Ende März stimmt das EU-Parlament über eine neue Richtlinie zum Urheberrecht ab. Doch die gefährdet Internet und Meinungsfreiheit, sagen Kritiker.

Brüssel/Berlin (timm) - Artikel 13 ist schon jetzt eines der Unworte des Jahres 2019. Dieses Kernstück der geplanten europäischen Urheberrechtsreform ist ohne sogenannte Uploadfilter nicht umsetzbar - auch wenn ein zuletzt von der CDU lanciertes Papier das Gegenteil suggeriert. CDU und SPD hatten Uploadfilter sogar im Koalitionsvertrag ausgeschlossen. Nun werden sie trotzdem kommen, obwohl kaum jemand bestreitet, dass vor allem große Konzerne wie Google von ihnen profitieren werden.

"Ich bin überrascht, dass die Autoren nicht wenigstens versucht haben, so zu wirken, als würden sie den Leuten zuhören", spottet Cory Doctorow von der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation. Dabei ist eine Reform des Urheberrechts grundsätzlich richtig und wichtig. Die aktuelle Urheberrechtsrichtlinie auf EU-Ebene stammt aus dem Jahr 2001: Aus einer Zeit ohne soziale Medien, Smartphones oder iTunes.

Ein Lehrbeispiel für abgehobene Politik

Seit 2016 diskutiert Europa über eine Urheberrechtsreform auf der Basis von Vorschlägen des damaligen EU-Kommissars Günther Oettinger, Ende März soll das EU-Parlament abstimmen. Umstritten sind dabei vor allem die Artikel 11 und 13: Die Menschen gehen auf die Straße, Petitionen werden unterschrieben, EU-Politiker mit E-Mails bombardiert. Doch worum geht es überhaupt?

Artikel 11 beschäftigt sich mit "Verlinkungen zu Inhalten von Presseverlagen." Auf Google News etwa sieht man ein Vorschaubild, Überschriften und einen kleinen Vorschautext zu fremden Inhalten. Google profitiert, zahlt jedoch nichts oder fast nichts an die Verlage. Künftig sollen auch kurze Teaser-Texte, kurze Zitate und Ähnliches vergütet werden.

Vorbild ist das deutsche "Leistungsschutzrecht für Presseverleger (LSR)" von 2013, für das sich schon damals Springer stark gemacht hatte. Dieses Gesetz gilt jedoch als gescheitert - die meisten Publisher erlaubten Google weiterhin die Nutzung ihrer Inhalte, weil der Dienst ihnen eben auch viele Nutzer zuführte.

Laut Artikel 13 sollen Plattformen wie Youtube oder Instagram, die es ihren Nutzern ermöglichen, Inhalte ins Netz zu stellen, künftig gewährleisten, dass diese Nutzer keine Urheberrechtsverletzung begehen. Juristen stören sich dabei vor allem an den zu allgemeinen Formulierungen, die Artikel 13 enthält.

Was sind "geeignete Techniken"?

Der bislang nur in englischer Sprache vorliegende Entwurf verlangt von Plattform-Betreibern "beste Anstrengungen" ("best efforts"), um Lizenzen der Rechteinhaber zu erwerben. Dabei bleibt nicht nur offen, was "beste Anstrengungen" sind. Auch wen genau Plattform-Inhaber vorab ansprechen müssen, bleibt unklar: "Rechteinhaber" ("rightholder") kann im Smartphone-Zeitalter schließlich jeder sein.

Verweigern die Rechteinhaber die Lizenz, müssen Plattform-Betreiber wiederum "beste Anstrengungen" unternehmen und "geeignete Techniken" zu Verfügung stellen, um den Upload des geschützten Materials bereits im Vorfeld zu verhindern.

Das jedoch geht nur über sogenannte Uploadfilter, wie sie Youtube bereits in Form des Content-ID-Systems einsetzt. In diesen Uploadfilter hat Google bereits viel Geld investiert, dennoch arbeitet er bislang keineswegs zuverlässig.

Meinungsfreiheit ist "massiv gefährdet"

Kritiker befürchten nicht nur, dass Uploadfilter Inhalte wie z.B. Memes und Remixe automatisch blockieren könnten. So lange nicht gerichtlich abschließend geklärt wäre, was genau eigentlich die "besten Anstrengungen" sind, werden Plattformen eher überrestriktiv vorgehen, um Urheberrechtsklagen zu vermeiden. Auch Rechtsanwalt Michael Terhaag von der Düsseldorfer Kanzlei Terhaag & Partner rechnet im Fall einer Verabschiedung der Richtlinie mit "Overblocking, also dem überobligatorischen und übertriebenen Sperren vermeintlich unzulässiger Inhalte."

