laut.de-Kritik

Eine Bergpredigt im Gitarreninferno.

Review von

"Give up your dead!" Mit diesem ebenso kryptischen wie lakonischen Einzeiler beschreibt David Eugene Edwards sein neues Wovenhand-Album. Einmal mehr bietet es einen wilden Ritt durch Rockgewitter, Erweckung und Bergpredigt. Elf Gitarrenwände für ein Hallelujah!

Musikalisch wird Edwards von Platte zu Platte derber. Der "Laughing Stalk" war 2012 Anfang dieser Erdigkeit, "Refractory Obdurate" geriet zwei Jahre später noch bissiger. Auf "Star Treatment" klingen die Gitarren nicht länger spröde, sondern regelrecht martialisch. Hinzu treten diese kraftvollen Vocals, die mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen manischer Getriebenheit und in sich ruhender Coolness changieren. "Run! Come brave sun!"

Edwards fühlt sich nach wie vor wohl in der Rolle eines "Jim Morrison als Templer" ("Swaying Reed"). Dabei erinnern die Rock-Attacken an die befreundete Australo-Noiseband Crime And The City Solution, auf deren Album "American Twilight" er als Teilzeitmitglied fungierte. Anhänger früher Nick Cave/Birthday Party-Scheiben kommen natürlich auch wieder auf ihre Kosten ("The Quiver").

Edwards' Metaphern und Allegorien in den Songtexten geraten beeindruckend wie eh und je. Hinzu treten Philosophie sowie ein abrahamitischer Anspielungskanon, der sogar gestandene Religionswissenschaftler herausfordern dürfte. Im thematisch engeren Sinn liegt "Star Treatment" der Gedanke zu Grunde, dass im menschlichen Geist ein stetes Ringen zwischen Gut und Böse stattfindet. Es ist ein Kampf, in dem sich das Göttliche und das Dämonische simultan manifestiert.

Edwards driftet dennoch nicht ins Missionarische ab, seine Stimme dokumentiert lediglich die eigene Sichtweise. Ob man ihm und seinem Gott folgen mag, interessiert ihn ohnehin nicht. Dieser in der Musik gelebte Individualismus unterscheidet ihn von nahezu allen anderen Acts, die im Showbiz mit religiöser Symbolik hantieren.

Die hochgradig intensiven Stücke "All Your Waves" und "Go Ye Light" dürften jene Fraktion versöhnen, die vor allem auf frühe Wovenhand oder 16 Horsepowers Überalbum "Secret South" abfahren.

Trackliste

  1. 1. Come Brave
  2. 2. Swaying Reed
  3. 3. The Hired Hand
  4. 4. Crystal Palace
  5. 5. Crook and Flail
  6. 6. The Quiver
  7. 7. All Your Waves
  8. 8. Golden Blossom
  9. 9. Go Ye Light
  10. 10. Five by Five
  11. 11. Low Twelve

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LAUT.DE-PORTRÄT Woven Hand

Woven Hand sind ein 2001 gegründetes US-Projekt von David Eugene Edwards, dem ehemaligen Kopf der aufgelösten Alternative-Country Band 16 Horsepower.

5 Kommentare mit 16 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Das Album ist großartig. Rock'N'Roll aufm Indianerfriedhof

    Mein Favorit war ja bis jetzt "Mosaic". Bis jetzt. Stimmt, dass sich der Sound seit "Laughing Stalk" verändert hat. Ist auch bis jetzt das einzige Album mit dem ich nicht so richtig was anfangen kann. Aber das hier... ich weiß nicht, den neuen Weg den DEE eingeschlagen hat, ist er konsequent zu Ende gegangen. Jetzt machts für mich Sinn!

    Besonders gut finde ich im Moment: "The Hired Hand", "Crook and Flail" und "All your Waves".

  • Vor 7 Jahren

    hi, "gute nacht",

    "all your waves" finde ich auch so großartig. haut mich komplett um.

    wenn man "mosaic" und co liebt, ist die umstellung natürlich erst einmal nicht leicht, klar. bin mir jedoch sicher, dass der "laughing stalk" dir mittlerweile besser munden würde, so er noch ne chance bekäme.

    ein tipp:

    DEE hat hörbar viel von crime & city solution" oder dem großen rowland s. howard gelernt.

    JEDEM wovenhand/16 hp-freund würde ich dieses zu lebzeiten oft (zumindest hierzulande) verkannte genie ans herz legen wollen.

    howard ist ein extrem intensiver songwriter und top lyriker gewesen. check ruhig mal das hier an; heißt "silver chain" und ist einer seiner ewigen burner:

    https://www.youtube.com/watch?v=MTNsAl0PHrI

    • Vor 7 Jahren

      Ne, Laughing Stalk und ich werden nicht mehr beste Freunde. Jedesmal, wenn ich die drin hab und "Long Horn" einsetzt denke ich "Ja das ist es" ...aber dann flachts ab. Natürlich immer gemessen an seinem sonstigen Output.

