Wer an die siebziger und achtziger Jahre zurückdenkt, oder kürzlich zu Besuch in Metropolen wie London oder Dublin war, dem fällt vielleicht auf, dass immer seltener handgemachte Musik durch die Straßen und Fußgängerzonen schallt. Schade, wenn man bedenkt, welche Größen der Popwelt ihre ersten Schritte als Straßenmusiker machten.

On The Road (gb) - Die klassische One Man Band, die in Personalunion den satten Sound einer ganzen Kapelle in die Stadtzentren brachte, wie etwa einst Don Partridge, ist ein seltenes Bild geworden. Mit einer Trommel auf dem Rücken, vor dem Mund befestigter Harmonika und Gitarre – oder einem Banjo im Falle des als buskin' Chris bundesweit bekannt gewordenen Christoph Lejeune – zogen einzelne Musiker schnell die Aufmerksamkeit von Fußgängern auf sich. Für viele leidenschaftliche Straßenmusiker mit einem Drang zur Unterhaltung und Selbstdarstellung, sind belebte Innenstädte und Fußgängerzonen häufig die erste Anlaufstelle um ihre Musik unters Volk zu bringen.

Von der Straße auf die Bühne – oder gar in Stadien

Denn wo sonst kann man schnell und unkompliziert eine große Zuhörerschaft erreichen, wenn nicht auf der Straße? Zudem ist die Straßenmusik eine gute Schule für einen Musiker. Wer es schafft, die Passanten für sich und seine Musik zu begeistern, der reift als Künstler und wächst an seinen Erfolgen. Einige erspielen sich auf diese Art und Weise schnell einen gewissen Bekanntheitsgrad und manche schaffen sogar den Sprung vom professionellen Straßenkünstler in die Festival- und Pop-Welt.


(Bild: Adam Calaitzis / Fotolia.com)

Auch einige Megastars der Achtziger und Neunziger haben zu Beginn ihrer Karriere als Straßenmusiker ihre Brötchen verdient. Zu den großen Ikonen zählt sicherlich die Großfamilie Kelly, die ab etwa 1975 unter dem Namen The Kelly Family durch Städte auf der ganzen Welt tourte. Dort fanden sie ein immer größeres Publikum, bis dann Mitte der 1990er-Jahre erste Charterfolge gefeiert werden konnten. Nach enormen Erfolgen und einer längeren Pause, stehen die Familienmitglieder der bejubelten Pop- und Folkband inzwischen wieder gemeinsam auf der Bühne und füllen heute wieder große Hallen mit ihren emotionalen Songs.

Erfolge dank YouTube & Co.

Viele talentierte Straßenmusiker erlangen heutzutage internationale Bekanntheit, wenn Passanten ihre Auftritte filmen und die Videos auf Portalen wie Facebook, Instagram oder YouTube virale Hits werden. Nicht wenige haben damit auch schon den Durchbruch geschafft. So beispielsweise die Musikerin Tash Sultana aus Melbourne, die lange Zeit ihre Musik auf den Straßen der australischen Hauptstadt zum Besten gab, bis im Jahr 2016 ein Video ihres Tracks "Welcome to the Jungle" innerhalb weniger Tage Millionen Aufrufe verzeichnen konnte. Eine erfolgreiche Karriere mit Welt-Tournee und mehreren Chart-Platzierungen folgte. Interessant ist, dass auch sie ihre Musik ganz alleine einspielt, dabei aber nicht mit mehreren, an ihren Körper geschnallten Instrumenten – sondern mittels moderner Technik wie Loop-Pedalen und Drum Machines.

Ein anderer Könner dieses Fachs ist der Beatboxer und Live-looping-Künstler Dub FX, der ebenfalls aus Australien kommt. Er wagte sich als einer der ersten Straßenmusiker in neue Gefilde vor, in dem er nur mit seiner Stimme und verschiedenen Effektgeräten spektakuläre Musikstücke erschuf, in denen Genres wie Dubstep, Drum and Bass, Hip-Hop oder Jungle miteinander kombiniert werden. Dank der enormen Erfolge seiner YouTube-Videos folgten in den vergangenen 10 Jahren zahlreiche Konzerttouren durch die ganze Welt.

Noch viel größer war der Karrieresprung eines jungen Engländers, der sich in den 2000er Jahren zwischen kleinen Bühnen und Fußgängerzonen seinen Lebensunterhalt verdiente – bis er schließlich ein Video ins Internet stellte, das vom britischen Rapper Example entdeckt wurde. Dieser nahm den Straßenmusiker daraufhin mit auf Tour, von der mehrere Videos auf YouTube erfolgreich waren. Dieses Momentum nutzte er – und füllt heute als Ed Sheeran Stadien auf der ganzen Welt.

Auch in Deutschland gibt es immer wieder Newcomer, die ihre erste Anhängerschaft ihren Straßenshows und den daraus resultierenden Online-Videos zu verdanken haben. Zu dieser jüngeren Generation von Straßenmusikern gehört die erfolgreiche Band AnnenMayKantereit, die zwischen 2011 und 2012 in Köln kostenlose Konzerte auf der Straße spielte. Videos der Performances gingen schnell viral und wenig später folgte der enorme Charterfolg, der bis heute anhält.

Straßenmusik Festivals lassen den Geist wiederaufleben

Während in deutschen Innenstädten immer häufiger Auftritte von Straßenmusikern untersagt oder abgebrochen werden – nicht zuletzt, da immer öfter Beschwerden eingehen – gibt es jedoch noch einige Hochburgen der öffentlichen Kleinkunst. Jedes Jahr findet in Ludwigsburg das Internationale Straßenmusikfestival statt. An drei Tagen geben dann unzählige Straßenmusiker vor der Kulisse des blühenden Barockgartens ihre Musik zum Besten. Ähnliche Veranstaltungen sind auch das Bardentreffen in Nürnberg oder das Straßenmusikfestival Stramu Würzburg.

Auch im Rahmen der zahlreichen Mittelaltermärkte sind immer wieder Straßenmusiker anzutreffen. Und ab und zu sieht man auch auf dem ein oder anderen großen Open Air Festival noch klassische One Man Bands. So der Fall bei Bombadil's Big Band, die nur aus Gerard George Kettel bestand. Dieser ist inzwischen jedoch vermehrt mit seiner Tochter Soluna Samay unterwegs, mit der er zusammen das Duo Gee Gee & Soluna bildet.

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