laut.de-Kritik

Durch die Mitte an die Spitze.

Review von

Zweieinhalb Jahre nach "In Dream" ist der eingefleischte Editors-Fan gespannt wie ein Flitzebogen. Was kann "Violence"? Wohin geht die Reise von Tom Smith und Co? Kuscheln sich die Briten noch intensiver in die Arme von Chris Martin? Oder geht es mit dem neuen Schaffen wieder back to the roots?

Mit dem Opener "Cold" heften sich die Editors erst einmal an die Fersen der jüngeren Vergangenheit. Smiths unverkennbarer Bariton verschmilzt mit großflächig arrangiertem Synthie-Pop. Die in Musik gegossene Kälte sorgt für literweise Schweiß in den ersten Stadionreihen. Alles wie gehabt.

Fünf Minuten später zuckt man aber bereits zusammen. Wie ein Hidden-Track eines "Crossing All Over"-Samplers scheppert sich das Industrial-lastige "Hallelujah" in den Vordergrund. Ähnlich verstörend wie die Vorab-Single "Magazine" stiftet der zweite Song des Albums jede Menge Unruhe.

Kurz darauf dreht die Band die Regler wieder runter. Es folgt der Titeltrack; eine blubbernde Hochglanz-Symbiose aus antiken Bowie-Erinnerungen und nicht ganz so alten Highlights aus dem Coldplay-Archiv. Die geballten Fäuste von Chris Martin-Allergikern bleiben aber in den Hosentaschen. Zu eingängig und zu schön verteilen sich die warmen Wave-Pop-Sounds im Raum.

Zur Mitte des Albums hin verliert die Band ein wenig den Faden. Plötzlich rücken unruhig tänzelnde Vibes ins Rampenlicht, mit denen viele Bundfaltenhosenträger Mitte der Achtziger für Aufsehen sorgten ("Darkness At The Door", "Nothingness"). Dreißig Jahre später ist der Lack allerdings ab.

Gut, dass die Editors kurz vor Schluss noch einmal die Kurve kriegen und dem etwas überarrangierten Rausschmeißer "Belong" einen klasse Song zur Seite stellen. In schleppendem Tempo stapeln sich immer mehr Emotionen übereinander, ehe Tom Smith im Refrain der Album-Speerspitze "Counting Spooks" alle Leinen loslässt.

Gemeinsam mit dem ebenfalls überdurchschnittlichen Opener setzt der vorletzte Song des Albums die Messlatte im Bereich Synth-Pop-Hymne hoch an. Wer hier drüber will, der muss schon Einiges an atmosphärischer und songwriterischer Qualität in die Waagschale werfen. Auch den Rest des Albums stellt man nicht mal eben so im Vorbeigehen in den Schatten. Die Editors hinterlassen im Frühjahr 2018 wieder beachtlich große Spuren im Wave-Pop-Universum. Der eingefleischte Fan kann beruhigt durchatmen.

Trackliste

  1. 1. Cold
  2. 2. Hallelujah
  3. 3. Violence
  4. 4. Darkness At The Door
  5. 5. Nothingness
  6. 6. Magazine
  7. 7. No Sound But The Wind
  8. 8. Counting Spooks
  9. 9. Belong

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Editors

Referenzen und Vergleiche dominieren so ziemlich jeden Artikel über die Editors, als im Sommer 2005 deren Debütalbum "The Back Room" erscheint. Zu offensichtlich …

16 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Für mich das beste der Band seit Backroom, hat eine eigene Identität und ist nicht zur Unendlichkeit künstlich ausgewalzt. 9 Songs, mehrere gut, manche sehr gut, ein oder zwei meh. Aber ist anscheinend Geschmackssache und ruft wieder die beiden üblichen Positionen zum Output der Band hin und her. Sehe die Pop-Musik-Vergleiche nicht wirklich gegeben, vor allem im Zeitalter der DJ + drop + female singer XY songstruktur. Würde mich freuen, wenn sowas wirklich im Radio laufen würde.

  • Vor 6 Jahren

    Whoops, da hab ich in meinem Kommentar beim Korrigieren einen Satz malträtiert. Naja. Gehört auf jeden Fall mittlerweile zum Charme von laut, dass man keine Kommentare editieren kann ;)

  • Vor 5 Jahren

    Nach dem zerissenen "In Dream" endlich wieder ein Album das ich komplett durchhören konnte. Es bietet nicht so starke einzelne Songs, aber wirkt als Album sehr kompakt und ohne Durchhänger. Ich höre es gerne zwischen zwei Shoegaze- oder Indierock-Alben. Das sehr poppige "Magazine" lockert das Album auf und wirkt da besser als auf Single.