Ein Buch über die Popkultur im Ruhrpott entpuppt sich als liebevoll zusammengetragener Reader, der anspruchsvoll unterhält.

Duisburg (mmö) - Wer als Auswärtiger an das Ruhrgebiet denkt, hat automatisch Klischees im Kopf. Schwerindustrie, Bergbau, Malochertum, problembeladener Multikultischmelztiegel, eine Region, die die Kurve zur Dienstleistungsgesellschaft nicht so richtig gekriegt hat und in den Leitplanken des modernen Deutschland nur noch als Dellen eines alten Unfalls zu erkennen ist. Obwohl ein riesiges Ballungszentren mitten im Herzen Europas, scheint die Region abgehängt und verwahrlost.

Dass diese Bilder keineswegs der Realität entsprechen, könnte eine Reise in den "Pott" belegen. Oder ein Buch aus der Region für die Region. Und so kommt "Echt! Pop-Protokolle aus dem Ruhrgebiet" (broschiert, 301 S., 14,90 €) denn auch aus Duisburg. Der formidable Verlag Salon Alter Hammer veröffentlicht diese Sammlung von Essays und Betrachtungen, herausgegeben von Johannes Springer, Christian Steinbrink und Christian Werthschulte (einer geboren in Gelsenkirchen, einer sesshaft in Duisburg, einer pendelt zwischen Dortmund und Bochum).

"Mein Poppott"

Der Begriff des "Pop" ist in "Echt!" sehr weit gegriffen. So finden sich neben Beobachtungen aus der Großraumdiskothek "Blue Moon" in Oberhausen auch Abhandlungen über politische Sponti-Gruppen und essayistische Überlegungen zum Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas 2010 und seine Chancen im anhaltenden Strukturwandel. Von amüsant über experimentell bis wissenschaftlich kompilieren die Herausgeber unterschiedliche Texte. Wer ein Lesebuch mit Anekdoten über das Leben im poppig bunten Ruhrpott erwartet, wird enttäuscht.

Auch wenn der Einstieg in das Buch mit dem etwas spröden "Mein Poppott" von Marc Degens etwas trocken gerät, entpuppt "Echt!" sich als liebevoll zusammengetragener Reader, der anspruchsvoll unterhält.

Die schicke Aufmachung (die fast utopisch anmutende Coverfotografie vom Rocket Man über grauer Sozialbaufassade steht symptomatisch für Anspruch und Wirklichkeit in einer Region, in der es trotz aller farbloser Realität auch immer die Träumer gegeben hat) verpackt ein durchaus lesenswertes Buch, nicht nur für diejenigen, die zwischen Lippe und Ruhr aufgewachsen sind.

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