laut.de-Kritik

Da haben wir den tropischen House-Salat.

Review von

Der norwegische Jungspund Kygo beglückte die Welt vor nicht allzu langer Zeit mit dem von ihm ersonnenen Genre "Tropical House". Fluch und Segen zugleich, mochte man doch damals glauben, es gebe im Dschungel elektronischer Stilrichtungen eigentlich bereits genug Wildblüher und Querschläger. Seis drum, jetzt haben wir ihn nun, den tropischen Salat.

Kygo macht es sich auf Wolke neun bequem. Sind wir also gespannt, ob die musikalische Qualität ebenfalls in der oberen Liga mitspielt. Die Fallhöhe von himmlischen Sphären in die tiefsten Abgründe einer grausamer Billig-House Hölle ist dann doch enorm und macht betroffen.

Man gönnt dem Jungen ja jeden Erfolg, aber die Formel "Balladenpop meets Deephouse" könnte ausgelutschter nicht wirken, egal, ob bei Uffta-Schnulzen wie "Oasis" oder "Raging" mit Kodaline, das noch erfolglos eine unsägliche Indie-Folk-Gitarren-Trendwende versucht. Grundannahme bestätigt: Musik machen per mathematischer Formel ist zum Scheitern verurteilt. Wusste Kygo offensichtlich nicht.

Seine Beats sind so belanglos, dass er sich auf fast allen Tracks Vokalisten dazu holen musste. Die reinen Instrumentals hätten niemals Albumpotenzial gehabt. Das Gesamtpaket klingt schlechterdings (wie etwa bei "Serious" mit Matt Corby) auch noch so dermaßen glatt und rundgelutscht, dass jeder auch nur ansatzweise vorhandene Groove oder Spirit im Keim erstickt.

Mathias Modica von der Münchener Disco-Formation Munk sagte einmal, Deep House sei "Musik für Zahnarztpraxen". Damals sicherlich mit einem Augenzwinkern, dennoch wähnt man angesichts von faden Tofu-Tracks à la "Happy Birthday" mit dem blutleeren John Legend diese Prophezeiung als in der Wirklichkeit angekommene Tatsache.

Gefilterte Chords wie aus einem Ableton-Anfängerpack, finstere Fröhlichkeit: Songs wie "Firestone" lassen den ... äh ... Funken dann, wer hätte es gedacht, auch gar nicht erst überspringen. Zu ausrechenbar, zu gleichförmig ihre Struktur, die Wahl der Sounds, das Mixing.

Das Cover ziert übrigens ein hingerotzt wirkender, blauer Farbstrich. Hätte Kygo solche Punk-Ansätze mal besser in seiner Musik versucht, vielleicht hätte er dem Sound so zu ein wenig Leben verholfen.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Stole The Show (feat. Parson James)
  3. 3. Fiction (feat. Tom Odell)
  4. 4. Raging (feat. Kodaline)
  5. 5. Firestone (feat. Conrad Sewell)
  6. 6. Happy Birthday (feat. John Legend)
  7. 7. I'm In Love (feat. James Vincent McMorrow)
  8. 8. Oasis (feat. Foxes)
  9. 9. Not Alone (feat. Rhodes)
  10. 10. Serious (feat. Matt Corby)
  11. 11. Stay (feat. Maty Noyes)
  12. 12. Nothing Left (feat. Will Heard)
  13. 13. Fragile (feat. Labrinth)
  14. 14. Carry Me (feat. Julia Michaels)
  15. 15. For What It's Worth (feat. Angus & Julia Stone)

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Kygo

Angefangen im Kinderzimmer, beherrscht Kygo bereits in jungen Jahren das Klavierspielen. Als er mit 16 zudem die Elektromusik für sich entdeckt, bricht …

2 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Eine doch sehr harte Kritik. Sicherlich von einem Meisterwerk weit entfernt, lässt sich das Album doch durchhören. Es fehlt eben der gewisse Kick; von Mut keine Spur und damit bleibt es auf Niveau "nett". Somit eben ein nettes Album für zwischendurch, ich würde sagen auf 2-3 Niveau.

  • Vor 7 Jahren

    Zudem verweise ich ausdrücklich auf die richtige Formulierung des Genres: "Tropical House", eine Erfindung des Rolling Stone Magazins (im Zusammenhang mit Songs von Drake, Rihanna und Justin Bieber), meint eigentlich Dancehall. Für ein bereits jahrzehntelang existierendes Genre einfach so einen neuen Begriff zu verwenden, ignoriert die Geschichte und Entwicklung von Dancehall und ist somit absolut überflüssig. Deshalb hat das Rolling Stone Magazin diese Formulierung auch zurückgenommen.

    Wo jetzt aber dieses Album "Tropical House" sein soll, erschließt sich mir nach dem Hören der Platte nicht.

    • Vor 7 Jahren

      "Wo jetzt aber dieses Album "Tropical House" sein soll, erschließt sich mir nach dem Hören der Platte nicht"

      House mit "tropischen" Instrumenten = Tropical House, und davon ist das ganze Album durchsetzt.

    • Vor 7 Jahren

      Nur dass aber eben "House mit tropischen Instrumenten" (was jetzt genau noch "tropische Instrumente" sind, musst du mir an anderer Stelle erklären) nicht das "Genre" Tropical House ist...