laut.de-Kritik

Fashion-Sense allein macht kein gutes Rapalbum.

Review von

Eigentlich sollte die Selbstverständlichkeit, mit der Jaden Smith die plötzliche Existenz seiner Rapkarriere hingenommen hat, ja ziemlich frustrierend sein. Da ist der Sohn von Weltstar Will Smith, der im Grunde schon eine Schauspielkarriere geschenkt bekommen hat, der prompt darauf mit Hochkarätern an der Produktion und allen notwendigen Kontakten in die Musikindustrie gestartet ist.

Faszinierenderweise war aber diese Ignoranz, dieser unverblümte Größenwahnsinn, einer der ausschlaggebenden Faktoren, dass sein Debütalbum "SYRE" 2017 eins der unterhaltsameren und musikalisch ansprechenderen Projekte 2017 darstellte. Dann ist dieser Junge eben ein Genie, eine Legende, ein Anwärter auf den Besten aller Zeiten. "I am just an icon living", rappte er auf "ICON". Warum? Hat er nicht erklärt. Wird er wohl auch nicht. Irgendwie ziemlich Punkrock, das einfach so unbegründet in den Raum zu werfen.

"The Sunset Tapes: A Cool Tape Story" steht nun in der wehleidigen Position, dieses Album sinnvoll weiterzuführen. Bedenkt man, dass vieles an "SYRE" wohl auch aufgrund der Neuartigkeit interessant war, wird schnell klar, welche Fehler dieses Follow-Up machen könnte. Und siehe da: Jaden Smith macht sie so ziemlich alle. Aber der Reihe nach.

Musikalisch orientiert er sich spürbar an den Vorbildern der 2010er-Hipster-Rap-Welt. Wenn ein Rapper dieses Jahr bei Camp Flog Gnaw aufgetreten ist, bedient sich Jaden vermutlich bei ihm. Kanye und Cudi, Brockhampton, "Flower Boy"-Ära Tyler The Creator und A$AP Rocky fallen sofort ein, aber auch ein bisschen Frank Ocean, ein wenig Yung Lean und ein Hauch von Khalid fallen in den Mix.

Leider entlehnt Jaden denen zwar Momente von Ästhetik und Klang, was Songs wie "SOHO" oder "FALLEN Part 2" musikalisch immer mal wieder recht ansprechend geraten lässt. Aber er zeigt sich auf "The Sunset Tapes" wenig daran interessiert, deren Arbeitsethos oder deren Energie zu übernehmen. Viele Songs auf diesem Mixtape fühlen sich unterentwickelt, halbgar oder regelrecht lustlos an. Auf Nummern wie "A Calabasas Freestyle" oder "Plastic" spittet er zwar ein bisschen, aber nicht im Ansatz mit dem Esprit seiner Vorbilder. Nicht einmal mit der Durchschlagskraft, die er sich auf eigenen Songs wie "Goku" oder "Icon" zur Messlatte gemacht hat.

Das Resultat ist ein Projekt, das über große Strecken schlicht langweilt. "Ten Ten" oder "Yeah Yeah" sind Tracks, die ein bisschen Future und ein bisschen Drake emulieren, aber weder deren Songwriter-Schärfe noch deren Charisma wirklich kanalisieren können. "Play This On A Mountain At Sunset" besteht aus einem fünf Minuten Piano-Piece, auf das Jaden durchgehend spürbar unsteten Autotune-Gesang zum Besten gibt.

Das Frustrierende ist ja, dass die Ambition weiterhin wie selbstverständlich da sind. Die Songs sind teilweise regelrecht größenwahnsinnig in ihrem Selbstanspruch, musikalisch zu experimentieren oder ungewöhnliche Songideen zu verwirklichen. Aber auch wenn fünf Minuten Piano mit Vocal-Manipulation vielleicht auf dem Papier spannend klingen, fehlt Jaden offensichtlich entweder musikalische Kompetenz oder Intuition, um seine Ideen in einen Zustand zu bringen, wo sie auch trotz ihrer Rawness überzeugen können. Es gibt so etwas wie 'zu unausgereift'eben auch noch in einer Ära, in der ein gewisser DIY-Flair Songs oft interessanter macht.

Ganz furchtbar wird es, wenn er auf "SYRE in Abbey Road" versucht, mit verschiedenen Layers Autotune-Gesang einen Moment zu erzeugen, der vermutlich an das legendäre "Runaway"-Outro auf Kanyes "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" erinnern soll. Tut es aber nicht. Es klingt nach ertrinkenden Hunden und Audacity-Vocal-Filtern.

Ironischerweise funktioniert Jaden Smith am Besten, wenn er all die lächerliche Ambition aus dem Fenster wirft und sich an einem energetischen Trap-Banger versucht. "Plastic" könnte man locker als den besten Song der Platte bezeichnen, denn hier lässt Jaden das spielen, das vermutlich den größten Appeal seiner Musik ausmacht: Seine Persönlichkeit und sein Charisma.

"The Sunset Tapes: A Cool Tape Story" hat Ideen, aber nicht einen Funken Geduld, die angemessene Arbeit zu investieren, damit eine gute Idee auch ein guter Song werden könnte. Durch diese Simplizität klingt die Platte über große Teile wie ein Lo-Fi-Hip Hop-Beattape, nur dass man unter Jingsang oder Vanilla ein paar Trapbeats und ein paar deplatzierte, uninspirierte Autotune-Raps gemischt hat. In diesem Tempo wird er das initiale Versprechen von "SYRE" wohl so bald nicht einlösen. Jaden hat eine Vision und eine Ästhetik, aber es fehlt im an Handwerk, um sie zu mehr als ein bisschen New Age-Rap-Chic zu bringen.

Trackliste

  1. 1. SOHO
  2. 2. A Calabasas Freestyle
  3. 3. Play This On A Mountain At Sunset
  4. 4. Plastic
  5. 5. Distant
  6. 6. Better Things
  7. 7. Yeah Yeah
  8. 8. SYRE In Abbey Road
  9. 9. Ten Ten
  10. 10. FALLEN Part 2
  11. 11. Rollin Around

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1 Kommentar mit 2 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Jetzt mal Realtalk, wer zum Fick da draußen ist ernsthaft daran interessiert, was Jaden Smith auf nen Beat stammelt? Der Typ hat exakt gar kein erkennbares Talent, was er auch als Schauspieler für ne absolut inkompetente Vollkatastrophe ist hat er in "The Get Down" eindrucksvoll unter Beweis gestellt, nachdem sie ihm die ca. dankbarste Rolle im Script auf nem Silbertablett serviert haben.

    • Vor 5 Jahren

      Und wie es eigentlich um den "Fashion Sense" des werten Herrn Gölz bestellt ist, wenn er in Tübingen zwischen Epplehaus, Campus und Awarenessworkshop im veganen Börekladen herumlurcht, würde mich auch mal interessieren.

    • Vor 5 Jahren

      Oi! Wenn du noch einmal Tübingen mit miesem "Fashion Sense" in Verbindung bringst, kommt gleich Boris Palmer persönlich bei dir vobei und zeigt dir seine nicen blauen Anzüge!
      #TübingenSwagcity