laut.de-Kritik

Copelands Super 8-Film über "diesen unglaublichen Ritt".

Review von

Der Musik-Liebhaber wird für diese Band immer einen kleinen Schrein im Herzen bewahren. Darauf opfert er Tränen des Trübsals ob der Tatsache, dass das Trio wohl nie nie nie wieder zusammen auf der Bühne stehen, geschweige denn ein Album produzieren wird. Ok, den Schmerz über das Dahinscheiden einer Band vom Kaliber The Police mag der Back-Katalog etwas lindern, aber die Frage "was wäre gewesen, wenn ..." steht für alle Zeit im Raum.

Die Frage beantwortet die von Stewart Copeland umgesetzte Dokumentation über The Police zwar auch nicht, aber dafür gewährt er mit seinen Super 8-Aufnahmen äußerst intime Einblicke in die Karriere der Combo. Streng chronologisch zeichnet das Schlagzeug-Genie den Erfolgsweg der drei Musiker nach.

Copeland agiert nicht nur als Bilderlieferant, sondern gibt auch den Geschichten-Erzähler, der mit sonorer Onkel-Stimme und amerikanischem Akzent die Bilder kommentiert und sie in den musikhistorischen Kontext eingliedert. Man darf sich hier jedoch keine falschen Hoffnungen machen, dass die Bilder das wirkliche Innenleben der Musiker wiedergeben würden. "Everyone Stares" ist eben nicht ein frühes "Some Kind Of Monster", in dem Musiker ihre Seele nach außen stülpen, um Probleme in aller Öffentlichkeit zu bewältigen. Im Gegenteil. Vieles, was hier zu sehen ist, besteht aus sinnbefreitem Schwachsinn und ausgelassener Blödelei, die erst mit Copelands Kommentar einen informativen Mehrwert erhalten.

Die Umsetzung des Vorhabens, die Police-History auf DVD zu bannen, gerät schon fast künstlerisch. Die in ihrer Qualität erstaunlich guten Aufnahmen bilden mit netten Standbildern eine sehr schöne Einheit, der Stewart mit seinem Insider-Wissen das akustische Sahnehäubchen aufsetzt. Der Kommentar hat zwar Charme eines amerikanischen Nachrichtensprechers, aber was soll's. Der Zuschauer staunt über Autogrammstunden auf ihrer ersten US-Tour, während der eine doch recht überschaubare Anzahl von Fans anwesend ist. Szenen, die keine zwei Jahre später nur noch schwer vorstellbar sind. Oder kennt von euch jemand das Kaff Moyock in Virginia? Eben!

Die ersten Aktivitäten in den USA sind von einer angenehm naiven Aufbruchstimmung geprägt. Jedem der Protagonisten ist anzumerken, wie aufregend die ungewohnten Erlebnisse sind. Da spielt es letztendlich auch keine Rolle, ob man gerade mit einem klapprigen Bus durch den öden mittleren Westen der Staaten fährt. Von dort geht's direkt in bundesdeutsche TV-Sendungen, die sich besonders durch dämliche Kulissenbilder auszeichneten. Remember Musikladen und die übergeblendeten nackten Titties? Copeland, Sting und Summers dürften sich vorgekommen sein wie der Bayer im Himmel. Frohlocken!

Der Aufstieg der Nobodys von armen Schluckern zum heißesten Scheiß des Planeten geht derart rasant voran, dass die am Ende stehende Auflösung nur konsequent erscheint. Copeland behält dabei stets eine emotionale Distanz zu den Vorgängen bei, so dass der letztliche Big Bang und das damit einhergehenden Ende von The Police nur natürlich daher kommt. Realitätsverlust, Distanz zum Partner, das Aufeinanderhocken während des Touralltags und Stings zunehmende Dominanz finden zwar auch Berücksichtigung, bleiben jedoch eher eine Randnotiz innerhalb der Bilderflut.

Und überhaupt: Gibt es eigentlich soziologische Studien darüber, weshalb der Welterfolg einer Band mit gleichzeitig proportional steigendem Weibergekreische einher gehen muss? Nicht auszudenken, wenn das anders wäre. Die Beatles würden vielleicht heute noch zusammen durch die Bierzelte tingeln, und auch The Police könnten noch unterwegs sein. Jetzt wisst ihrs, ihr Mädels da draußen: Das weibliche Geschlecht ist immer schuld daran, dass große Bands auseinander brechen. Wenn mal keine Yoko Ono zur Hand ist, tuts auch hysterisches Gekeife.

