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Real!

Eine der Eigenschaften, die ich diesen Typen auf jeden Fall zuschreiben würde, das ist "authentisch". Das Wort lässt sich aber gar nicht so einfach erklären und schon gar nicht so leicht verwenden. Meistens ist es einfach nur heiße Luft. Da ist es much appreciated, dass rap.de sich an einer Annäherung versucht hat, um den Begriff etwas zu klären:

Eine Sache, die ich gerne ergänzen würde: Ich meine, zwischen verschiedenen Stufen des Wortes einen Unterschied zu sehen. Es gibt in meinen Augen "unterschwelliges authentisch" und "vermarktetes authentisch". Ersteres würde ich generell als eine unaufdringliche Natürlichkeit beschreiben. Jemand, der in dieser künstlichen Situation des Musikvideos, des Songs oder des Interviews trotzdem den Eindruck vermittelt, er befinde sich in seinem natürlichen Habitat, zeige eine intuitive Sprechweise und die Dinge, die er sagt und tut, haben Hintergrund, Geschichte und Kontext. In der Hinsicht stimme ich dem Artikel zu, der so sehr über die Wichtigkeit des Interviews spricht. Das wirkt wirklich wie ein Praxistest, der verrät, ob Sprechweise und Verhalten des Künstlers mehr als einstudierte Posen sind.

In dem Moment, in dem Authentizität auf den Prüfstand gestellt oder einfach generell als Attribut verwendet wird, kommt es aber, wie ich es bezeichne, zum "vermarkteten authentisch". Zum Beispiel, wenn Straßenrapper sich damit brüsten, besonders real zu sein (wie zum Beispiel Fler es regelmäßig tut). Dann fordern sie sich selbst ab, diese Realness auch zu performen. Man will quasi in einer künstlichen Situation mit einem künstlichen Akt belegen, dass das, was man tut, nicht künstlich ist. Ein ziemlicher Clusterfuck, der dazu geführt hat, dass viele Deutschrapper sich beim Versuch, besonders real zu sein, ordentlich nass gemacht haben. Siehe jeder Real-Life-Beef-Stunt, der je über die Bühne gegangen ist.

Hier kommt der Clou, ich habe es schon angedeuetet: Realness ist immer eine Fantasie der Hörer. Egal, wie hautnah Social Media, Interviews und Livestreams die Fans auch an ihr Idol zu bringen scheinen, am Ende machen Kuration und Regulierung dieses Outputs einen Künstler und sein Narrativ aus. Jede Situation, in der man eine Person des öffentlichen Lebens zu sehen bekommt, wenn sie nicht zufällig neben einem an der Wursttheke steht, ist künstlich. Es gibt nichts Reales in einem Musikvideo. Selbst die größten Naturals performen, wenn eine Kamera auf sie gerichtet ist.

Hier hat der Artikel auch wieder Recht: Es sind am Ende Klischees, an denen sie sich messen. Da wir diese Folks nicht kennen, müssen wir sie mit Klischees abgleichen. Die, die das Klischee mit dem lebendigsten Charakter unterfüttern, wirken wie die authentischsten Personen. Ob das eine nützliche Kategorie der Bewertung darstellt, muss jeder für sich selbst beurteilen.

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1 Kommentar

  • Vor 4 Jahren

    Die Sichtweise mag ja richtig sein, liegt aber auch ziemlich auf der Hand. Zudem spricht man in der Regel davon, dass jemand authentisch wirkt, und der Zusatz "wirkt" beinhaltet doch schon alles, was diese Erklärungen dazu aussagen wollen.