laut.de-Kritik

Mit Jeff Lynne zu neuen Ufern.

Review von

Millionen verkaufte Tonträger, ausverkaufte Stadion-Tourneen und reihenweise Hits für die Ewigkeit ("Summer Of 69", "Heaven", "Run To You", "(Everything I Do) I Do It For You"): Bryan Adams hat in seiner langen Karriere alles erreicht, was man erreichen kann.

Der Kanadier müsste eigentlich wunschlos glücklich sein. Dem war aber lange Zeit nicht so, denn bis vor einigen Monaten fehlte noch ein Puzzleteil zum perfekten Glück. Bryan Adams wollte nämlich schon immer mal mit dem ELO-Chef Jeff Lynne (Tom Petty, Paul McCartney) zusammenarbeiten. In diesem Jahr war es dann endlich so weit: "Eigentlich wollten wir nur einen Song machen, an ein ganzes Album dachten wir zunächst gar nicht", so Adams.

Aber wie es halt so ist, wenn man schon einmal dabei ist ... also so tüftelten die beiden Businessgrößen an weiteren Songideen. Schlussendlich hatte das Duo, das sich nebenbei auch noch die Dienste von Jim Vallance (Aerosmith, Kiss, Joe Cocker) sicherte, neun Songs am Start, die sich dieser Tage unter dem Albumbanner "Get Up" auf den Weg in die große weite Welt machen.

"You Belong To Me" macht gleich zu Beginn klar, um was es auf diesem Album geht: weg vom adamschen Standardprogramm, hin zu neuen Ufern. Irgendwo zwischen Buddy Holly und den Stray Cats schüttelt Bryan Adams kurzweilige Rockabilly-Vibes aus den Ärmeln, die so ziemlich alles auf den Kopf stellen, was dem Sänger in den vergangenen 30 Jahren musikalisch lieb und teuer war. Keine Powerdrums, keine halbgaren Arenagitarren und kein schwülstiger Reibeisengesang, der abgesehen vom letztjährigen Coverausflug zuletzt Mitte der Achtziger für Begeisterung sorgte: Im Stile eines Newcomers, der frei von der Leber losrockt, beeindruckt Adams bereits beim Einstieg mit entfesselter Energie.

Drei Minuten später scheint die Luft aber schon wieder raus zu sein. Mit "Go Down Rockin'" verlässt sich der Sänger wieder auf Altbewährtes. Auch wenn der Verzicht auf allzu pompöse Arrangements dem Stadionrock einen gewissen Hinterhofcharme verleiht, bleibt am Ende kaum etwas hängen. Der halbakustisch vorgetragene Schmalz namens "We Did It All" setzt noch einen drauf. Da ist es wieder, dieses Bryan Adams spätestens seit den Neunzigern begleitende Poprock-Paket, das in jeder Hitradioredaktion offene Türen einrennt.

Alles also wieder beim Alten? Mitnichten. "That's Rock And Roll" wehrt sich mit Händen und Füßen gegen den drohenden Absturz ins Niemandsland. Auf den Spuren von Tom Petty wandelnd kriegen Bryan Adams und Co zur Albummitte hin wieder die Kurve. Und es wird noch besser. "Don't Even Try" sendet Grüße in Richtung Liverpool, während "Do What Ya Gotta Do" mit klassischen 70s-Rockstrukturen um die Ecke kommt.

Auch das Finale lässt hier und da aufhorchen. "Thunderbolt" klingt wie ein aufgemotztes The Clash-Überbleibsel, "Yesterday Was Just A Dream" präsentiert sich als vielleicht langlebigste Adams-Ballade der jüngeren Vergangenheit, und "Brand New Day" lässt erneut Tom Petty-Herzen höher schlagen. Ende gut, alles gut?

Fast. Mit vier überflüssigen Akustikzusätzen tritt Bryan Adams in der Nachspielzeit noch einmal mit Ansage ins Fettnäpfchen. Aber egal. Ich bin ja generell kein großer Freund von Nachtischen. Mich interessiert meist nur der Hauptgang. Und der weiß hier durchaus zu überzeugen.

Trackliste

  1. 1. You Belong To Me
  2. 2. Go Down Rockin'
  3. 3. We Did It All
  4. 4. That's Rock And Roll
  5. 5. Don't Even Try
  6. 6. Do What Ya Gotta Do
  7. 7. Thunderbolt
  8. 8. Yesterday Was Just A Dream
  9. 9. Brand New Day
  10. 10. Don't Even Try (acoustic)
  11. 11. We Did It All (acoustic)
  12. 12. You Belong To Me (acoustic)
  13. 13. Brand New Day (acoustic)

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