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Das Sido-Thema

Ich habs in der Review schon geschrieben: Ich bin überrascht davon, wie gut dieses neue Sido-Album für mich funktioniert hat. Nicht nur, weil der Kerl das alles sehr ernst und aufrichtig gemeint zu haben scheint, sondern auch, weil ich es als einen der sehr seltenen Fälle empfunden habe, in der Deutschpop-Produktion sinnvoll und effizient eingesetzt wurde. Vor allem, weil man merkt, dass Sido und dieses Anliegen genug Respekt genossen, um mehr als Dienst nach Vorschrift von der Maschine zu bekommen.

Deswegen hat es mich doch ein bisschen gewundert, dass die Meinung zu "Paul" auch im laut.de-Forum so einstimmig negativ dagegen gestanden hat. Klar, ich check' die Resonanz, dass diese Art von glattgeleckter Produktion es in mancherlei Hinsicht nicht für jedermann tun wird. Ich glaube tatsächlich auch, dass die ganze Promo, die da hingeführt hat, nicht unbedingt produktiv war. Dani hat vorletzte Woche schon über den gigantischen Interview-Run gesprochen, ich hab' das alles ehrlicherweise komplett ausgeblendet und das Album absolut jungfräulich gehört. Jetzt habe ich mich im Nachhinein doch noch einmal hingesetzt, ein paar Interviews und Musikvideos geguckt und verstehe das ein bisschen besser.

Sido hat sich dem Thema schon mit einer etwas schwerfälligen Gravitas genähert. Was ich beim Album überhaupt nicht finde, kommt mir da auch so vor: nämlich, dass sich das ganze ziemlich offensichtlich dem Zeitgeist anbiedert. Wichtiges Thema, bla, erwachsenes Album, bla, das wirkt wirklich alles wie diese Fabian Römerisierung des Ganzen, auf die ich auch von Anfang an keinen Bock hatte.

Aber ich weiß nicht, es sind mir wirklich mehr als ein paar Songs sehr positiv hängen geblieben, und Sido mit so viel Überzeugung und Willen rappen zu hören, das hätte ich mir nicht besser von ihm wünschen können. Wie geschrieben, ich glaube nicht, dass dieses Album einem zynischen Ohr gewachsen ist. Aber trotz allem Drumherum, das man durchaus unsympathisch finden kann, würde ich trotzdem noch einmal dafür plädieren, es mit offenen Ohren zu hören und sich darauf einzulassen. Ich glaube schon, dass es ein relativ besonderes Deutschrap-Album ist.

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3 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor einem Jahr

    Ich konnte leider noch nie 'was mit Sido, seiner Stimme, seiner Art Sätze auszusprechen, seine Art zu reimen, seinen Texten generell und vor allem seinem Humor und dieser Beziehung zu „Kifferrap“ in dem Sinne wie auch bei Snoop Dogg. Allerdings hat Snoop Dogg immer wieder auf richtig guten Beats krass geflowt und er langweilt mich eher mit dem Alter, als dass ich ihn abstoßend finde. Bei Sido ist das manchmal leider so, wenn er sich wie der Mittelschicht-Spießer verhält über den er sich einst lustig gemacht hat.

    Keine Ahnung, kann mit seiner gesamten Diskografie wenig anfangen… Und da scheint mir dieses Album eben auch nicht d'rauß „auszubrechen“ und mir zu zeigen, dass Sido ein guter Texter und ein interessantes lyrisches Ich bzw. weil Hip-Hop eben eine interessante Persönlichkeit. Er war damals zur richtigen Zeit am richtigen Ort unter den richtigen Leuten und konnte so mit Klassikern (aber auch relativ banalen Songs, im Vergleich dazu, was sonst in Westberlin abging) wie „Mein Block“ etc… viele Leute sowohl in der Szene als auch im deutschen Popmusikbereich extrem viele abholen. Und außer der Maske hat mich damals auch nichts daran gestört, außer, dass ich das privat nicht gepumpt hab'.
    Aber immer mehr wird er wird er für mich abstoßender und abstoßender, genauer kann ich das nicht erklären. Sein (natürlich um Lichtjahre entferntes) US Pendant Snoop Dogg dagegen schafft es sich durch min. ein unfickbares Album ???? und dass bei all den Features für Kohle doch immer 'mal wieder 'was cooles bei 'rumkommt. Und ich bin echt kein „Fan“ von Snoop Dogg.

    Sidos bester Song bleibt der „Arschficksong“ weil er in seiner Reise aus der ursprünglichen Bedeutung eines klassischen Disstracks zu dem Punkt entwickelt hat, bei dem die „deutsche Leitkultur“ (sry, mir ist kein besseres Wort eingefallen) Hip-Hop Kultur einfach nicht verstehen wollen, es „Eingeweihten“ klar ist, was da los ist und für die der Song witzig ist und die Kinder, die durch den Schockfaktor deutschen Hip-Hop entdecken und noch mehr Schnittstellen.
    Hat sich Sido nicht sogar für den Song entschuldigt? Wenn ja, dann ist das unter aller Sau…

  • Vor einem Jahr

    Interessant. Ich konnte die Review zum Album nämlich absolut nachvollziehen und habe selbst auch keine Promo mitbekommen.

    Anderseits wäre das ja ziemlich schlechte Promo, wenn sie den Hörgenuss zerstört ????

    Das Album komplett aus dem nichts ohne Promo und Single zu droppen hätte sicherlich mehr impact gehabt.

  • Vor einem Jahr

    Mein Eindruck war eher umgekehrt. Fand, dass er in den Interviews ziemlich reflektiert und aufrichtig gewirkt hat, er es aber einfach nicht schafft, seine Gefühle in gute Musik umzumünzen