      Wie ist denn sowas Geniales wie Rowland S. Howard nur an mir vorbeigegangen? Deswegen hab ich mich hier angemeldet! Großartig! Vielen Dank dafür!

      Und... Passt zwar nich ganz, aber da Howard Australier ist und wir über den spirituellen Edwards sprechen, kam mir grad noch eine Band in den Sinn, die ich vor kurzem live erleben durfte und mich ziemlich gepackt hat. Mein Tipp für dich, wäre also "Hugo Race (and the True Spirits)". Aber wahrscheinlich kennst du den als Nick Cave-Verehrer sowieso ;) https://www.youtube.com/watch?v=DBA3WyfaBvs

    • Vor 7 Jahren

      klar, hugo ist auch eine der großen nummern dieses mikrokosmos. dank dir und ja: klar mag ich den sehr.

      wo wir gerade bei australischen ikonen sind, habe ich noch einen: louis tillet!

      Tillett ist ein ebenso sensitiver wie kraftvoller Songwriter. Bis zum Rand gefüllt mit Blues und Neoklassik. Alle Emotion, aller Kampf gegen die innere Dunkelheit ist authentisch. Mit den folgenden zwei Stücken und der gesamten CD schrieb er 1992 gegen suizidalen Drang samt Hardcore-Depression an und obsiegte. Der Mann schrieb, spielte und sang buchstäblich um sein Leben.
      https://www.youtube.com/watch?v=gIJRH6LLLvA

      Der zweite Track ist eine Vertonung Dylan Thomas' “Do Not Go Gentle Into That Good Night”. Tillett überlässt die Vocals der charismatischen Mary Ellen Stringer, die das gesamte Lied lässig erobert.

      https://www.youtube.com/watch?v=N7dKpJMhiXM

    • Vor 7 Jahren

      Ok, seh schon, dass ist was zum Einhören + Einlesen. Das erschließt sich mir auf jeden Fall nur bedingt beim ersten Reinschnuppern ;) Läuft jetzt erst Mal im Hintergrund beim Kochen (Vergebung). Vielleicht komm ich rein :D

      Du bist ja allgemein sehr Text-affin. Das gelingt mir bei allem was nicht muttersprachlich ist, aber nicht ohne größeren Aufwand, deswegen entgeht mir da oft einiges.

    • Vor 7 Jahren

      menstruiert gute nacht immer noch?

    • Vor 7 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 7 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 7 Jahren

      Memo an mich: Nicht besoffen posten. Ich verbleibe mit einem Ja.

    • Vor 7 Jahren

      das kenne ich. ist aber nen gewohnheitsding. ich verfasse 80% meiner postings betrunken.
      :kiss:

    • Vor 7 Jahren

      80% ist natürlich ne erstrebenswerte quote.
      könnte ich mich nur annähern, wenn ich auf der maloche auch den flachmann kreisen lasse.

    • Vor 7 Jahren

      Australien ist wie Detroit, irgendetwas muss dort im Grundwasser sein oder saugen dort die Kinder schon mit der Muttermilch auf, das quer durch die Jahrzehnte so großartige (Rock)Bands hervorbringt.

      Geheimtipp: Suzie Stapleton
      https://www.youtube.com/watch?v=mZkLN8-3Cb8

      PS: Bei R.S. Howard nicht seine Band These Immortal Souls oder die Kollaborationen mit Nikki Sudden, Jeremy Gluck und Lydia Lunch vergessen :)

    • Vor 7 Jahren

      "irgendetwas muss dort im Grundwasser sein", da kann Brooke Fraser ein Lied von singen.

      Danke für die Tipps.

    • Vor 7 Jahren

      ...und da sind wir noch nicht mal bei dem herausragenden werk ed kueppers gelandet....in gewisser weise mein besonderer liebling, weil er lebenslang so unermüdlich nach dem perfekten song sucht. ...und er weiß selbst, dass das wahnsinn ist:
      https://www.youtube.com/watch?v=pYw7CLeSJNU

  • Vor 7 Jahren

    ich mutmaße, dass "Give up your dead!" referenz auf matthäus 8:22 ist wo es sinngemäß heisst:" But Jesus saith unto him, Follow me; and leave the dead to bury their own dead"

  • Vor 7 Jahren

    Geiles Album mal wieder, die nächste 5/5. Auf Edwards kann man sicher setzen