laut.de-Kritik

Ein echter Dudelsacktreter für die kreativ darbende Szene.

Review von

Dem Mittelalterrock haftet das Image eines zopfigen Wurstgenres an. Langweiliges Pathos mit immer denselben metseligen "Frau gib den Trank, das Hirn liegt im Schrank"-Texten und überforderten Sängern ist leider keine Seltenheit. Saltatio Mortis sind aus anderem Holz. Das Rad erfinden auch sie nicht neu. Dennoch überzeugt die aktuelle Platte "Das Schwarze Einmaleins" auf ganzer Länge. Unbequeme Botschaften, gute Storylines und eine im positiven Sinne abgezockte Rockproduktion zeigen die Band in Hochform.

Das Album rückt die Mittelalterfolklore ein wenig mehr in die zweite Reihe. Meist dient sie lediglich zur Untermalung und Verzierung der konsequent Rock-orientierten Strukturen. Mit den elektronischen Anfängen der ganz frühen Tage hat das Gebräu nichts mehr gemein. Hier ein wenig Metal ("Nur Ein Traum") untergemischt, gelegentlich sogar ein zünftiges Quäntchen songdienlichen Powermetals beigemengt - das verleiht der LP einen offensiven Drive, der die Saltis vor dem Absturz in die Gefilde angedunkelten Kitschrocks bewahrt.

Saltatio Mortis reduzieren sich und ihre Songs nicht auf ein romantisiertes dunkles Zeitalter. Beide Beine bleiben textlich meist im hier und jetzt verwurzelt. Nostalgiekasper? No Way! Herrlich, wie sie mit fettem Bass fast in Schweisser-Manier und rotziger Punkattitüde die deutsche Nationalhymne zurecht stutzen und dem endzeitkapitalistischen Zeitgeist unserer Tage ein paar Goldzähne raus hauen: "Wildes Wachstum heißt auch Krebs / Wachstum, Wachstum über alles / Über alles in der Welt / Danach lasst uns alle streben, bis der letzte Groschen fällt / Eitelkeit und Bier und Ego sind es, was die Welt erhält". Sehr erfrischend, ab dafür!

Das ebenso metallisch angehauchte "Krieg Kennt Keine Sieger" glänzt in der ersten Strophe mit filigranen Akustikgitarren und setzt auf alle engstirnigen Glaubenskonflikte in dieser Welt einen großen Haufen. "Aus dem Vater und dem Sohn werden Gotteskrieger / Krieg kennt keine Sieger." Und das uneitle "Idol" kommt trotz all karussellhafter Eingängigkeit dennoch als echter Dudelsacktreter um die Ecke.

Der vertonte Pakt mit dem Bösen - "IX" - animiert zum Mitsingen, nebenher noch prägnante Zeilen wie "Ein Kuss reicht aus für den Verrat!" eingestreut. Nicht nur bei der "Galgenballade" oder der "Randnotiz" zeigt Sänger Alea der Konkurrenz, wie man auch ohne den Segen einer naturgegebenen Charakterstimme voluminös, sensibel, blitzsauber und voll emotionaler Ausstrahlung das eigene Handwerk beherrscht.

Mein persönlicher Höhepunkt ist "Der Sandmann". Mit musikalisch ausgefeiltem Spannungsbogen und lyrischen Worten kredenzen sie der kreativ darbenden Musikrichtung so etwas wie die Blaupause des unpeinlichen Mittelalterrocksongs. Opulenz ohne die Schneckenschleimspur Marke "Geboren Um Zu Leben"!

Ohne die Genregrenzen zu atomisieren fegt die Scheibe als frischer Wind durch die Szene. Saltatio Mortis hätten mit dieser Platte genau jenen Erfolg verdient, den die Altmeister In Extremo seit Jahren genießen. Wenn solche Musik der typische Totentanz sein soll, darf man sich getrost aufs eigene Dasein als Zombie freuen.

Trackliste

  1. 1. Früher war alles besser
  2. 2. Wachstum über alles
  3. 3. Krieg kennt keine Sieger
  4. 4. Der Kuss
  5. 5. My Bonnie Mary
  6. 6. Der Sandmann
  7. 7. Satans Fall
  8. 8. Idol
  9. 9. IX
  10. 10. Galgenballade
  11. 11. Abrakadabra
  12. 12. Nur ein Traum
  13. 13. Randnotiz

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LAUT.DE-PORTRÄT Saltatio Mortis

Saltatio Mortis, der Totentanz. Wer sich solch einen Namen aussucht und sich auch des entsprechenden historischen Hintergrundes bewusst ist, der bringt …

13 Kommentare

  • Vor 10 Jahren

    @Freibeuter (« Was ist das denn bitte für ein Cover? Manowar meets WoW? »):

    Gar nicht so daneben:
    "Für das Artwork verantwortlich zeichnet sich Matt Dixon, international gefeierter Zeichenkünstler (Blizzard Entertainment /WoW, Harry Potter, Pirates of the Caribbean)."

    Davon abgesehen hab ich gerade gelesen, dass es bei der iTunes-Variante noch einen Bonustrack gibt. Das wiederum finde ich als genereller Käufer von Limited Editions und iTunes-Verachter ziemlich scheisse.

  • Vor 10 Jahren

    ich sprach nicht von mittelalterlich angehauchter musik, sondern bewusst und wörtlich von mittelalterrock als hau-drauf-segment, du alte kackbratze. deshalb passen helium vola, cc oder die immer qualitativ hochwertigen estampie (qntal) da nicht so rein. nicht dieselbe baustelle.

  • Vor 10 Jahren

    Das Album ist doch für mich doch überraschend gut. Und das sage ich als jemand, der mit Saltatio Mortis bisher wenig bis gar nichts anfangen konnte.