Der kalkulierte Hit des australischen Rappers ist Pop von seiner schlechtesten Seite.

Retorte (ynk) - Irgendein sehr mächtiger Mensch in den oberen Riegen der Musikindustrie ist fest entschlossen, dass ein Australier namens The Kid Laroi das nächste große Ding sein wird. Jemandem Industrie-Push vorzuwerfen, ist im Kosmos des Pop-Zirkus' bekanntermaßen relativ bescheuert. Aber die Diskrepanz zwischen der Menge an Ressourcen, die für The Kid Laroi bisher schon verbrannt wurde und dem relativen Mangel an Erfolg, der sich bisher eingestellt hat, sprechen dann doch Bände. Nachdem das Hip Hop-Ding, das Emo-Trap-Ding und das Pop-Rap-Ding nun alle schon gekommen und gegangen sind, scheint das hier das letzte Aufbäumen zu sein: Eine reine Pop-Single mit trendigem Sound und Justin Bieber-Feature. "Stay" heißt das gute Stück und macht endlich die Klicks, die er die ganze Zeit schon hätte machen sollen.

Der The Weeknd-"After Hours"-Wannabe-Sound macht schnell klar: Laroi ist ein Teenie-Bopper der hassenswertesten Sorte. Völlig artifiziell, völlig identitätslos und grenzenlos austauschbar dudelt er sich durch den Song, den man genauso gut Zara Larson oder Bebe Rexha hätte geben können. Aber er hat Bieber als Feature, einen einigermaßen schmissigen Beat, ein fantastisch produziertes Musikvideo und die Mittel, den Mist an jedes Radio der Welt zu verbreiten. "Stay" ist ein Musterbeispiel für Pop-Einheitsbrei.

Die besonders zynische Note bei Laroi im Besonderen kommt daher, dass er zunächst ja als Schützling von Juice WRLD vermarktet wurde. Der tragisch jung verstorbene Emo-Trap-Großmeister hatte nämlich zu Lebzeiten ein paar Songs mit dem australischen Neuzugang auf seinem Label gemacht, die alle zugegeben lieblos klangen. Seit seinem Tod hat das Label von Laroi alle Hebel in Bewegung gesetzt, den Trauerfall für ihn nutzbar zu machen, was zu einem ganzen Tape voller dreister Juice WRLD-Ripoff-Songs geführt hat, die aber immerhin in der Essenz irgendetwas mit dem Genre zu tun hatten. Dazu gab es Features von quasi jedem trendigen Rapper der Zeit: Lil Mosey, Lil Tecca, NBA Youngboy, Polo G, Lil Tjay, Internet Money und Lil Durk. Jeder wurde rekrutiert, um ihm eine Aura von organischer Rap-Cred zu verleihen, die er offensichtlich von selbst nie hatte. Es lief nicht schlecht für ihn, aber ein Star wäre er so nicht geworden. Aber: Immerhin mochten weiße Tanten ihn im Radio gerne. Also wurden die Features kurzerhand verschoben. Jetzt arbeitet er mit Miley Cyrus, Justin Bieber und Machine Gun Kelly zusammen. So schnell wurden Hip Hop-Wurzeln noch nie über Bord geworfen. Das Juice WRLD-Ding wirkt retrospektiv so nur noch zynischer. Aber hey - jetzt hat er ja wohl den kommerziellen Riesenhit, auf den er so lange hingearbeitet hat. Dass er im Prozess davon Iggy Azealea aussehen lässt wie KRS-One, geschenkt.

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