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Platz 6: "The Wall", 1979

Wer Roger Waters eine megalomanische Herrschaftssucht unterstellt, mit der er 1979 die Band zerstört habe, macht es sich zu einfach. Das gibt auch Nick Mason offen zu. Nach der großen Stadiontournee 1977 hatte das bisher doch so unzertrennliche Vierergespann so gar keine Lust mehr aufeinander – gleichzeitig aber auch gigantische Steuerschulden. Falsche Investments von Dritten hatten Pink Floyd nach eigener Aussage eine Summe in Höhe der gesamten Dark-Side-Lizenzgebühren gekostet. Dringender denn je musste ein neues Album her.

Dass "The Wall" zu Waters ganz persönlichem Manifest wurde, verdanken wir jedoch in erster Linie den anderen Bandmitgliedern. Die vertreiben sich das Jahr 1978 nämlich mit Soloalben (Gilmour und Wright) oder der Produktion anderer Künstler (Mason). An neuem, dringend benötigtem Material arbeitet nur einer: Roger Waters – der seine Konzepte längst in Form von vollständigen Albumdemos vorlegte, über die er seine Kollegen (damals immerhin noch) abstimmen ließ.

Bedenkt man, dass es sich in weiten Teilen um die Kompositionen eines einzelnen Mitglieds handelt und Waters das Album unter großem Druck und in stetiger Spannung und Diskussion mit seinen einstmals brüderlich-verbundenen Kollegen (Wright fliegt noch während der Aufnahmen aus der Band) durchgepaukt hat: Seine musikalische und thematische Qualität ist bis heute bestechend. "The Wall" hat sie nur noch in seltenen Momenten ("Comfortably Numb"), diese fließende Magie der frühen Siebziger. Wir hören eine andere Band, eine thematisch verkopfte Version dessen, was vielen Musikfans in den Jahren zuvor als zu schwülstig und unpräzise erschien.

"The Wall" ist emotional, gaga, hardrockig und manchmal erzwungen tanzbar: Man mag sie vermissen, diese federleichten, verträumten Momente, doch mangelnder Abwechslungsreichtum wäre wohl das letzte, was man Pink Floyds drittem großen Meilenstein vorwerfen kann.

Anspieltipps:
"Comfortably Numb", "In The Flesh", "Another Brick In The Wall (Part 1)", "The Trial"

Hätten sie nicht als Single auskoppeln sollen, damit niemand es für einen repräsentativen Song hält:
"Another Brick In The Wall (Part 2)"

"The Wall"*

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5 Kommentare

  • Vor 3 Jahren

    Schwieriges Album...geniales Konzept, beeindruckend ausgearbeitete Storyline, aber musikalisch hat es mich irgendwie nie gepackt. Es klingt mitunter austauschbar, zu nah am Zeitgeist und Waters Gesang geht mir mitunter gewaltig auf den Zünder (Don't leave me now...). Lässt man die gefühlt hundert Interludes mal außen vor, bleiben gar nicht mal so viele Songs übrig und die gefallen mir auch nicht durch die Bank. Seine großen Momente hat die Platte aber zweifellos.

  • Vor 3 Jahren

    Geht zwar viel von der Story verloren, aber hab mal ne Playlist zusammengestellt, die ich gut durchhören kann. Da warens nur noch 9 Songs. Sind mir zu viele Füller drauf.

  • Vor 3 Jahren

    Macht mal jemand die Tür hinter mir zu? So hab ich es damals empfunden und ich schwöre heute bleibt die Tür dicht. Roger hat sich schon wärend der Aufnahmen draussen hin gehockt und sein Ding gemacht, die anderen sollten mit der Mauer versteckt werden.

    Größenwahnsinnige Genialität, nicht einfach zu überwinden, die Mauer in deren Köpfe. Fresst Staub, Roger melkt die Cashcow und hat seine Kreativität damit verkauft. Trotzdem als Abschluss der zweiten Phase gelungen.

  • Vor 3 Jahren

    PUH! Dachte, nur mir ginge es so... ^^
    Auch ich tu mich schwer mit der Monstrosität "The Wall". Das Album bringt so viel an (emotionalem) Ballast und zeithistorischer Relevanz mit, dass ich tatsächlich immer einen Bogen um die Platte gemacht hab. War mir einfach zu viel. Ich höre tendenziell auch lieber David Gilmours Gesang und insofern kommt vielleicht zu viel zusammen, weswegen ich mich eher auf den anderen Platten 'heimisch' fühle. Nichtsdestotrotz hat sich Another Brick In The Wall, Pt. 2 erstaunlicherweise für mich bis heute nicht totgenudelt und ich freue mich jedes Mal aufs Neue auf das Gitarrensolo, das ich formvollendet an der Luftgitarre begleite. Der einzige Grund, wieso ich noch das Formatradio einschalte :D
    Weiterhin schätze ich natürlich Hey You und Run Like Hell außerordentlich, da sie live einfach nochmal ganz besonders zünden und beide wirklich, wirklich gute Lieder sind.
    Über Allem trohnt natürlich Comfortably Numb. Vielleicht überstrahlt es sogar die Band selbst als zeitloses Mahnmal. Rogers und Gilmour beide mit ihren vielleicht besten, einprägsamsten Gesangsparts, so diametral zueinander, so sehr lyrisch miteinander kämpfend. Die Anschuldigung an sich selbst, "comfortably numb" geworden zu sein, spüre ich mit jedem Lebensjahr stärker auch in mir und ich projiziere es irgendwie auch auf große Teile unserer (weltweiten) Gesellschaft. Immens wichtig! Dazu schüttelt Gilmour vielleicht die beiden geilsten Gitarrensolos der Musikgeschichte aus dem Arm. Was gäbe ich dafür, das nur ein einziges Mal live zu erleben!

    Im Übrigen gestehe ich, nach langem, völligem Unverständnis, mittlerweile ganz gerne mal diese "Reaction-Videos" auf Youtube zu sehen. Irgendwie hat es eine ganz eigene Faszination, junge Leute dabei zu beobachten, wie sie erstmalig die Live-Version des Pulse-Konzertes anschauen. Dieser sich in immer höhere Höhen steigernde audiovisuelle Bombast, der kein Ende zu nehmen scheint, immer spektakulärer und erdrückender Wird, bis man irgendwann völlig ausgelaugt und zutiefst beeindruckt zurückgelassen wird - ohne Worte! Was für ein Meisterwerk!

  • Vor 3 Jahren

    Viel zu viele Füller, aufgeblasen bis zum geht nicht mehr. Ein Album, das vom Zeitgeist lebt.