laut.de-Kritik

Die spannendste Hochzeit des Jahres.

Review von

Vorhang auf für eine der interessantesten Elefantenhochzeiten überhaupt. Sunn O))) treffen Ulver! Die Drone-Metal-Paten vermählen sich mit der Band der 1000 Gesichter. Da steigt die Erwartungshaltung automatisch ins nahezu Unermessliche. Und selbstverständlich wird diese nicht enttäuscht. "Terrestrials" verfügt zwar nur über drei Tracks, die eine Sinfonie bilden, und eine recht kurze Spielzeit von 35 Minuten. Die Platte hat es aber dermaßen in sich, dass sie an der Schwelle zum Meisterwerk kratzt.

Das Fundament dieser Sinfonie geht auf Aufnahmen zurück, die bereits anno 2008 in Kristoffer Ryggs Crystal Canyon-Studio entstanden. Dort, im Hort der Wölfe, entfaltete sich sofort eine spontane und sehr intensive Zusammenarbeit der Ulver mit Sunn o)))s Stephen O Malley/Greg Anderson. Über die nächsten Jahre schliffen und verfeinerten sie gemeinsam den Rohdiamanten, bis er sich nunmehr endlich auf unseren Plattentellern wiederfindet.

Das Klang gewordene Kind dieser Liebesehe verkörpert einmal mehr Ulvers oftmaligen Bezug zur Sonne und ihrer puren Energie. Das fängt mit dem Symbolträchtigen Cover an und setzt sich in Titeln wie "Let There Be Light" fort. Auch die Musik wirkt wie ein lebender, lichtdurchfluteter Organismus, der sich selbst genug ist und unaufhörlich in kaum wahrnehmbarer Langsamkeit um die eigene Achse rotiert.

Songs im konventionellen Sinne kommen dabei nicht heraus. Vielmehr sind es hochgradig intensive Flächenkompositionen, die atmosphärisch Enos strahlende Ambientwerke mit Góreckis dräuender Symphonik und Miles Davis' psychedelic-electric Jazz-Eruptionen analog "Bitches Brew" miteinander verknüpfen. Dennoch klingen sie keine Sekunde epigonal. Im Gegenteil: Beide Bands behalten auch im Gemisch ihres musikalischen Koitus stets ihre wieder erkennbare Eigenständigkeit und potentieren dennoch gemeinsame jeweilige Intensität des Einzelnen.

Der erste Satz ("Let There Be Light") kommt zunächst scheinbar harmlos daher, wie die ersten Strahlen des keimenden Frühlings. Wie ein Schwellkörper wächst der breit gestreute Track peu à peu zu voller Pracht heran. Besondere Aufmerksamkeit verdient die wundervolle Trompete Stig Espen Hundsnes. Großartig, wie er dem statischen Lied die erforderliche Prise flirrender Anmut verleiht. Zum Ende des Songs kulminiert alles in epischem Drumgewitter. Hypnotischer geht es kaum.

Der zweite Satz, "Western Horn", steht deutlich mehr im stilistischen Zeichen von Sunn O))). O Malleys Gitarre tanzt auf einer einzelnen Drone-Note und gibt als Ruder den Ton an. Die Sonne ist längst fort. Wie ein nächtlicher Fährmann steuert er das finstere Lied durch seine dunklen Gewässer. Vereinzelte Trompetenfetzen und freudlos welkende Violinen beseitigen die letzten Reste der vormaligen Helligkeit des ersten Satzes. Ein wundervoll melancholisches Juwel.

