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Heil Yitler

Wie finde ich jetzt nur eine passende Überleitung von "professioneller Hilfe" zu Kanye? Spaß beiseite: Was der Mann in den letzten Tagen von sich gab, lässt sich nicht länger mit seinen psychischen Problemen entschuldigen. Gleich in mehreren Interviews weigerte West sich, sich für seine antisemitischen und rassistischen Äußerungen zu entschuldigen, und wiederholte stattdessen nur noch weitere immer abstrusere Talking Points der Rechten. Er verglich etwa eine Abtreibungsklinik mit dem Holocaust und behauptete, niemand würde kritischer beäugt werden und habe weniger Freiheiten als der weiße Hetero-Mann.

Dabei ist es vollkommen egal, wie inkoheränt, dumm und an den Haaren beigezogen das Ganze ist: So lange ein schwarzer Mann seines Kalibers öffentlich diese Rhetorik verbreitet, werden Leute versuchen, Profit daraus zu schlagen. Man würde all das gerne einfach als Quatsch abtun und ignorieren, aber die gefährlichen realen Folgen, die solch ungefilterter Hass hat, konnte man letzte Woche in Los Angeles bestaunen. Während sich aufgrund Yes extremer Aussagen selbst Donald Trump und Ben Shapiro ein wenig von ihm distanzieren, machen sich an deren Stelle nun waschechte Nazis für ihn stark.

Auf einer Brücke über einer Autobahn in Los Angeles hissten Demonstranten Plakate mit den Aufschriften 'Kanye is right about the jews' und 'Honk if you know'. Auf Bildern sind sie zu sehen, wie sie die Arme zum Hitlergruß erheben. Der Bürgermeister von Los Angeles äußerste sich wenig später zu dem Vorfall. Auf Twitter schrieb er: "We condemn this weekend's anti-Semitic incidents. Jewish Angelenos should always feel safe. There is no place for discrimination or prejudice in Los Angeles. And we will never back down from the fight to expose and eliminate it."

In der amerikanischen Gesellschaft erlebt Antisemitismus momentan einen zweiten Frühling. Laut der Anti-Diffamation League erreichten die körperlichen und verbalen Übergriffe auf jüdische Personen im letzten Jahr ein neues Rekordhoch, und Kanyes verbale Ausfälle geben diesem Hass eine nur noch größere Plattform. Bereits vor dem Zwischenfall auf der Brücke fanden Bewohner*innen Los Angeles antisemitische Flyer in ihren Briefkästen und an öffentlichen Orten in der Stadt verteilt, die auf die von Kanye propagierte "Agenda" der Juden aufmerksam machen wollen.

In der Folge ist nun endlich das geschehen, was Kanye selbst lange Zeit für unmöglich hielt. Er wurde 'gecancelt'. Erst vor zehn Tagen sagte er noch in NOREs Show "Drink Champs": "I could say anti-Semitic things, and Adidas can't drop me", nun beendete der Mode-Gigant aufgrund ebendieser Aussagen die Zusammenarbeit mit Ye. Ebenso wie Def Jam, Balenciaga, Vogue, Anna Wintour, seine Anwälte und seine Bank. Hinzu kommt, dass sich nahezu jede Person in der Unterhaltungsindustrie von ihm distanzierte oder sich gegen ihn aussprach, darunter auch seine Ex-Frau Kim Kardashian. Selbst KANO, die Firma, die Kanyes Stemplayer vertrieb, löste die Zusammenarbeit auf.

All das sind nachvollziehbare Schritte und Entscheidungen, doch letzten Endes schütten sie nur noch weitere Wagenladungen an Kohlen in das lodernde Feuer von Kanyes Illusion, die Welt habe sich gegen ihn verschworen.

Als Fan bricht es mir jeden Tag ein wenig mehr das Herz, wenn ich erlebe, was aus einem meiner größten musikalischen Idole geworden ist. Der irrationale Stan in mir pflegt still und leise zwar noch die Hoffnung, dass Ye nur solch radikale Maßnahmen ergriff, um aus seinem Adidas-Vertrag zu kommen (was es auch nur marginal relativieren würde). Doch so langsam sickert die Realität ein, dass sich die Karriere des Mannes im Rekordtempo einem unschönen Ende nähert, sollte er sich weiterhin jeglicher Hilfe verweigen oder nicht schleunigst sein Umfeld wechseln. Könnte der Ye, der sich einst gegen Homophobie und Bush aussprach, doch nur sehen, was aus ihm geworden ist. Die richtigen Worte für seine Situation fand er bereits 2018:

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