laut.de-Kritik

Family Affairs mit souligen Samples und sanften Drums.

Review von

Nachdem Loyle Carner mit "Yesterday's Gone" der Welt und Großbritannien einen Instant Classic bescherte, legt der Londoner nun mit "Not Waving, But Drowning" nach. Und macht nahtlos da weiter, wo er aufgehört hat.

Etwas größer, etwas stärker auf die breite Masse ausgerichtet wirken die Produktionen schon. Aber sein unverwechselbar entspannter Sound, der dasselbe wohlige Gefühl in der Magengegend auslöst wie die ersten frühjährlichen Sonnenstrahlen, bleibt derselbe. Soulige Samples, sanfte Drums und warme Töne schaffen diese einladende Atmosphäre, in die sich Loyles tief-samtige Stimme einfügt wie der Stein am Strand, um den herum Wellen und Sand ihre Muster formen.

Auch inhaltlich schließt sich "Not Waving, But Drowning", das übrigens nach einem Gedicht von der Schriftstellerin Stevie Smith benannt ist, an den Erstling an. Endete "Yesterday's Gone" (zumindest fast) mit einem Gedicht von Loyles Mutter Jean, widmet er den Opener nun ebenfalls der Mama. In der herzerweichendsten Weise, wie nur eben möglich: "So one night I be saying I do / to a girl that can read my mind to [...] I had a dream and it came true and I can only blame you."

Sein zweites Album schreibt Loyle Carner für und über seine Herzensmenschen: Seine Freunde, die ihn ein Leben lang begleitet haben, die sich über die Jahre auch entfremdet haben. So wie sein Kumpel "Krispy", dem er über einem melancholischen Piano-Loop seine Verbundenheit ausdrückt, auch wenn er nicht versteht, warum sie nicht mehr zueinander finden.

Seine Freundin, der er den Song "Ice Water" widmet. Zentrale Figur und auf einem überdimensionalen Thron sitzend, schwebt allerdings Mama Jean, auf die er über die gesamte Spiellänge hinweg immer wieder verweist. Die übrigens wieder das letzte Wort bekommt und ihren Stolz auf ihren Sohn (und die Liebe für seine Freundin) in "Dear Bean" zum Ausdruck bringt. Talentierte Familie, diese Coyle-Larners.

Loyle Carners Zweitling dreht sich aber nicht nur um Family Affairs. Nachdenkliche, bedrückende Gedanken, so wie in "Sail Away" oder "Looking Back", in dem er die Schwierigkeit thematisiert, als Kind eines Schwarzen und einer Weißen seinen Platz zwischen zwei Welten zu finden, finden ihren Weg auf diese wunderbar smoothe Platte genauso, wie eine Hommage an den israelischen Koch Yotam "Ottolenghi" - und angenehme Featuregäste.

Wieder mit an Bord sind Tom Misch, der in "Angel" seinen charakteristischen Schuh durchzieht und Homie Rebel Kleff, mit dem Loyle gemeinsam mit Kiko Bun in "You Don't Know" DEN Hit des Albums liefert. Neu dabei: Jordan Rakei, der ebenso gefühlvolle Hooks zaubert wie auch Englands neue Wunderstimme Jorja Smith. Etwas aus dem Raster fällt hingegen das Sampha-Feature "Desoleil", das mit seiner offenen, halligen Struktur eine angenehme Kurve ins Soundbild bringt.

Ein kleines, etwas verstecktes Highlight bildet jedoch "Still". Der Song klingt deutlich roher, besonders im Kontrast zum breit produzierten "You Don't Know" zuvor. Die Klavier-Anschläge sind ebenso zu hören, wie die maschinellen Repetitionen der Hi-Hat & Bassdrum. Fast möchte man "Still" eine schlechte Abmischung attestieren. In Verbindung mit Loyles Flow entsteht jedoch eine eigentümliche Spannung, die den Song gerade wegen seiner puristischen Form zu etwas ganz besonderem macht.

Bleibt festzuhalten, dass Loyle Carner sich selbst auch auf seinem Zweitling treu geblieben ist. Das ist beachtlich, bedenkt man, was der junge Rapper seitdem alles erlebt hat: Nominierungen & Preise, als Hoffnung für britischen Hip Hop deklariert, durch jegliche Talk-Formate spaziert und Idole getroffen und zum Idol für viele Kids geworden. Seinen Sound hat er deswegen nicht verloren.

Trackliste

  1. 1. Dear Jean
  2. 2. Angel (Feat. Tom Misch)
  3. 3. Ice Water
  4. 4. Ottolenghi (Feat. Jordan Rakei)
  5. 5. You Don't Know (Feat. Rebel Kleff & Kiko Bun)
  6. 6. Still
  7. 7. England Penalty Shootout
  8. 8. Desoleil (feat. Sampha)
  9. 9. Loose Ends (feat. Jorja Smith)
  10. 10. Not Waving
  11. 11. Krispy
  12. 12. Sail Away
  13. 13. Looking Back
  14. 14. Carluccio
  15. 15. Dear Bean (feat. Jean Coyle-Larner)

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5 Kommentare

  • Vor 4 Jahren

    Gutes Album, das aber nicht ganz an den Vorgänger ran kommt.

  • Vor 4 Jahren

    Toller Künstler, über den ich mal wieder verspätet gestolpert bin. Super Beobachtungen, sehr geschmackssichere musikalische Untermalung und bemerkenswert deutliche Artikulation trotz british accent.

    Auf diesem Album ist mir das Ganze inhaltlich aber eine Spur zu verschmust, obwohl ich es nicht direkt cheesy finde und ihm die Emotionen schon abkaufe. Da hätten ein paar druckvollere Nummern, wie auf dem wirklich grandiosen Vorgänger (z.B. Isle of Arran oder No CD), gut getan. Spiegelt sich so auch live wieder, wo er zwar alles sehr sauber performt und über Interaktion mit dem Publikum auch ordentlich Stimmung macht, aber für meinen Geschmack einfach ein, zwei Feuerzeug-Nummern zu viel dabei hat.

    Egal, der Typ kann auf jeden Fall was und dürfte bei den Voraussetzungen (Skills, Grips, Geschmack!) auch in Zukunft äußerst Hörbares abliefern. Übrigens unbedingt auch (aber nicht nur) für den genrefremden Musikfreund geeignet. Konschissrap lebt!