Der dritte Satz, "Eternal Return", macht seinem Namen hernach alle Ehre. Die Sonne kehrt zurück wie jeden Morgen. Hier sollten alle Freunde von Bohren Und Der Club Of Gore mehr als nur ein Ohr riskieren. Alles fließt zunächst verhalten. Beeindruckend, wie die beiden Geigen nach und nach zu neuem Leben erwachen und erblühen. Während man von diesem Kokon komplett umhüllt ist, entpuppt sich aus dem Stillleben urplötzlich ein echter Song im fast klassischen Sinne. Als Krönung dieses Effekts erhebt Greg Anderson die Stimme zu einem mythischen Gedicht. Doch das ist schnell wieder vorbei. Das Ende versinkt angemessen in den letzten Ambient-Schreien der beiden Streichinstrumente. Schluss!

Letztlich möchte ich die herausragende Platte nicht nur Freunden von Ambient und Drone Metal ans Herz legen. Trotz des experimentellen Charakters kann man die Fusion der Sonnenkönige ohne jede Anstrengung oder stilistische Vorbildung genießen. Ein hervorragender Beweis dafür, dass Kunst und Spaß einander nicht ausschließen, sondern bedingen. Schon jetzt eine der spannendsten CDs des jungen Jahres.

Trackliste

  1. 1. Let There Be Light
  2. 2. Western Horn
  3. 3. Eternal Return

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6 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Kommt gut, braucht aber einige Zeit, was bei Ulver eigentlich immer der Fall ist. Dafür wird man aber mehr als entschädigt!
    Im Vergleich zu bspw. 'Silence teaches you how to sing', wirkt diese Zusammenarbeit um einiges interessanter und elaborierter. Way to go, Ulver!

  • Vor 10 Jahren

    Sunn O))) kann ich nicht ab, Ulver hingegen sehr. Mal reinhören.

  • Vor 10 Jahren

    Das letzte gute von Ulver war imho die Kveldssanger, Sunn O)) ist mir zu unmelodisch. Ja, ich bin ein Banause.

    • Vor 10 Jahren

      Kveldsanger ist wohl eine Neofolk-Tröte, die es 1000 mal besser gibt (nur mal Vali genannt). Ulver Bergtatt klasse, da es einer meiner Lieblingbands Agalloch überhaupt erst inspirierte. Das Raw BM-Dingens ist dann mit Ohrenweh verbunden. Ulver wurden dann perfekt, als sie zu Electronic übergingen: Perdition City and Blood inside sind dermaßen vielschichtig. Dieses Alben nachts auf die Lauscher bei einem Spaziergang durch eine Stadt - Wahnsinn, diese Intensität.

    • Vor 10 Jahren

      Bergtatt ist auch gut, kam aber vor Kveldssanger raus. Die nattens madrigal ist leider unhörbar. Die elektronischen Sachen waren mir dann zu... suspekt. Aber die zwei von Dir genannten Alben muss ich mir dann wohl mal antesten.

  • Vor 10 Jahren

    Der Drone-Hype ist ja schon lange vorbei, musste selber schmerzlich feststellen, dass man damit auf eBay nicht mehr die Patte machen kann wie noch vor 4 oder 5 Jahren. Waere allerdings mal interessant, 'Black One' auf Ketamin zu hoeren.

  • Vor 10 Jahren

    Sunn O))) mochte ich nie so richtig, von der Beschreibung her klingts aber so gut das ich mal reinhören werde. Bezüglich Drone/Ambient ist es allerdings geradezu ein Skandal das Laut.de Tim Hecker ignoriert, der seit Jahren mit seinem Sound brilliert:
    http://www.youtube.com/watch?v=1NkZVWXK5jM

  • Vor 10 Jahren

    Unendliche Dunkelheit, das gibt es bei vielen Bands aus dem Black Metal. Doch hier trifft keine brachiale hasserfüllte Gewalt auf den Hörer sondern siechende, wabernde Dunkelheit, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Resignation und Chaos. Schreie nach Hoffnung und kleine Lichtschimmer mag es hier geben doch sie finden kein Ziel. Sie werden direkt von der Dunkelheit überdeckt, von ihr aufgesogen. Es gibt kein Licht am Horizont nur anhaltende Dunkelheit. Hier gibt es kein Happy End.