Der renommierte Spezialist in Medienrecht glaubt nicht, "dass ein Uploadfilter, also ein Computerprogramm, Sachzusammenhänge vollständig erfassen kann. Die Filter können nicht oder eben nur schwer zwischen Parodie, Zitat und Raubkopie unterscheiden. Auch die Kunst- und Meinungsfreiheit sehe ich daher massiv gefährdet", sagte Terhaag auf Anfrage von laut.de.

Rette dein Internet!

Dabei ist die Intention, die ursprünglich hinter den Artikeln 11 und 13 stand, nämlich den Monopolen großer amerikanischer Unternehmen entgegenzuwirken und diese zur Kasse zu bitten, lobenswert und richtig. Wenn allerdings die oben genannte "geeignete Technik" nur von den großen US-Unternehmen gestemmt werden kann und diese mittels Lizenzierung nicht nur ihren Umsatz sondern auch die dabei 'erbeuteten' Datenmengen steigern, erreicht man wieder einmal das Gegenteil des Gewünschten.

Auch der Missbrauch eines solchen Zensurtools durch Regierungen oder Unternehmen ist naheliegend. Deshalb hält sogar der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung die aktuellen Pläne für "falsch und gefährlich". Und die Redaktion von Wallstreet Online bescheinigt den Autoren der Urheberrechtsreform komplette Ahnungslosigkeit.

Mittlerweile regt sich Widerstand auf breiter Front. In einem offenen Brief haben 130 Technologie-Unternehmen aus ganz Europa heute vor der geplanten Reform gewarnt und die Abgeordneten des EU-Parlaments aufgefordert, gegen den Entwurf zu stimmen. Die Reform stärke große US-Firmen, heißt es in dem Brief, und: "Europa verspielt seine Chance, eine wichtige Rolle auf der Weltbühne zu spielen".

Dem Bündnis "Foren gegen Upload-Filter" haben sich bereits 385 deutschsprachige Foren mit mehr als 15 Millionen angemeldeten Nutzern angeschlossen. Die deutschsprachige Wikipedia will am Mittwoch ihre Plattform komplett abschalten. Sie will dann nur noch auf die Demonstrationen gegen Artikel 13 hinweisen, die am 23. März in ganz Europa stattfinden. In Deutschland ist die größte Protestveranstaltung in Berlin.

Der Gesetzgeber muss endlich verstehen, dass heutzutage jeder Urheber ist oder zumindest sein kann. Wir alle sind Konsument und Produzent gleichzeitig. Wir alle nutzen das Internet jeden Tag. Und nun ist es an der Zeit zu handeln. #saveyourinternet #niewiedercdu

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3 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Dazu gab's gestern im World Wide Wohnzimmer eine - wenigstens meiner Meinung nach - recht interessante Diskussion, die zwar am Markus-Lanz-Syndrom krankte (irgendwann muß mal jemand kommen und Moderatoren erklären, daß sie ihre Gäste einfach mal einen Gedankengang zu Ende führen lassen sollten, auch wenn dieser noch einen Halbsatz länger dauert, weil - so was wie ein "Fazit" am Ende einer Rede ist oft interessanter als die komplette vorige Herleitung - so'n ewiger Drumroll ohne abschließendes Ta-dah macht über 100 Minuten gestreckt keinen Spaß) und sich als zahnloser herausstellte, als sie hätte sein können, da man die Gäste in zwei Vierergruppen aufteilte, was das sicher sehr wortgewaltige Aufeinandertreffen bestimmter Protagonisten leider verhinderte. Ach ja, und so ein paar Gesellen, die sich in der jüngeren Vergangenheit mit sonderbaren Aktionen und Begründungen einer sachlichen Diskussion entzogen und durch herablassende bis ignorante Kommentare Öl ins Feuer gossen, hab' ich leider im Wohnzimmer auch vermißt.
    https://www.youtube.com/watch?v=KKzl10fL-cU
    Umgekehrt - genau dadurch wurden die einzelnen Positionen deutlicher (hey! Fakten! Argumente!), die wider Erwarten doch recht große gemeinsame Basis bzw. die grundsätzliche Befürwortung der Gesetzesänderung, die Gesprächsbereitschaft bestimmter Gruppierungen und nicht zuletzt auch ein paar alternative Ideen (bzw. warum auch diese nicht funktionieren können oder Beteiligte vor unbequeme Aufgaben stellen).
    Acht Gesprächspartner waren nicht nur für die Moderatoren ein bißchen zuviel des Guten, es reichte auch nicht, manche Punkte weiter in die Tiefe zu diskutieren, aber für eine erste Standortbestimmung hat's auf jeden Fall gereicht.
    Gruß
    Skywise

