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1. Aespa - Next Level / Savage

Solltet ihr auch nur ein klein bisschen meine Begleitung dieses K-Pop-Jahres verfolgt haben, dann sollte das hier ungefähr überhaupt nicht überraschend kommen. Ich habe das ganze Jahr damit verbracht, Aespa zu hypen - und ich bereue nichts. Einen von ihren beiden Titeltracks des Jahres herauszusuchen, kriege ich auch nicht hin. Sowohl "Savage" als auch "Next Level" teilen sich meinen Thron für den Banger des Jahres. Was soll ich sagen? Es ist hysterisch geiler Fashionista-Pop mit viel zu ernst genommenem Science Fiction-Konzept und Produktion, die wie zehn Jahre aus der Zukunft klingt und jeden Hyperpop-Fan begeistern würde.

Ich glaube, was mich an Aespa und ihrem ersten Tape "Savage" so begeistert, ist die Kompromisslosigkeit, mit der sie K-Pop-Eigenheiten weiterentwickeln. Der schräge Hang zu K-Pop als narrativem Medium, die Beat-Brüche, die Überlagerungen von zwanzig verschiedenen Genres und die Verkürzung von allen möglichen Songelementen. So macht man nämlich aus einem Außenposten eines Genres einen eigenen Sound. K-Pop hat in den 2000ern doch genau an dem gleichen Punkt gestanden wie deutscher Pop. Die haben jetzt Gruppen wie Aespa, die man irgendwo anders auf der Welt nicht mal in Ansätzen wiederfindet, und wir haben Mark Forster. Die Konsequenz, mit der hier interessante Bruchstellen und Ideen des Genres genommen und ins Extrem gesteigert werden, ist musikalisch irre interessant.

Aber abseits davon, dass das alles sehr interessant ist, klingt es auch einfach fantastisch. Sowohl "Savage" und sein kernbescheuertes "Z-z-z-z", als auch das von vorn bis hinten ohrwurmige "Next Level" rasten von der ersten bis zur letzten Sekunde aus. Und das sind beides keine kurzen Songs, beide gehen die Extrameile, noch eine ganze Menge mehr schräges und unerwartetes Zeug in ihren Spannungsbogen zu quetschen, die Pop-Konvention wird aufs Maximum ausgereizt, statt aufs schnelle Geld im Algorithmus zu setzen. Popsongs müssten nicht so ambitioniert und aufwändig sein. Aber Gruppen wie Aespa zeigen, dass es sich lohnt, nicht nur in die Vergangenheit zu sehen, sondern weiterhin an Pop der Zukunft zu glauben. Denn hätte jemand in den Neunzigern gefragt, wie Pop in 30 Jahren mal klingen würde, sollte man ihm Aespa zeigen. Es wäre nur angemessen.

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2 Kommentare

  • Vor 2 Jahren

    Beide Songs sind fantastisch, doch.
    Und das Album "Savage" reiht sich für mich klar neben Julia Holters "Aviary", "Oil Of Every Pearl's Un-Insides" von SOPHIE und Billie Eilishs "WHEN WE ALL FALL ASLEEP, WHERE DO WE GO?" ein als eines, welches durch seine Neuartigkeit gepaart mit schlichter Klasse einen sehr optimistischen Blick auf zukünftige Musik ermöglicht, ungeachtet des ganzen Schrotts, der nicht nur produziert, sondern, warum auch immer, auch in Massen abverkauft und sogar (!) gehört wird. Verdienter geteilter erster Platz, meine ich als jemand, der kaum Bezug zum Thema dieser Rubrik, diese jedoch sehr schätzen gelernt hat.

  • Vor 2 Jahren

    Zehn Jahre aus der Zukunft? Eher zwanzig Jahre aus der Vergangenheit. Stichwort: Disney Club. Wobei die böse Maus mit ihren Produkten vermutlich besser umgegangen ist als die K-Pop-Maschine heute.