laut.de-Kritik

Wilder Ritt durch diverse Stilepochen der klassischen Musik.

Review von

Es ist wie im Kino. Bei Fortsetzungen gelungener Erstlinge kann es auch dem Fan mal langweilig werden. Hatten die Spielleute vor ziemlich genau drei Jahren noch typische Vaganten und Trinklieder aus der mittelalterlichen Textsammlung der Carmina Burana vertont, so wählten sie dieses Mal kirchliche und philosophische Inhalte, die Carl Orff in seiner Interpretation der Gesänge unberücksichtigt ließ.

Das Babelsberger Filmorchester samt Chören und Solisten unterstützte Corvus Corax bei der aufwändigen Produktion und soll auch an der Uraufführung in Wacken teilnehmen. Der erste Song "Veritas Simplex" gefällt noch mit mittelalterlich untermaltem Marschrhythmus. Der stimmgewaltige Chor wettert in typischem Orff-Stakkato gegen die Doppelzüngigkeit der Menschen. Das funktioniert als Einstieg ideal.

Bei den folgenden Tracks jedoch donnert und poltert das Orchester von der ersten Sekunde an los. Der Chor stimmt mit Vollgas ein. Eben dieses ewige Vollgas ist einer der Hauptschwachpunkte des Albums. Der stetige Bleifuß der Chöre wirkt schnell ermüdend, zumal kein roter Faden oder Spannungsaufbau erkennbar ist. Alles ist opulent und schreiend. Der Hörer ist schnell taub und satt bei dieser Musik. Die hervorragenden Solisten des Orchesters haben kaum Entfaltungsspielraum.

In "Vitium in Opere" tauchen Passagen mit rhythmischen Hörnern auf. Das klingt sehr nach Bruckner-light. So etwas machte schon Alan Parsons Project 1975 gern. Für ein Rockalbum vor 30 Jahren sicherlich neu und modern. Für ein ambitioniertes Klassikwerk ist das zu wenig.

"Ingordin Ingordan" hat einen teuflisch teuflischen Text. Chor und Solisten kämpfen mit eindrucksvollem Flüstern und Schreien gegen die Bedrohung durch Luzifer an. Hier zeigt sich: Die "Könige der Spielleute" haben was zu bieten, wenn man sich mal von den berühmten Vorbildern löst. Ergebnis: eine songdienliche Einheit.

Im Bonustrack "Chou Chou Sheng" ziehen Corvus Corax mit den speziell angefertigten Sackpfeifen ihr einziges Ass aus dem Ärmel. Man wähne sich auf einem mittelalterlichen Gauklerspektakel und fühle sich sofort zum Tanzen angeregt.

Für das Musikregal im Wohnzimmer ist dieser wilde Ritt durch diverse Stilepochen der klassischen Musik nicht zu empfehlen. Die CD möchte große Kunst sein. Der musikalische Rahmen erinnert jedoch eher an gängige Hollywoodsoundtracks von alten Monumentalfilmen a la "Cleopatra".

Zwischendurch überfrachtet die Band ihre Songs mit einem vollkommen unpassenden orientalischen Soundteppich. Das Schlimmste aber ist der Beat. Der Rhythmus einiger Tracks klingt wie ein Loop auf durchschnittlichen Lounge- und Drum&Bass-Samplern, ein bischen Patchwork eben. Hinzu kommt, dass die Einbindung von Bruckner, Orff und Co willkürlich wirkt, und die Qualität dieser Originale wird nur selten erreicht.

Auch die technisch perfekte Kopie alter Meister ist eben nur eine Kopie.

Trackliste

  1. 1. Veritas Simplex
  2. 2. Miser
  3. 3. Custodes Sunt Raptores
  4. 4. De Mundi Statu
  5. 5. Ordu Languet
  6. 6. Vitium In Opere
  7. 7. Quid Agam
  8. 8. Causa Ludi
  9. 9. Ingordin Et Ingordan
  10. 10. Magnum Detrimentum
  11. 11. In Orbem Universum
  12. 12. O Varium Fortune
  13. 13. Preces Ad Imperatoream

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29 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    mich würde interessiern, welche CD-Kritiken dieser Reszendetend noch geschrieben hat.... (damit ich nicht gleich alle durchlesen muß)

  • Vor 15 Jahren

    So, ich habe mir das Album doch tatsächlich gekauft. 1 Tag liegengelassen und heute dann ran an den Speck.
    Wie ich vermutete, ist es dürsterer und auch schwerer verdaulich als Teil 1
    Es kostete mich schon ein klein wenig Mühe bzw. Durchaltevermögen gegen Schluss, das Werk in einem Rutsch -mit entsprechender Lautstärke- zu hören. Aber der Tag war günstig, ich war alleine in der Wohnung und von nachbarschaftlicher Seite gab es auch keine Beschwerden wg. Lärmbelästigung und Ruhestörung an einem Sonntag. ;)

    Letztlich sehe ich das Album um einiges weniger "na ja", als Ulf es in seiner Rezension aus seiner Sicht beschreibt.
    Wie schon gesagt, es mag Tage geben, da tue ich mir diesen orchestral-bombastischen Orkan nicht unbedingt an.
    Aber grundsätzlich macht es Laune, macht Spaß und ich kann damit so richtig schön die Wände zum wackeln bringen.
    Auch diese Patchwork-Beats, die Ulf hört, höre ich einen gut Teil weniger "schlecht", sie sind sicher kein Ausbund an Originalität, aber allemal gut.

    Meine Wertung wird daher zweigeteilt: an guten Tagen erhält das Album ****, an schlechten Tagen ** 1/2. ;)