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Platz 7: "Ö", 1988

War "Sprünge" noch der Versuch, die poppigere Seite von "4630 Bochum" zu vertiefen, so sichert sich "Ö" durchaus den Titel als Grönemeyers "Rockalbum" – vielleicht auch als das erste einer Trilogie. "Was soll das" ist mit Ohrwurmrefrain, peitschender Snare und genereller Betrugsthematik zu Recht in die Annalen der deutschen Musikgeschichte eingegangen; selbst Roland Kaiser soll damals Grönemeyers "Faust-in-dein-Gesicht"-Fantasien als authentisches Storytelling gelobt haben – eine andere Herangehensweise an das ja durchaus schlagereske Meine-Liebste-war-mir-untreu-Motiv. Grönemeyer selbst bekam damals angeblich Beileidsbekundungen ob des Hintergangenwerdens ("Die Deutschen sind so textverbissen. Die denken immer gleich, man schreibe seine Biografie.")

"Vollmond" knallt direkt noch mal einen hinterher: Ein Gitarrenriff für die Ewigkeit, die Stimme klar im Mix statt über den anderen Instrumenten verortet. Wenn Bon Jovi auf Deutsch, dann bitte so. Nicht ohne Grund markiert der Track bis heute den großen Hard-Rock-Moment in Grönemeyers Live-Shows – sogar noch vor "Alkohol". Getextet wurde der Song wie viele andere übrigens zunächst auf Englisch, zu hören gab es "Highway To Lover" bis heute allerdings nie. Wie beim folgenden Album "Luxus" hört man "Ö" eine überbordende Spielfreude an, die sich gewiss auch aus der selbst eingerichteten Studioumgebung (die Band bezog eine alte Villa in Belgien) speist. Umgeben von inzwischen vierköpfiger Familie und Band entsteht auch "Halt Mich", die vermutlich wohlig-wärmste Prä-2002-Ballade aus Grönemeyers Feder.

"Ö" stand 14 Wochen auf Platz 1 der deutschen Albumcharts und ich erlaube mir die steile These, dass Herbie diesen Erfolg im Wesentlichen den ersten vier Songs (die drei oben genannten plus "Komet") verdankt. "Keine Heimat" bietet noch einmal erneut stimmige Kapitalismuskritik, "Fragwürdig" rutscht dann allerdings wieder schnell in den Klamauk der "4630 Bochum"-B-Seite. Dazwischen: wenig Erwähnenswertes. Immerhin: Mit der Unionskritik in "Mit Gott" gelang es Grönemeyer, die Christdemokraten derart zu verärgern, dass der Song (nicht als letzter) auf einer Art schwarzen Liste des Goethe-Instituts landete. Oder wie man heute sagen würde: "Cancel Culture – trifft sie jetzt selbst Grönemeyer?"

Überlebensgroß:

"Was soll das", "Vollmond", "Halt mich"

Auch nett:

"Keine Heimat"

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"Ö"*

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