  • Vor 5 Jahren

    ich denke, hier wird versucht 2 fliegen mit einer klappe zu schlagen. einerseits die content-lobby, die via EU ihre Wünsche durchsetzen möchten. Andererseits die bürgerlichen und bürgerlich-linken parteien, welche gegen "RÄCHTZPOPULISTEN!!11" vorgehen wollen. denn irgendwie hat man den sprung ins internet verpasst. abgesehen von einer winzig kleinen blase von allen möglichen linker randgruppen, die sich einreden, wichtig/wichtig und relevant zu sein und darüber jammern, dass sie diskriminiert werden...das internet gehört den rechten (trollen). Da diese sich via WWW organisieren, strukturieren und vorgehen und aber unfähig sind, in irgendeiner einer anderen form als über Memes zu kommunizieren, versucht man denen gerade die kommunikation zu kastrieren. Mit artikel 13 wären EU weit keine MEMEs mehr möglich. Und linke können nun einmal keine MEMEs. traurig aber wahr.
    Die Fuckbook-Gruppen, die sich durch das posten von (vermeintlichen)fake news in rage putschen und dann agieren wären eliminiert. Nahezu alle alternativen youtube aktivisten könnten keinerlei Fremdmaterial zitieren, um dann zu kommentieren...usw. All das hat Trump und die europäischen "RÄCHTZPOPULISTEN" macht und Einfluss gegeben. Und wäre mit Artikel 13 nicht mehr möglich. Damit haben sich die öffentlich-rechtlichen und die Bürgerlichen ihrer größten Bedrohung entledigt...

    • Vor 5 Jahren

      Gutes Trolling.

    • Vor 5 Jahren

      Naja die islamapologetischen GEZ-dirnen der "Jäger& Sammler" konnten mit vereinten Kräften erfolgreich aus YouTube gemobbt werden. An dem Mobbing aus dem kompletten Internet wird gearbeitet. Ich hoffe, rayk anders wird auch bald systematisch in den Selbstmord getrieben. Alle größeren linken Magazine haben ihre Kommentarsektion abgeschafft oder eingeschränkt. Die einzigen, die noch Kommentare zulassen ist die Zeit. Und dort bestehen 75% des Forums aus "dieser Beitrag wurde entfernt" und "der Beitrag auf den sie sich beziehen wurde entfernt"

    • Vor 5 Jahren

      Ansonsten kann man sich ja Mal ansehen, wie das Like zu dislike Verhältnis von Kommentaren bei welt.de oder FAZ aussieht. Es mag keinerlei Auswirkungen auf die Realität haben. Aber das Internet ist fest in der hand der rechten trolle. Da kann FUNK noch so viel gez schekel in den Arsch geblasen werden und "böhmi" reconquista Internet skandieren.
      Ein weiteres gutes Beispiel sind tweets von swansan oder pöbel-ralle. Die überwiegende Anzahl der Reaktionen sind H88
      Und auf jeden typen, der Böhmermann folgt kommen 3 (Fake)Accounts die geblockt werden wegen h8

    • Vor 5 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 5 Jahren

      "Ich hoffe, rayk anders wird auch bald systematisch in den Selbstmord getrieben."

      /sign. Der Leiffelsbursche noch dazu, das wäre fein.

    • Vor 5 Jahren

      Naja, das ist ja aber jetzt auch alles nicht so super verwunderlich. Je weniger sozial anerkannt/eingebunden man ist und je trauriger das eigene Leben ist, desto mehr Stunk macht man halt im Internet. Der Rest hoppelt vielleicht auf Facebook rum, macht sich sonst aber wohl kaum die Mühe, irgendwelche albernen Like/Dislike-Bar- Und Kommentarsektionsgrabenkämpfe auszufechten. Weil's halt auch ziemlich albern ist.

  • Vor 5 Jahren

    "auf der Basis von Vorschlägen des damaligen EU-Kommissars Günther Oettinger"

    War ja klar.