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NME gegen den Trend

Mit dem extrem polarisierenden Debüt von NMIXX letzten Monat (es ist gut, fight me) und dieser seltsamen Abzweigung von einer der Hoffnungen gegen den Girl Crush-Trend kamen natürlich auch wieder die klassischen Stan-Diskurse auf. Ruiniert Girl Crush K-Pop? Brauchen wir andere Töne? Werden wir alle sterben? Normalerweise ist das ja Terrain von dreiminütigen YouTube-Videos, auf denen Microsoft Sam ohne Faden und Grammatik zu uns spricht, oder dieser Kolumne - aber jetzt mischt sich auch das Musikmagazin NME in den Spaß ein:

Die machen ja schon eine Weile Genre-Reviews, die ich meistens schätze. Aber der hier geht doch eher daneben. Kurz zusammengefasst: Die vierte Generation übertreibt es mit der Badassery. Alle kommen mit den gleichen Konzepten und verwässern damit den Empowerment-Ansatz, genau wie im Westen die gepflegte Girlbossery ihre Limits erreicht hat. Und ja, natürlich ist Girl Crush gerade die Welle, und wie so oft in der K-Pop-Geschichte spring jeder auf die Welle, bis sie irgendwann bricht.

Wo ich dann aber entschieden Einspruch erheben muss ist, wenn sie behaupten, IVE, Purple Kiss, NMIXX und Kep1er klängen alle gleich wie ITZY oder Blackpink. Das sehe ich einfach nicht. Vor allem, wenn als Positiv-Beispiele dann "Psycho" von Red Velvet und die Existenz von StayC angeführt werden. All diese Gruppen haben teilweise absolut grundverschiedene musikalische Ansätze. IVE klang in meinen Ohren elegant und laid-back, wenn man einzig das Spektrum Girl Crush-Cute kennt, hätte ich sie eher auf letztere Achse sortiert. Purple Kiss machen albernes Horror-Camp, die letzte Single "Zombie" war mal null edgy. Und StayC als diese "not like other girls"-Girlgroup aufzubauen, das finde ich auch fies, weil sie das in ihrem Text so überhaupt nicht darstellen. Außerdem: Haben sie bei aller Liebe mit ihrem Debüt nicht auch angekündigt, "so bad" zu sein?

Aber selbt wenn all diese Gruppen wirklich nur eine Soße wären: K-Pop befindet sich in einer so intensiven Phase des Überangebots, es fällt mir wirklich schwer, zu glauben, dem Autor fallen keine Alternativen ein. Pumpen nicht immer noch fünf Gruppen im Monat Disco-Songs in den Äther? Kommt nicht gerade ein Pop-Punk-Revival auf? Ja, die vierte Generation reitet dieses Empowerment-Ding gerade ziemlich tot, und für uns Westerners ist das ein Thema, das gewissermaßen schon ziemlich hinter uns liegt. Aber dieser ganze Diskurs ist in Korea eben realistisch ein bisschen nach hinten verschoben. Lasst sie ihre Phase haben. Wie alle Trends wird sie kommen, und gehen und schneller als wir uns versehen, hat ein Gegen-Trend die Phase übernommen und Girl Crush-Nostalgie wird uns alle nerven.

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