laut.de-Kritik

Neu entfachte Leidenschaft für Riffs und Melodien.

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Befragt man Amplifier-Fans nach dem besten Album der Truppe aus Manchester, nennen sie zumeist das Debüt. Vielleicht noch "Insider" oder den dritten Langspieler "The Octopus", dem manche Hörer allerdings deutliche Tendenzen zum ausufernden Songwriting und zur überbordenden Redundanz attestierten. Bassist Neil Mahony nahm seinen Hut, Amplifier machten mit dem saftlosen "Echo Street" weiter. 2014 folgte das wieder rockendere Album "Mystoria", ein Aufwärtstrend zeichnete sich ab. Jedoch blickt auch der Schreiber dieser Zeilen oft wehmütig in die Vergangenheit.

Bis heute: "Trippin' With Dr. Faustus" kann es tatsächlich mit den ersten beiden Platten aufnehmen. Wo "Mystoria" noch weitgehend live eingespielt wurde und sehr schnell im Kasten war, gönnten sich Sel Belamir und seine Mitstreiter für ihr neues Werk zwei Jahre Aufnahmezeit. Der Grund dafür: eine alte Tonbandmaschine, die der Amplifier-Macher zufällig auftrieb, wollte benutzt werden. Belamir betont, der Sound höre sich viel wärmer an als bei digitalen Aufnahme-Methoden. Nun, zumindest klingt die Produktion sehr gut und lebendig. Aber vor allem die neu entfachte Leidenschaft für abwechslungreiches Songwriting, für packendere Riffs und schöne Melodien hebt das sechste Album von seinen beiden Vorgängern ab.

Amplifier klappen das Visier ihres Weltraumhelms herunter und begeben sich auf einen erneuten Flug durch sphärisch-rockige Klanglandschaften: Die "Rainbow Machine" hebt ab. Belamir fabuliert einen seiner üblich kryptischen Texte zusammen, es geht wieder einmal um Sterngebilde, das All und Reisen durch unendliche Weiten. Dem sehr guten Auftaktsong folgt mit "Freakzone" ein echter Hit, so eine tolle Melodie hatten die Musiker aus Nordengland lange nicht mehr am Start.

Amplifier kredenzen direkt zweimal eines ihrer Trademarks: das längere Break, das den Song kurz stoppt, um dann ein paar Scheite draufzulegen. Zum Schluss verschleppen sie das Tempo und landen vermutlich in einer anderen Dimension. Space Rock nennt Sel Belamir die Musik seiner Gruppe, und wer dieses Stück gehört hat, weiß auch, warum. In "Kosmos (Grooves Of Triumph)" lernen wir, mit welcher Maschine die Band wirklich unterwegs ist: "A family car is my place of worship / don't need no radar, no / in order to fly this spaceship into the stars." Nur bedingt zur Nachahmung empfohlen.

Im nächsten Stück packt Alex Redhead einen herrlich verzerrt-knarzigen Bass aus, der auch später noch einmal im Albumabschluss "Old Blue Eyes" zum Einsatz kommt. Beide Nummern grooven entspannt durch die Milchstraße und sorgen für Abwechslung zwischen den Riff-Monstern um sie herum. Wem die psychedelische Seite Amplifiers eher zusagt, wird hier fündig. Überhaupt verbreitet Amplifiers sechste Platte den Eindruck, der Manchester-Vierer wolle alle Stärken der vorherigen Alben bündeln und ein inoffizielles Best-Of aufs Tapet zaubern.

Zwei ungewöhnliche Songs lassen aufhorchen: In "Big Daddy" haben sich die Musiker erstmals Verstärkung in Form der Gastsängerin Beth Zeppelin ins Studio eingeladen, die ihnen bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung aufgefallen war. Diese zusätzliche Note im eigenen Klangkosmos steht der Band sehr gut, hoffentlich schaut die Dame in Zukunft öfter bei den Aufnahmen vorbei. Belamir und der zweite Gitarrist Steve Durose glänzen zum Schluss der Nummer mit ungeahnt bluesigen Licks.

Der zweite besondere Song der Platte, "Anubis", überrascht mit zurückgelehnt-geschmeidiger Akustikzupfgitarre. "Oh my sweetpea / I dream of blissful sleep", sinniert Sel Belamir, während seine Mitmusiker in dreistimmigen Gesang verfallen. Ein wunderbares Lied, das sicher auch an den Lagerfeuern der Republik bestens funktioniert.

Welchen Song noch herauspicken? Sie sind alle famos und fließen ineinander wie explodierende Sterne am Rande der Galaxie. "Supernova" treibt elegant-melodisch durch Raum und Zeit, "Silvio" stammt noch aus den Sessions von "The Octopus" und beschreibt den faustischen Pakt mit dem Teufel. Ob Belamir seine Seele verkauft hat, kann nicht mit Sicherheit belegt werden. Aber ein derart großartiges Album wie "Trippin' With Dr. Faustus" hätte zumindest ich seiner Band nicht mehr zugetraut. Chapeau, meine Herren.

Trackliste

  1. 1. Rainbow Machine
  2. 2. Freakzone
  3. 3. Kosmos (Grooves Of Triumph)
  4. 4. The Commotion (Big Time Party Maker)
  5. 5. Big Daddy
  6. 6. Horse
  7. 7. Anubis
  8. 8. Supernova
  9. 9. Silvio
  10. 10. Old Blue Eyes

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8 Kommentare mit 10 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Das Album besteht fast nur aus Highlights, Freakzone, The Commotion, Kosmos, Big Daddy, Silvio, SUpernova, Old Blue Eyes, alles 10/10. Gibt keine Band, die quantitativ und qualitativ die letzten Jahre durchweg auf so überragendem Niveau abliefert wie Amplifier.

    • Vor 6 Jahren

      Fanbrille runter. Das neue Album ist Durchschnittsware mit ziemlich belanglosen Psychedelic Rock/Heavy Psych, das ich deutlich besser von anderen Bands höre. Bin enttäuscht.

    • Vor 6 Jahren

      Fanbrille runter. Das neue Album ist Durchschnittsware mit ziemlich belanglosen Psychedelic Rock/Heavy Psych, das ich deutlich besser von anderen Bands höre. Bin enttäuscht.

  • Vor 6 Jahren

    3/5 Gefällt mir persönlich nicht annähernd so gut, wie noch noch Mystoria

  • Vor 6 Jahren

    "Befragt man Amplifier-Fans nach dem besten Album der Truppe aus Manchester, nennen sie zumeist das Debüt. Vielleicht noch "Insider"".

    Wie bitte "Insider" als bestes Album??? Würde behaupten, dass es laut den meisten Fans und Kritikern ihr mit Abstand schwächstes ist, mich eingeschlossen! Das kann man auch sehr gut in vielen Foren und Kritiken lesen.