Am Mittwoch Abend debütierte das erste Online-Orchester der Welt. YouTube hatte zuvor in einem weltweiten Casting Teilnehmer gesucht.

New York (vog) - Die Generation YouTube und der alterwürdige, klassisch angehauchte Geist der Carnegie Hall - wie und dass das zusammengeht, zeigte am Mittwoch die Live-Premiere des YouTube-Orchesters in New York. Das Publikum erschien zahlreich in besagter Halle, darunter viele popaffine Jugendliche, und verfolgte gebannt die aus fernen Zeitaltern emporsteigenden Klänge.

Die 96 Musiker aus über 30 Ländern stellen das erste Orchester überhaupt dar, welches ausschließlich über das Internet gecastet wurde. Die Auswahl passender Teilnehmer aus über 3000 Videobewerbungen fand ganz basisdemokratisch per Voting statt. Bis zur ersten Probe, die drei Tage vor dem Auftritt stattfand, hatten sich die Musiker nie zuvor gesehen.

Grenzensprengendes Konzept

YouTubes Marketingchef Ed Sanders sieht diese neue Form des Castings als richtungsweisend an: "Hier kommen Menschen zusammen, jenseits geografischer und sozialer Grenzen." Werbewirksam ist das Ganze obendrein: Der orchestereigene YouTube-Kanal erzielt Klicks im zweistelligen Millionenbereich.

Michael Tilson Thomas, seines Zeichens künstlerischer Berater und Dirigent, titulierte die Zusammenkunft augenzwinkernd als Mischung aus typisch klassischen Zirkeln und einem Pfadfindertreffen, garniert mit Zufällen, wie man sie etwa vom Speed-Dating kennt. Auf die Frage antwortend, wie man den Sprung in die Carnegie Hall schafft, verballhornte er die alte Devise "Üben, üben, üben" zu "Upload, upload, upload."


Der Geist von YouTube war während der gesamten Aufführung allgegenwärtig: Riesige Videoinstallationen hingen von der Decke herab und begleiteten die 15 musikalisch sehr unterschiedlichen Stücke. Von Giovanni Gabrieli über Werke von Größen wie Bach, Brahms, Wagner, Dvorak und Debussy zappte das Programm teils ruppig zu Komponisten neueren Datums, für die man stellvertretend Lou Harrison, Villa-Lobos, John Cage oder Tan Dun nennen kann.

Who is who der klassischen Musik

Thomas' Ansicht nach vermittelt das Programm einen wesentlich vielfältigeren Eindruck der klassischen Musik: eine nahezu zwölf Jahrhunderte umspannende Tradition von der Gregorianik bis zur elektronischen Musik. Nebenbei lobte er YouTube und sein frei zugängliches, schier unerschöpfliches Repertoire an Musikstücken.

Die Leistung des Orchesters war im Übrigen zwar nicht tadellos, das war aber bei der kurzen Probezeit von drei Tagen auch nicht unbedingt zu erwarten. Zudem stellte das eklektisch zusammengestellte – somit dem multimedialen Surfzeitalter angepasste – Programm erhebliche Anforderungen an Dynamik, Phrasierung und Spieltechnik. Manch einem bleibt die Hoffnung auf die klassische Pädagogik: Beim Erklingen der Noten aus Mozarts Feder könnten Kleinkriminelle zu reumütigen Altenpflegern mutieren und Kühe bessere Milch geben. Glaube versetzt ja bekanntlich einiges ...

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