laut.de-Kritik
Klassikalbum für NOFX-Ultras.
Review von Steffen EggertFat Mike Burkett kennt man als überaus umtriebigen Kopf der kalifornischen Skatepunk-Institution NOFX und als nicht selten zugedröhntes Enfant Terrible der Westküstenszene. Neben dem Engagement in seiner Hauptband schreibt er unter anderem ein Musical, gründet ein Punk-Rock-Museum in Las Vegas, nimmt Solo-Alben als Cokie The Clown auf und betreibt das Label Fat Wreck Chords, auf dem das Who Is Who des Cali-Punks eine Heimat gefunden hat. Ende letzten Jahres erreichte uns die Schreckensnachricht, dass NOFX nach 40 Jahren ihre Instrumente weglegen und sich auflösen. Im gleichen Atemzug stellte er seine neue Band Codefendants vor.
Mit Baz The Frenchman, seinem französischstämmigen Kumpel und etabliertem Partner in Crime ("The Decline Live At Red Rocks" 2020, "Home Street Home" 2015), bringt Fat Mike jetzt ein eher ungewöhnliches Projekt an den Start, nämlich ein Klassikalbum mit eigens interpretierten NOFX-Versionen. Statt Vocals, Gitarren und Drums erklingen hier Bratsche, Geige, Cello, Bass, Marimba und Klavier, so dass selbst NOFX-Ultras nicht direkt erkennen werden, um welches Stück es sich handelt.
Mikes Werke zeichnen sich seit jeher durch einen gewissen melancholischen Tiefgang und eine mitunter recht komplexe Struktur aus. Gemeinsam mit Baz extrahiert er jede Bassnote, die Gesangsmelodie und alle Harmonien, zerlegt sie in ihre Einzelteile und fügt sie zu einem durchaus anspruchsvollen Soundtrack für gediegene oder festliche Anlässe wieder zusammen. Die große Befürchtung, dass man es hier mit Fahrstuhlmusik auf dem Gerüst bereits hinreichend bekannter Stücke zu tun bekommt, bestätigt sich also absolut nicht. Zudem suchte sich Mike hauptsächlich wenig bekannte und bisher unveröffentlichte Songs für die Transformation aus.
Das hektisch-fröhliche "One Million Coasters", ("Coaster/Frisbee", 2009) und die verträumte Ska-Nummer "Medio-Core" ("The War On Errorism" 2003) sind nun stimmungsmäßig eher positiv anmutende Kammermusikstücke, die auf keiner vornehmen Hochzeit unangenehm auffallen würden. Dagegen treten nun die unterschiedlichen Parts einzelner Stücke deutlicher hervor, als es die Bandversion auf Anhieb preisgab. Bittersüße Melancholie verbreitet die Version von "I'm A Rat", das Mike zur Wiederauferstehung für die lustigen Japaner Hi-Standard geschrieben hat.
Deren hyperschnelle Skate-Punk-Sause könnte im Vergleich zur Orchesterversion kaum gegensätzlicher wirken, aber jedwedes Arrangement erzeugt leicht Gänsehaut. Besonders ergreifend wirken ohnehin bereits tieftraurige Songs wie "She's Gone" ("White Trash, Two Heebs And A Bean", 1992) oder "La Pieta", ein bisher unveröffentlichtes Solo-Stück, in dem Fat Mike beschreibt, wie er bei seiner Mutter Sterbehilfe leistet. Ein sanft gespieltes Cello ist durchaus in der Lage, ein Punkerherz im Innersten zu treffen.
Mit Punk hat "Fat Mike Gets Strung Out" natürlich gar nichts zu tun. Wer sich aber ausnahmsweise auf ein stimmiges Streicheralbum einlassen will und sich überdies für die Anatomie eines NOFX-Songs interessiert, darf hier gerne ein Ohr riskieren.
1 Kommentar
Fat Mike ist verdammt unterbewertet was seinen kreativen Output angeht.
Die im Text erwähnten Codefendants, mit ihrem überaus durchgeknallten Mix aus Rap, Punk und Akustiknummern als Soundtrack zu modernen Gangsterfilmen sind ebenfalls sehr empfehlenswert.