliche Gemengelage aus Serjs und Darons Gesang sowie Double-Bass-Frontalangriffen auf die Magengrube, bis endlich der Refrain für eine kurze Erlösung sorgt. Bin ich schon tot? "Dreaming" erinnert in seinen Strukturen leicht an "Chop Suey". Insgesamt entfacht der Auftakt noch kein Feuer. Überzeugend klingt anders.

Auffällig ist der hohe Gesangsanteil von Gitarrist Daron Malakian, der auch bis auf wenige Ausnahmen - ähnlich wie auf "Mezmerize" das Songwriting übernommen hat. Auch die Texte stammen mehrheitlich aus seiner Feder. Eigentlich erschließt sich nur daraus die höhere Präsenz am Mikro.

Denn: Welche Band, die einen Sänger mit einem Organ von Serj Tankians Qualitäten in ihren Reihen weiß, lässt stattdessen einen anderen mit wesentlich dünnerem Stimmchen singen? Zur Verstärkung für die atemberaubenden Zweitstimmenpassagen ist Malakians Klangfarbe aber auch als Sänger unverzichtbar.

Mit "Hypnotize" schickt der Vierer einen der entspannteren Tracks als Single ins Rennen. Von den Harmonien her wunderschön gestaltet, rockt es immer noch ganz ordentlich. Schon auf der Kölner Preview-Show im Frühjahr haben sie einige der "Hypnotize"-Tracks gespielt. Die Erinnerung an "Holy Mountains" ist geblieben. Sehr typisch arrangiert, mit schwelgerischen wie aggressiven Passagen, einem Daron Malakian, der die Zweitstimme hysterisch heraus kotzt wie kein zweiter.

Fast nahtlos fließen am Schluss "Lonely Day" und "Soldier Side" ineinander über. Vor allem "Soldier Side" ist ein Gewinn für das Album und ein großer Schlusspunkt, der nach Repeat verlangt - als einer der wenigen Tracks. Wunden lecken, aufrappeln. Noch mal von vorne? Sicher irgendwann. Aber muss es unbedingt sofort sein? "Hypnotize" ist anstrengend. Wie ein hyperaktives Kind, das nach Aufmerksamkeit schreit und wütend mit den Fäusten auf dem Tisch herumtrommelt.

"Mezmerize" klang verglichen mit dem neuen Brüderchen ausgeglichener, runder, einfach besser. Der Zugang zum Vorgänger fiel um Einiges leichter. Während "Mezmerize" den Hörer mit magischer Kraft in seinen Bann sog, stößt "Hypnotize" erst einmal ab.

Die stärkeren Songs finden sich hier nicht, im Gegenteil. "Hypnotize" als "Resterampe" seines Vorgängers zu bezeichnen - wie es seinerzeit viele mit "Steal This Album" taten - scheint ungerechtfertigt. Dennoch lässt sich der B-Seiten-Beigeschmack einiger Songs kaum wegdiskutieren. Was bleibt, ist die Vorahnung, dass sich "Hypnotize" wesentlich seltener in heimischen CD-Playern drehen wird als "Mezmerize".

Trackliste

  1. 1. Attack
  2. 2. Dreaming
  3. 3. Kill Rock 'n Roll
  4. 4. Hypnotize
  5. 5. Stealing Society
  6. 6. Tentative
  7. 7. U-Fig
  8. 8. Holy Mountains
  9. 9. Vicinity of Obscenity
  10. 10. She's Like Heroin
  11. 11. Lonely Day
  12. 12. Soldier Side

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21 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    omfg hilfe diese cd kritik ist ja wohl unterstes niveau. Ok vll nicht unterstes aber naja anders kann ich meiner Aggression wohl keine Luft verschaffen. Gut so dasman den unterschied zwischen Leserwertung und redaktion sieht. Meiner Meinung schlägt Hypnotize genau den Ton an den man nach Mezmerize braucht. Die umkehr der Songstrukturen und Klangkollagen und das Ziel die Kontraste auf die Höhe zu treiben Die verschiedenen Kontrastfarben die spätestens seit Mezmerize bekannt sind noch knalliger hervorzuheben. Dieses Meisterwerk treibt das alles auf die Spitze rundet es am Ende ab sodass man, so scheint es mir wieder bei mezmerize anfangen muss um sich ein bisschen erholung für noch einen durchlauf zu gönnen.

    Harmonisiert einfach perfekt mit Mezmerize das kannman wohl kaum leugnen. also liebe Reaktion überdenkt euer urteil vielleicht nochmal :D

    So weit so gut

  • Vor 17 Jahren

    Und ein weiteres High 5 zum Geniestreich dieser Kommentarfunktion! :D

  • Vor 17 Jahren

    Der ist eh angemeldet, und ganz abschaffen willst die Funktion auch nicht, oder?