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Livesplitter: Swans

Mit Folk-Waisen halten sich Swans nach der Umbaupause nicht auf. Stattdessen starten sie mit "The Knot", das einfach mal genauso lang dauert, wie zuvor Baby Dees gesamtes Set. Es gibt Bands, die füllen ihre anderthalbstündige Show mit 30 Songs (System Of A Down), Swans pressen mit Müh und Not fünf in zweieinhalb Stunden. Was in dieser Zeit passiert ist allerdings nicht weniger als eine Lehrstunde in Sachen Dynamik. Wobei besonders Kristof Hahn an der Lap Steel eine wichtige Rolle spielt. Statt geschlossen ins Publikum zu blicken, formt die Band auf der Bühne einen provisorischen Kreis, in dem Michael Gira als Dirigent die Einsätze koordiniert und sich und die Zuschauer immer tiefer in einen tranceartigen Zustand navigiert. Je länger die Show geht, desto gelöster wird das Publikum, mehr und mehr Leute beginnen zu tanzen – mit geschlossenen Augen und einzig für sich wohlgemerkt. Da gibt es einen, der mit ausladenden Zuck-Bewegungen Platz um sich schafft, ein anderer begnügt sich damit, auf Brusthöhe seine Handgelenke zu winden. Das dafür unermüdlich über zwei Stunden hinweg, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Ein Pärchen grinst sich bei jedem der Walls Of Sound neu hinzugefügtem Element glücklich an. Konzerte werden ja gerne mit Gottesdiensten verglichen – auf der Bühne der Prediger, im Parkett die Gläubigen. Ein Swans-Gig zeigt, wie diese Assoziation zustande kommt.

Als i-Tüpfelchen zeigen sich die bei der Arbeit gerne etwas reserviert wirkenden Musiker im Anschluss äußerst fannah. Den grimmigen Bühnenblick kompensiert Michael Gira beim Signieren am Merchstand mit Dauergrinsen. Kristof Hahn widmet sich sogar noch während des Abbaus bereitwillig seinen Anhängern und trägt ihnen im Zweifel auch mal einen vergessenen Stift hinterher. Während des Konzerts macht er sich über seine regelmäßig gerichtete Kammfrisur lustig. Für den Wahl-Berliner ist der Auftritt ja ohnehin eine Art Heimkehr.

Drei Gigs in New York sind mit der aktuellen Reinkarnation noch geplant, dann gehts vorerst wieder in die Versenkung. Die nächste Auferstehung kommt bestimmt. Und sie wird gut.

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