Von den energiegeladenen Low Budget-Anfängen bis hin zum Zeitpunkt, als Synthesizer, Weltmusik und Jazz in größerem Rahmen Einzug in den Police-Sound hielten: "Everyone Stares" beschreibt dies in Bild und Ton sehr unterhaltsam. Man mag eine Träne im Knopfloch tragen beim Betrachten der Entwicklung vom Insider-Tipp hin zu gefeierten Weltstars, die mit opulentem Bühnensound in der Endphase des Bandbestehens den Planeten rockte.

Schließlich kann es sich Copeland dann glücklicherweise doch nicht verkneifen, etwas wehmütig auf das Ende zu blicken. "Meine Drum-Sticks sollen nicht in meinen Händen ruhen, ehe ich nicht Jerusalem erbaut habe. Aber wo ist meine Band?" Kleiner Gruß an dieser Stelle einmal mehr an die Flitzpiepen, die die Untertitel übersetzen: Ihr habt hier das "nicht" vergessen, ihr Idioten.

Im Extra-Teil kann man sich einen Audiokommentar von Copeland und Sumners hinzu schalten. Was die Bilder mit dem Originalkommentar von Stewart noch vermissen lassen, nämlich das Persönliche, dringt hier wehmütig durch jede Szene der Doku. Neben diesem interessanten Feature darf man unter "Behind Andy's Camel" noch einige in der Doku nicht enthaltene Szenen bewundern und drüber lachen. Speziell bei Aufnahmesession mit Stewarts Bruder Miles, der eine industrial-lastige Version von "Every Breath You Take" zum Besten gibt, fällt einem vor lauter Lachen fast der Arsch ab.

In lockeren Reimen beschreibt Stewart im Hauptfilm schließlich das Ende, ehe Sting noch einmal zu Wort kommen darf: "Ich gebe dem Mann mit der Kamera die Schuld an all meinen Problemen". Ob das im Spaß nur so dahin gesagt wurde? Man wird es wohl nie erfahren. Zumindest erwidert Stewart während des Audio-Kommentars im Extrateil "Danke Sting für diese Zeile. Ich akzeptiere! Ich nehme die Schuld für all deine Probleme auf mich, Stingo! ha ha!!" Wenn da mal nicht auch etwas Verbitterung mitschwingt ...

Im Extra-Teil lässt es sich Copeland zum Schluss nicht nehmen, doch noch sympathisch sentimental zu werden. "Und dann war es vorbei. Viele Menschen träumen von Ruhm und Glück, und seltsamerweise tu ich das heute immer noch. Dank eines seltsamen Glückstreffers habe ich eine Kamera zur Hand genommen und einen Film über diesen unglaublichen Ritt gemacht". Danke Stewart. Schnüff ...

Trackliste

Dokumentation

  1. 1. The First Two Years
  2. 2. I Got This Movie Camera
  3. 3. And It May Sound Strange
  4. 4. Europe Summer Festivals
  5. 5. Next To You At Lorelei
  6. 6. First Frenzy
  7. 7. Chat To Camera During Show
  8. 8. Andy At The Blue Bar
  9. 9. Blonde Life
  10. 10. Newsreels
  11. 11. Zenyatta
  12. 12. Back To America Huge
  13. 13. Doo Doo Inna Snow Snow
  14. 14. Getting Disconnected
  15. 15. Montserrat
  16. 16. World Conquest
  17. 17. No Sleep Till Hammersmith
  18. 18. US Festivals - From The Front
  19. 19. End Credits

Extras

  1. 20. Behind Andy's Camel
  2. 21. Live "Shards"
  3. 22. Stewart & Andy's Commentary

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT The Police

The Police. Die Polizei. In den Siebzigern ist diese kleine, aber überaus feine Band ein ruhender Pol im Spannungsfeld zwischen dem Artrock-Gedudel psychedelischer …

Noch keine Kommentare