laut.de-Kritik

Musik als Droge ohne Nebenwirkungen.

Review von

Dem Riesenerfolg des Albums "Sonne" stand die 15 Konzerte umfassende Livetour in ausnahmslos ausverkauften Arenen in nichts nach. Christopher von Deylen hat schon was vom unbekannten Superstar, nicht nur, was die Absatzzahlen angeht. Um dem Geheimnis des Erfolges auf den Grund zu kommen, bietet die "Sonne Live"-DVD zumindest ein paar Anhaltspunkte.

Die ausverkaufte Halle der Berliner O2-World ist in Dunkelheit gehüllt. Erste chillige Klänge ertönen, und schon brandet Jubel auf. Dann die obligatorische, zum Markenzeichen gewordene Ansage: "Guten Abend. Herzlich willkommen in der neuen Welt von Schiller." Was Assoziationen an die legendäre "Hallo. Hier spricht Edgar Wallace"-Ansage weckt. Lichtblitze zucken auf, und mit "Willkommen" begrüßen von Deylen & Co. die Besucher.

Zu Beginn stehen die aktuellen Songs auf dem Programm. Die werden ebenso frenetisch gefeiert wie die Klassiker aus dem Schiller-Repertoire. Für "Velvet Aeroplane" veredelt durch Kate Havnevik erstmals eine Gesangsstimme die schwellenden Synthiesounds und knackigen Beats. Eine extrovertierte Bühnenshow bietet sie nicht, sondern fügt sich gefällig ein ins ins schillersche Gesamtkonzept. Ebenso wie Kollegin Meredith Call, die nicht nur auf dem sanft intonierten "The Silence" einen guten Eindruck hinterlässt.

Wie beim Hören der separaten Studio-CDs schleicht sich dann und wann das Gefühl von sphärisch wallender Übersättigung ein. So viele weiche Sounds und wattige Beats können bei sensiblen Fans, besonders aus dem Indie- und Rocklager, gewiss einen Zuckerschock auslösen. Doch Vertreter dieser Spezies sind wohl kaum an diesem Abend in Berlin anzutreffen. Der gemeine Schiller-Fan hingegen fühlt sich warm und geborgen in den Soundumarmungen des Meisters.

Wie bei von von Deylen-Produktionen gewohnt, steht die DVD auf technisch hohem Niveau. Am sauberen und klaren, beispielhaft klingenden 5.1-Ton gibt es nichts zu mäkeln. Die aus 20 Perspektiven agierenden Kameras fangen die Atmosphäre treffsicher ein, wobei Kontrast zur oberflächlichen Hektik vieler Musikvideos oder Konzertfilme auffällt.

Statt hektischer Schnitte steht das ruhige Wandern und auch Verweilen des Bildes im Vordergrund. Um so nachhaltiger wirken die besonderen Effekte, wenn etwa Lichtkaskaden emporschießen und die Bühne wie einen Dom kathredalenhaft ausleuchten. Die üppige Lightshow betäubt nicht mit Stroboskopgewittern, sondern schafft eine untermalende Atmosphäre.

Dem passen sich von Deylen und seine Mitstreiter an. Wer eine wilde Bühnenshow erwartet, muss andere Acts aufsuchen. Gesittet und diszipliniert verrichten die Musiker ihren Job. Emotionsausbrüche werden bestenfalls angedeutet, im Vordergrund stehen Disziplin und untadelig ausgeführtes Handwerk. Christopher von Deylen hält trotz zurückhaltender Bühnenpräsenz die Zügel immer fest in der Hand.

Rhythmisch begeistern besonders die wuchtigen Drums für "Kon-Tiki". Frenetisch gefeiert wird natürlich Schillers Durchbruch, das "Glockenspiel". Wer ist eigentlich der typische Schiller-Fan? Darüber geben die übers und ins Publikum wandernden Schwenks Aufschluss. Hemmungsloser Enthusiasmus und orgiastische Hingabe finden hier nicht statt. Gepflegtes Ü30, das keinerlei Lust hat, sich an Revolutionen zu beteiligen, bildet die Mehrzahl.

140 Minuten dauert das Konzerterlebnis, und von Deylen setzt klar auf die Formel "Bewahrt das Bewährte". Musik und Licht als Drogen ohne schädlichen Nebenwirkungen - für die Schar der von Deylen-Jünger langt das zum wohligen Rauschzustand.

Trackliste

  1. 1. Willkommen
  2. 2. Lichtermeer
  3. 3. Solaris
  4. 4. Kon-Tiki
  5. 5. Revelation
  6. 6. Velvet Aeroplane
  7. 7. Schiller
  8. 8. The Silence
  9. 9. Reach Out
  10. 10. Sommernacht
  11. 11. Berlin - Moskau
  12. 12. Mitternacht
  13. 13. Leidenschaft
  14. 14. Ghost
  15. 15. The Fire
  16. 16. Sehnsucht
  17. 17. Das Glockenspiel
  18. 18. Always You
  19. 19. Einklang
  20. 20. Epic Shores
  21. 21. Heimathafen
  22. 22. Blind
  23. 23. Playing With Madness
  24. 24. Nachtflug
  25. 25. Ein Schöner Tag
  26. 26. Ruhe
  27. 27. Reprise

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LAUT.DE-PORTRÄT Schiller

Nein, hier geht es nicht um den guten alten Friedrich, sondern um das Trance-Projekt der Herren Mirko von Schlieffen und Christopher von Deylen aus Hamburg.

3 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Moin...kann es sein du nur etwas mehr als die Hälfte vom Konzert angesehen hast ? ;) Aber prinzipiell hast du Recht...leider ist die Entwicklung von Schiller nicht so prall. War es auf Weltreise, Tag und Nacht bzw. Sehnsucht noch ein illustres Musiker-stell-dich-ein, hat sich das Projekt als Zentrierung auf Christopher von Deylen entwickelt. Leider versinkt die Musik dabei in die Belanglosigkeit...aber leider scheint es CvD nicht wirklich zu interessieren bzw. scheint er es nicht zu merken. Es sind bei dem Konzert viel zu wenige Highlights dabei..

  • Vor 11 Jahren

    Habe sogar die Extras gesehen, die aber nicht sonderlich prickelnd sind! ;-) Natürlich kann man wg. der kompletten Länge einer Konzert-DVD immer erheblich mehr schreiben, aber überlange Texte liegen (meist) nicht im Sinn des Lesers. Wichtig ist auf jeden Fall eine ausführliche, und möglichst rundum informative Zusammenfassung, die - wie ich meine - hier auch vorliegt, aber eben nicht auf jeden Song eingehen kann/will.

  • Vor 11 Jahren

    Prinzipiell hast du ja Recht - es kam nur so rüber als hättest du nach Glockenspiel ausgemacht ;). Die Extras kann man voll vergessen. Interessant ist, dass die Stimmung zum Ende hin...Playing with madness, Nachtflug etc. deutlich besser ist als beim Rest. Das müsste doch Herrn von Deylen mal auffallen...?!?