laut.de-Kritik

... und der Teufel bläst die Blues Harp dazu.

Review von

"Scientific facto or stupid lie: HELLMONICA sounds better in 2013 than it did in 2012." Eine krude Theorie werfen Killa Instinct da per Facebook-Posting unters Volk. Zudem eine, die wir schwerlich auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen können.

Das Comeback-Werk der Britcore-Legenden erschien zwar bereits im vergangenen November. Die Veröffentlichung fand aber vermutlich heimlich in irgendeinem Keller statt, sorgsam abgeschirmt vor den Augen der Öffentlichkeit. Anders lässt sich gar nicht erklären, warum eine dermaßene Granatensammlung nicht längst den halben Kontinent planiert hat.

Wie auch immer das 2012 geklungen haben mag: 2013 reißt "Hellmonica" alles nieder. "Past is the future and future is the past." Allen, die auf der krampfhaften Suche nach dem vermeintlichen next level shit stier nach vorne blicken, sei ein beherzter Blick in den Rückspiegel angeraten. "Hellmonica" jedenfalls bläst einen ohne Umschweife zurück in die frühen 90er - und dort grußlos aus den Schuhen.

Vom freundlichen Vogelgezwitscher im "Intro" sollte man sich besser nicht einlullen lassen. Wer ein Date mit Bandog und DJ Geta vor sich hat, weiß hoffentlich, dass die Eierkuchenstimmung nicht von Dauer sein kann. Schon während die Mundharmonikaklänge in schräge und noch schrägere Gefilde abdriften, verdüstert sich der Himmel. Kompromisslose Cuts schneiden erst ins Trommelfell, dann tief ins Fleisch und bereiten den Boden für die Rückkehr wahrhaftig herzloser Bastarde.

Als "hard, harder, the hardest hardcore" definierten sich einst zwar andere. Killa Instinct dürfen sich diesen Mantel aber getrost ebenfalls umhängen. Mit ihrer geradezu klassischen Kombination aus samplebasierten Haudrauf-Beats, Scratches und rasenden Raps in Hochgeschwindigkeit rennen sie Türen ein, die sie mit "The Bambi Murders" vor Jahrzehnten schon selbst eingetreten haben. In ihrem Sog reißen sie - neben den unverwüstlichen dürstenden Britcore-Junkies - auch Punk- und Hardcore-Jünger mit sich. "Here we go again."

"Is it obscene or is it science? Poetry or pornography?" Oder alles zugleich? MC Bandog hatte schon immer ein bisschen mehr zu erzählen als andere Kinder. Jedenfalls quetscht er seit eh und je etwa achtmal so viel Text wie der durchschnittliche Rapper-Kollege in jeden Track - und kommt einem dabei trotzdem britischer vor als Her Majesty, die Queen.

Wie trittsicher dieser Typ in seinem lyrischen Amoklauf in Höllentempo über Stock und Stein fräst, ohne auch nur ein einziges Mal ins Straucheln zu geraten: schlicht bewundernswert. Schon das bloße Zuhören lässt einem die Zunge eine Armlänge weit aus dem Hals hängen. Um so verblüffender, dass er in Falasha tatsächlich einen Kompagnon gefunden hat, der das aberwitzige Tempo mitgehen kann. "Feel my rap." - eine überflüssige Aufforderung.

So garstig, sozial unverträglich und brutal, wie das Silbenstakkato über den Hörer hereinbricht, findet der ohnehin nirgends Deckung - zumal ihn vorher längst die Beats überrollt und zermalmt zurück gelassen haben. Die brettharten Soundwände taugten sogar dazu, Kollegen Edwin E. Edele eindlich einmal die zauselige Frisur zurecht zu fönen.

In "Heartless Bastards" drischt Metall auf Metall. Darüber pumpt, wabert und knattert es, als starte ein Kampfhubschrauber mit flappenden Rotorblättern. Killa Instinct verwursten ohne Unterschied staubige Drums und E-Gitarren. Dubbige Basslinien - insbesondere in "New Moon" oder "Get The Fuck Out Now" - wirken, als habe man sie direkt von Jamaika herüber geflogen. Überhaupt tropfen die Bässe schier vor einem Fettgehalt, wie man ihn sonst in Dancehall-Kontexten findet - mit viel Glück.

Irre Streicher oder noch durchgeknalltere Harfenklänge, Percussion, hier eine Ahnung von Boom-Bap, da ein Soulsample, Glockenschläge oder Wobbelbässe: Killa Instinct krallen sich, was immer sich gerade greifen lässt, verwursten es in ihrem finsteren Kosmos aus viel "Chaos" und einer Spur "Tranquility", und der Teufel persönlich bläst die Blues Harp dazu.

Wer so groovy, schon Comic-haft pompös, dabei aber zugleich speidreckig und (j'adore!) hardcore erscheinen kann, hat nichts zu befürchten und noch weniger zu verlieren. Keine Ahnung, was ihr macht. "I Scream Hellmonica".

Trackliste

  1. 1. Hellmonica Intro
  2. 2. Heartless Bastards
  3. 3. Snappin' Up Ya Necks
  4. 4. I Scream Hellmonica
  5. 5. Chaos And Tranquility
  6. 6. Time Is Running Out
  7. 7. Uninvited
  8. 8. New Moon
  9. 9. Holier Than Thou
  10. 10. Get The Fuck Out Now
  11. 11. Let It Out
  12. 12. Paradise Falls
  13. 13. Fear Won't Change This
  14. 14. Nothing To Lose

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